Auftakt zur Vierschanzentournee:Trotzdem Österreich

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Wie immer die erste Station der Vierschanzentournee: die beleuchtete Schattenbergschanze in Oberstdorf. (Foto: dapd)

Die deutschen Skispringer zeigen vor der Vierschanzentournee, wie man sich mit Geduld, Teamgeist und Vernunft aus einer Dauerkrise robbt. Dennoch: Die Dominanz der Österreicher ist noch nicht gebrochen. Wenngleich es einige ältere Herren des Skisprung-Sports noch einmal wissen wollen.

Ein Kommentar von Thomas Hahn

Die Freunde des gepflegten Skispringens würden sich umschauen, wenn nur noch Teen- und Twenager die Schanzen bevölkerten. Ein Schlag gegen die sonore Nachdenklichkeit des Alters wäre das, welche die Jugend doch noch gar nicht aufbringen kann. Unverständlich ist es deshalb, dass einzelne Experten meinen, der frühere Weltmeister Martin Schmitt hätte längst aufhören sollen. Erstens ist der Mann erst 34 und damit ein Greenhorn im Vergleich zum Tourneestarter Noriaki Kasai aus Japan, der süße 40 ist.

Zweitens hat Schmitt sich bei den beiden Continental-Cup-Wettbewerben in Engelberg ohne Bonus für die 61. Vierschanzentournee qualifiziert; den Wettkampf am Freitag gewann er sogar. Drittens stört es doch gar nicht, wenn ein reiferer Mensch noch ein bisschen im Sport seines Vertrauens mitspielt.

Realistisch einschätzen muss man halt die Chancen eines solchen Seniors: Hoch wird Schmitt diese Tournee nicht gewinnen. Ränge unter den ersten 30 wären für ihn ein Erfolg, sollte er sich für die zweite Hälfte in Österreich qualifizieren, wäre das eine Überraschung. Aber so ist es ja mit allen Startern des Vierschanzenstreits: Der Anspruch muss sich nach der Wirklichkeit richten.

Deshalb wäre es auch etwas übertrieben, die jüngeren DSV-Springer um den Weltcup-Zweiten Severin Freund zu ersten Favoriten zu erheben. Sie haben ihre Chancen, und es ist nicht zu erwarten, dass sie nach einem ersten Saison-Viertel in Gipfelnähe geschlossen auf die zweistelligen Plätze zurückfallen. Aber die Dominanz der Österreicher ist nicht gebrochen.

Der Tournee-Titelverteidiger und Weltcup-Führende Gregor Schlierenzauer wirkte zuletzt nicht sehr schreckhaft. Die Gesamtsieger der vergangenen vier Jahre sind alle Österreicher - sie wissen, wie man die Prüfungen von Oberstdorf, Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen besteht.

Sieger der Vierschanzentournee
:Popstars und Supermänner

Die früheren Sieger des traditionsreichen Skisprungvierkampfes waren allesamt wagemutig - manch einer auch abseits des Sports. Von Offizieren, Häftlingen und Maskenträgern.

Aber eine Leistung muss man ja auch nicht nur nach Siegen bemessen. Die deutschen Skispringer zeigen gerade, wie man sich mit Geduld, Teamgeist und Vernunft aus einer Dauerkrise robbt. Das zählt was. Und auch tiefer im Feld gibt es bemerkenswerte Errungenschaften. Nochmal ein Blick auf die Alten: Nach 23 Jahren in der Königsklasse seines Sports und 416 Starts steht Noriaki Kasai immer noch auf Platz 18 der Weltcup-Rangliste. So weit müssen es die jungen Leute erstmal bringen.

© SZ vom 29.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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