In der schwarzen griechischen Nacht riss Thomas Müller plötzlich still die Arme nach oben, dazu lächelte er so verschmitzt, wie es eigentlich nur Thomas Müller kann. Wie eigentlich nur Thomas Müller lächeln darf. Der Spieler des FC Bayern ist bekannt für seine Streiche, und wenige Sekunden vorher war ihm wieder ein außerordentlich müllerscher Schabernack gelungen. Also lächelte Müller, und er hörte auch nicht auf, als ihm ein Mitspieler nach dem anderen Kopf, Rücken oder Hintern abklatschte.
Fast an der Seitenlinie war Müller gestanden, er hatte den Ball kurz angetippt und dann flankte er ihn in den Strafraum. Aber das war natürlich nur ein Streich. Der Ball, der zunächst in der Kurve einer Flanke flog, bog dann irgendwann ab auf das Tor von Olympiakos Piräus, weiter und weiter flog er, über Torwart Roberto hinweg. Und dann zappelte er auf einmal im Netz.
Selten war Müller so effektiv wie in diesen ersten Wochen der Saison, und selten war er so wertvoll für den FC Bayern. Sein Tor legte den Grundstein, um erfolgreich in die Champions League zu starten, das Team gewann das erste Gruppenspiel im Athener Hafenviertel Piräus 3:0 (0:0). Das 2:0 glückte dem eingewechselten Mario Götze (89.), den finalen Treffer besorgte dann erneut Müller: mit einem schmucklos verwandelten Elfmeter nach einem Foul an Kingsley Coman (90.+2.).
Götze wieder nur auf der Bank
Zu seinem ersten Tor, das ihm aus mehr als 30 Metern geglückt war, sagte der Kuriositäten-Experte Müller: "Der Ball ist mir ein bisschen abgerutscht. Es war glücklich, aber auch sehr wichtig für uns. Wir haben uns schwer getan. Es war kein leichtes Spiel gegen irgendeinen Gegner." Piräus-Coach Marco Silva nannte Müllers Streich "ein reines Glückstor", das seine Elf völlig aus dem Konzept gebracht habe.
Der Bayern-Sieg war hart und geduldig erarbeitet. Und es ist einer, der nicht zu unterschätzen ist. In den vergangenen Jahren haben nur wenige der besten europäischen Mannschaften in Piräus gewonnen - Borussia Dortmund, Juventus Turin, Atlético Madrid, sie alle verloren in diesem Stadion mit den lauten, leidenschaftlichen Fans.
Der Spanier vollführt den göttlichen Kurzpass, David Alaba tut es Zeus gleich - nur Thomas Müller greift lieber in die Schlawiner-Trickkiste. Die Bayern in der Einzelkritik.
"Das erste Spiel ist immer schwer. Wir haben das Spiel aber komplett kontrolliert und keine Torchance zugelassen. Es war der erste Schritt", sagte Trainer Pep Guardiola. Vor der Partie veränderte er seine Aufstellung im Vergleich zum 2:1-Erfolg am vergangenen Samstag gegen Augsburg lediglich auf einer Position: Für Rechtsverteidiger Rafinha spielte Linksverteidiger Juan Bernat. Das bedeutete auch: Mario Götze spielte erneut nicht. Weil Arjen Robben verletzt fehlt, wäre eigentlich eine offensive Position zu vergeben, Guardiola nutzte sie erneut für eine weitere stabilisierende Defensivkraft. Er scheint fest gewillt, Götze nur noch im äußersten Notfall auf den Flügelpositionen einzusetzen.
Von Guardiolas Mannschaft war dann in der hitzigen Atmosphäre im Georgios-Karaiskakis-Stadion von Beginn an vor allem eine Eigenschaft gefragt: ein technisches, kühles Sezieren des Gastgebers.
Olympiakos verbarrikadierte sich weit in der eigenen Spielfeldhälfte, stellte vor allem Laufwege und Passwege im Zentrum zu. Den Ball überließen sie den Gästen. Und so passten sich Guardiolas Spieler geduldig den Ball zu, verlagerten immer wieder auf die andere Seite, wollten so eine Lücke in die Olympiakos-Defensive reißen. Zunächst vergeblich. Die erste gute Gelegenheit erspielte sich der FC Bayern in der 26. Minute, und wie auch bei den meisten späteren war Linksaußen Douglas Costa wesentlich beteiligt.
Dem deutschen Torwart unterläuft beim Unentschieden des FC Barcelona in Rom ein seltenes Missgeschick. Bayerns Gruppengegner Arsenal verliert in Zagreb, der FC Chelsea siegt gegen Tel Aviv.
Coman und Götze kommen spät
Da Piräus sich so weit zurückzog, war die FC-Bayern-Viererkette um die Innenverteidiger Jérôme Boateng und David Alaba in der Defensive nur selten gefordert. Doch wenn Olympiakos einmal angriff, dann stets geradlinig, zügig, schnörkellos. In der 19. Minute etwa vergaß Boateng in seinem Rücken Ideye Brown, der Kopfball des Angreifers war jedoch harmlos. Immer wieder unterbrach die Mannschaft von Trainer Marco Silva ihre extreme Defensivtaktik und attackierte früh in der gegnerischen Spielfeldhälfte.
Manchmal reichte das, um den FC Bayern zu irritieren. Zu einer wirklich gefährlichen Tormöglichkeit reichte es jedoch lange nicht. Das änderte sich erst in der zweiten Halbzeit, nach Müllers Streich an der Seitenlinie in der 52. Minute.
Im weiteren Verlauf war die zweite Halbzeit dann aber vor allem eines: zerfahren. Was auch an den zahlreichen Wechseln lag. Coman kam für Lewandowski (59.), Kimmich für Xabi Alonso (76.), Götze für Vidal (79.). Es dauerte ein Weilchen, bis die neuen Kräfte von der Bank ihre Wirkung entfalteten. Doch als die über weite Strecken wenig ansehnliche Partie ihrem Ende entgegenging, taten sie genau das.
In der 89. Minute stand Mario Götze goldrichtig: Coman bediente ihn, auf der rechten Seite steilgeschickt, von der Torauslinie aus perfekt; Götze traf zum 0:2. Drei Minuten später richteten sich die Blicke dann erneut auf Coman. Er zog an zwei Gegenspielern vorbei, bevor Masuaku das Bein stehen ließ. Thomas Müller trat zum fälligen Elfmeter an. Und traf zum 0:3-Endstand.