Auftakt der Vierschanzentournee:Abgestürzt im Schneegestöber

63rd Four Hills Tournament

Schneeflocken und enttäuschte Miene: Richard Freitag in Oberstdorf.

(Foto: dpa)

"Ich hätte nicht gedacht, dass sie so schlecht springen können": Beim Auftakt der Vierschanzentournee büßen die deutschen Springer jegliche Gesamtsieg-Chancen ein. Beim Erfolg des Österreichers Stefan Kraft enttäuschen die Mitfavoriten Severin Freund und Richard Freitag.

Von Volker Kreisl, Oberstdorf

Die Ambitionen waren groß und auch berechtigt, doch schon nach dem ersten Wettkampf muss die deutsche Skisprungmannschaft ihre Hoffnung begraben. Der erste Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee nach 13 Jahren ist nicht mehr realistisch. Wegen zu starken Windes war das Springen in Oberstdorf auf Montag verschoben worden, es kamen also weniger Zuschauer, die Kulisse war leiser. Die ersten Sprünge weckten dann erste Zweifel, und schon nach Mitte des Finaldurchgangs herrschte Grabesstimmung an der Schattenbergschanze. Bester Springer des Deutschen Skiverbandes wurde Severin Freund als Dreizehnter, Richard Freitag kam nur auf Rang 15, Markus Eisenbichler, der Aufsteiger des Winters, hatte das Finale verpasst.

Allen Vertretern des DSV fehlten danach die Worte für eine Erklärung, zumal die Probesprünge am Nachmittag noch im positiven Trend lagen. "Keine Ahnung, was los war", sagt Freitag. - "Im Wettkampf wollten die Sprünge nicht kommen", sagte Freund. Bundestrainer Werner Schuster äußerte sich deutlicher: "Es war ein katastrophaler Wettkampf, ich hätte nicht gedacht, dass unsere Besten so schlecht springen können."

Der Abstand zu den Topspringern ist aus Sicht der Geschlagenen vom DSV gewaltig. Knapp 37 Punkte fehlen Severin Freund auf Platz eins, das ist zu viel, um insgeheim noch vom Titel zu träumen. Ganz oben stand Stefan Kraft aus Salzburg, er überraschte ein bisschen, als Top-Ten-Mann zählt er zwar zu den Mitfavoriten, aber nicht zu den ersten Kandidaten. Doch er wirkte in Oberstdorf, als hätte er den geringsten Druck und gewann vor seinem Team- und Zimmerkollegen Michael Hayböck und Peter Prevc aus Slowenien.

Four Hills Tournament - Oberstdorf Day 2

Skiflug-Weltmeister Severin Freund war nach Flügen auf 126 und 124,5 Meter die personifizierte Enttäuschung.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

"Ich hätte nicht gedacht, dass unsere Besten so schlecht springen können."

Dabei hatten Schuster und der Rest im DSV-Tross alles versucht, um die Mannschaft nach diversen Enttäuschungen in Oberstdorf diesmal richtig einzustellen und deren Konzentration zu schützen. Die Termine wurden verknappt, das Umfeld optimiert. Doch im Wettbewerb, als es plötzlich um die Umsetzung von Potenzial in Zählbares ging, fehlte die Energie und der Schwung. Das habe nicht an den Bedingungen gelegen, sagte Freund nach seinem ersten Sprung, "das war schon ich alleine". In Szene gesetzt hatte sich stattdessen das österreichische Team von Trainer Heinz Kuttin - als wären die Trennung vom Erfolgstrainer Alexander Pointner, die weiteren Veränderungen und der schwache Start in den Winter nie gewesen.

Freund und Freitag, die sich nach ihren Weltcupergebnissen zu Recht zu den Favoriten zählten, können nur noch versuchen, sich bei den restlichen Springen der Serie achtbar zu präsentieren. "Wir müssen das heute abhaken und an die Aufgaben in Garmisch denken", sagte Schuster. Sie waren nicht die Einzigen, die ihre Chancen auf den Tourneesieg einbüßten. Rekordsieger Gregor Schlierenzauer reihte sich auf Rang 17 ein. Und Simon Ammann, der viermalige Olympiasieger, wird die Serie wieder nicht gewinnen. Er stürzte beim Versuch, die Telemarklandung zu setzen.

Schon früh hatte sich angedeutet, dass Schusters Mannschaft bei der ersten Station der Tournee im Finale aus der Tiefe der Rangliste des ersten Durchgangs die Spitze angreifen musste. Bereits die Qualifikation war ja nicht nach den Wünschen von Schuster gelaufen. Vor allem Markus Eisenbichler war weit hinten gelandet, erwischte somit im K.o.-Duell den Norweger Johann Andre Forfang, keinen einfachen Gegner.

Nach einer Weite von nur 107 Metern verpasste er den zweiten Durchgang. "Das war heute einfach nicht mein Tag", sagte Eisenbichler. Nur Freitag hatte sich als Fünfter seiner Saisonform entsprechend platziert, patzte aber im ersten Durchgang genauso wie Severin Freund, der gegen Dimitri Wassiljew sogar für ein paar Sekunden ums Weiterkommen zittern musste.

"Wir werden jetzt nicht mit Heulen anfangen, sondern weiter kämpfen."

Die Abstände waren schließlich so groß, dass sich die Konkurrenz im Kampf um den Sieg im zweiten Durchgang gar nicht mehr mit Schusters Springern beschäftigte. Freitags und Freunds letzte Angriffe im Finaldurchgang verpufften, auch Marinus Kraus, der noch am besten platziert war, fiel am Ende ab. "Wir werden jetzt nicht mit Heulen anfangen, sondern weiter kämpfen", kündigte Freund an, und Freitag erklärte: "Die Köpfe können wir nicht in den Sand stecken und auch nicht in den Schnee - das ist zu kalt."

Über fünf Wochen hatte Schusters Team großes Selbstvertrauen angesammelt, auch die letzten Weltcupauftritte ließen die Fans hoffen, doch dann genügten zwei Durchgänge, und der Trainer muss vieles neu aufbauen. Mit dem Selbstvertrauen wird er wohl anfangen müssen.

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