Aufstockung der Fußball-WM:Was hinter Infantinos WM-Plänen steckt

Aufstockung der Fußball-WM: Das sind die Bilder, die ein Fifa-Oberhirte gerne von sich hat: Gianni Infantino, umgeben von Kindern in Kolumbien.

Das sind die Bilder, die ein Fifa-Oberhirte gerne von sich hat: Gianni Infantino, umgeben von Kindern in Kolumbien.

(Foto: Luis Acosta/AFP)

Fifa-Boss Gianni Infantino drängt auf eine umstrittene Erhöhung der WM-Teilnehmerzahl - und schlägt nun sogar ein Feld mit 48 Teams vor. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass es so kommt.

Von Johannes Aumüller

Immerhin die vielen fußballbegeisterten Zweit- und Drittklässler dieses Landes sowie deren Lehrkräfte dürften angetan sein vom Fußball-Weltverband. Da lernen sie gerade im Mathematikunterricht das kleine Einmaleins, und prompt dürfen sie feststellen, dass die Achterreihe nicht nur irgendein theoretischer Kram ist, sondern auch einen ganz praktischen Nutzen hat.

Sie müssen dafür lediglich die Diskussionen über die mögliche Teilnehmerzahl bei einer Fußball-Weltmeisterschaft und die Vergleiche mit früheren Turnieren verfolgen. 16, 24, 32, 40, und seit einem Vortrag von Fifa-Boss Gianni Infantino am Montagabend als vorläufiger Schlusspunkt: die 48.

Die Fußballwelt muss sich darauf einstellen, dass es nach den Weltmeisterschaften in Russland (2018) und Katar (2022) mit dem Turnier 2026 zu einer weiteren Aufstockung des Teilnehmerfeldes kommt. So will es der im Februar zum Fifa-Chef gekürte Infantino, so hat er es den vielen kleinen Nationen versprochen, die ihn im Wahlkampf gegen Scheich Salman aus Bahrain unterstützten.

Von 40 Startplätzen war im Programm des Schweizers die Rede. Mehr versprochene WM-Teilnehmer gleich mehr Stimmen bei Wahlen, das ist nicht Teil des kleinen mathematischen, sondern des kleinen sportpolitischen Einmaleins. Über die Jahrzehnte wurde es zur Genüge angewandt. Der Brasilianer João Havelange eroberte in den Siebzigern mit der Erhöhung von 16 auf 24 WM-Teams den Fifa-Thron von Stanley Rous, in den Neunzigern hielt er sich dank der Aufstockung von 24 auf 32 im Amt. Mit ähnlichem Argument gewann auch Michael Platini 2007 das Duell um die Präsidentschaft in Europas Fußball-Union Uefa.

Nur ist dieses Manöver selbst im Fußball-Kosmos endlich. Mehr WM-Teilnehmer gleich mehr Belastung und mehr Verwässerung des Turnierniveaus, das ist die Gegenrechnung, die vermehrt Vertreter des Fußball-Kernmarktes in Zentraleuropa präsentieren. Bundestrainer Joachim Löw sprach sich vehement gegen mehr als 32 WM-Teilnehmer aus, andere Nationaltrainer ebenso. Und auch Europas Vereine, die in der immer mächtiger werdenden und vom Münchner Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge präsidierten European Club Association (ECA) organisiert sind, stehen der Aufstockung kritisch gegenüber. Sie wollen das Kickerkapital gerne selbst nutzen.

An dieser Stelle des Disputs kommt nun die 48 ins Spiel. Am Montagabend trug Infantino an der Universität von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá seine grobe Idee vor. Die besten 16 Mannschaften aus der Qualifikation wären demnach für die WM-Gruppenphase gesetzt, die übrigen 32 würden in einer vorgelagerten Playoff-Runde kurz vor dem Turnier die anderen 16 Teilnehmer ausspielen. Einerseits klingt das noch ziemlich unausgegoren, logistisch schwierig und auch ein wenig absurd, wenn sich künftig fast ein Viertel aller 211 Fifa-Mitglieder als WM-Teilnehmer bezeichnen darf. Wichtige Protagonisten wie der Deutsche Fußball-Bund oder die ECA wollen sich daher auch nicht äußern, weil ihnen keine detaillierten Pläne vorlägen.

Viele Kleine müssten so oder so bald nach Hause

Andererseits sehen manche Funktionäre in dieser Zahl durchaus einen strategischen Ansatz, den Grundkonflikt aufzulösen. Denn damit könnte Infantino der Fußballwelt zu erklären versuchen, dass er die WM-Teilnehmerzahl gleichzeitig stabil hält und erhöht. Den besten 16 Nationen wie Deutschland oder Spanien könnte er sagen: Für euch ändert sich doch gar nichts gegenüber dem heutigen Stand.

Ihr wartet die Playoff-Runde ab, und dann spielt ihr die 32er-WM. Und den Nationen aus der Mittelklasse, denen er vor seiner Wahl verbesserte Qualifikationschancen für die globale Fußball-Messe versprach, könnte er sagen: Seht her, jetzt haben wir nicht nur acht, sondern sogar 16 WM-Teilnehmer mehr. Zwar müssten viele von denen bald wieder nach Hause fahren, aber das könnte der Durchschnittsfunktionär aus einem Mittelklasse-Land schon verschmerzen. Hauptsache seine Nationalmannschaft ist Fifa-amtlich beglaubigter WM-Teilnehmer und diese Playoff-Runde findet in zeitlicher Nähe zum Hauptturnier im WM-Land statt - und nicht als simpler Nachklapp zur normalen WM-Qualifikation ein paar Monate vorher.

Ob diese doppelte Umarmung die kritischen Profivereine zufriedenstellt, ist hingegen fraglich. Denn die müssen ihre Nationalspieler ja nicht nur für Deutschland oder Spanien abstellen, sondern in großer Zahl auch für jene Nationen, die künftig noch mehr Spiele zu bestreiten hätten. Außerdem dürften sich auch Fans und Sponsoren ärgern, wenn sie nicht wie bisher lange im voraus wissen, wann welches Gruppenspiel ansteht - sondern sich das erst kurz vor dem Turnierbeginn entscheidet.

Zwar trifft sich das neue Council des Weltverbandes, das gemäß der verbandsinternen Reform die Exekutive ablöst, nächste Woche in Zürich. Die Entscheidung über den neuen WM-Modus soll aber erst 2017 fallen. Es ist denkbar, dass Infantino tatsächlich die 48 anstrebt. Es ist auch denkbar, dass die Zahl nur als Verhandlungsmasse dient, um ein Starterfeld von 40 als Kompromiss verkaufen zu können. Und es ist ebenso denkbar, so ist aus der Fifa zu hören, dass dies noch nicht der letzte Vorschlag fürs künftige WM-Format gewesen sei. Fest steht nur: Es wird eine Aufstockung geben - und die Achterreihe setzt sich mit den Zahlen 56 und 64 fort.

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