Aufsteiger Hoffenheim:Dominospiele im Stillen

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Eben war Hoffenheims Manager Jan Schindelmeiser noch Mister X. Hinter den populären Köpfen des Aufsteigers gewinnt auch er an Profil.

Moritz Kielbassa

Glück gehört dazu, wenn Kleinigkeiten im Fußball große Dominoeffekte auslösen. Zweifellos war Jan Schindelmeiser, der Manager von 1899 Hoffenheim, mit dem Glück im Bunde, als ihm im August eine innere Stimme riet, den Stürmer Chinedu Obasi freiwillig für das Olympische Turnier in Peking abzustellen. Zu einem Zeitpunkt geschah das, als andere Manager der Bundesliga internationale Sportgerichtshöfe anriefen. Freigabe-Streitfälle wie Diego, Bremen, oder Rafinha, Schalke, zerschlugen Porzellan. Aufsteiger Hoffenheim ließ seinen begabtesten Angreifer Obasi unter Auflagen, aber im Einvernehmen Dienst fürs Vaterland leisten (Nigeria), und dieses Zugeständnis lohnte sich doppelt: Obasi kehrte motiviert mit Silbermedaille zurück, er schoss seither sechs Tore. Und seine Olympiavertretung, ein vormaliger Ersatzspieler namens Vedad Ibisevic, ist inzwischen mit 16 Treffern bester Bundeliga-Schütze - seit Gerd Müller.

Hilfe, die Hoffenheimer kommen! Hier die Stürmer Demba Ba (r.) und Vedad Ibisevic (M.) in Köln. (Foto: Foto: dpa)

Natürlich konnte Schindelmeiser, 44, die Dinge so nicht vorhersehen. Dennoch ist der Fall Obasi eine kleine Parabel für das, was sich die Hoffenheimer auch nach ihrem rasanten Aufstieg unter die Marktführer des deutschen Fußballs gerne ans Hemd heften: dass es in ihrer nordbadischen Oase noch menscheln soll, trotz Hopp-Millionen und aller Härten der Branche. Obasi und seiner Familie drohten in Nigeria Unannehmlichkeiten, hätte er bei Olympia gefehlt: "Bei verantwortungsbewusstem Umgang mit dem Thema konnten wir diesen Druck nicht ignorieren", sagte Schindelmeiser. Er sagt häufiger solche Sätze, zuweilen formuliert er wie ein Feuilletonist. Ein Plädoyer für Pädagogik bei Jungprofis klingt bei ihm so: "Wenn ein 19-Jähriger ohne adäquate Fahrpraxis mit einer 500-PS-Limousine liebäugelt, sagen wir: No! Die Bundesliga ist eine Scheinwelt, wir versuchen ein Bewusstsein für die Wirklichkeit zu schärfen." (Frankfurter Rundschau)

Im schönen Schein ist Hoffenheim Tabellenerster, vielleicht bald Herbstmeister - und Schindelmeiser, eben noch Mister X, ist wie der Verein über Nacht eine Größe geworden. Der kluge Unbekannte managt jetzt auf einer Stufe mit Hoeneß, Völler, Allofs. Und der Neuling hatte bisher ein Näschen für Treffer, denn die meisten Zugänge seit Schindelmeisers Dienstbeginn 2006 (Copado, Obasi, Eduardo, Ibisevic, Ba, Salihovic) waren Investments mit hoher Rendite. Viel Geld ist vorhanden, das erleichtert die Arbeit, und die Dienstwege sind so kurz wie nirgendwo sonst in der Liga. Personalfragen sind nur mit Trainer Ralf Rangnick abzustimmen. Mäzen Dietmar Hopp wird angehört, wenn mit seinen Alimenten teure Käufe geplant sind, aber es gibt keinen GmbH-Vorstand und keinen Aufsichtsrat, in dem Bedenkenträger Entscheidungen bremsen. Der Trainer ist Schindelmeiser im Organigramm hierarchisch übergeordnet, denn es war Rangnicks Bedingung, als Teamchef nach englischem Vorbild auch bei Transfers das letzte Wort zu haben. Doch er und Schindelmeiser sind Brüder im Geiste. Rangnick brachte den Manager mit, als er damals in der Regionalliga loslegte.

Uneitel, reflektierend, konsequent, eloquent

Hinter den bekannten Köpfen des Vereins - Rangnick, Hopp und Jugendkoordinator Bernhard Peters - ist Schindelmeiser der stille Adminstrator, der "den Blick für das Ganze" behalten will. Kollegen charakterisieren ihn als uneitel, reflektierend, konsequent, eloquent. Und Schindelmeiser, geboren in Flensburg, ist nicht fachfremd. Er spielte in der Oberliga Fußball, für Göttingen 05 und Kassel II, später erwarb er die Trainerlizenz. Er studierte Sportwissenschaft, Publizistik Politik, BWL. Manager war er in Braunschweig und bei TeBe Berlin (bis 2000), wo ihm die Investoren der Göttinger Gruppe ins Tagesgeschäft reinredeten. In Berlin traf er auch Mirko Slomka, Rangnicks späteren Assistenten, so kam der Kontakt. Ehe man in Hoffenheim zusammenfand, traf Schindelmeiser das Schicksal hart: Seine Frau starb 2005, als er gerade in Augsburg eine neue Managerstelle angetreten hatte.

Er habe "lange gebraucht", wieder zu sich zu finden. Schindelmeiser suchte Abstand - in Südamerika, als Managementberater, unter anderem für Investorenpools, die Transferrechte an Spielern halten. Kontakte von damals nutzt er heute, er lernte auch jenen Talentspäher kennen, der nun als Festangestellter für Hoffenheim in Brasilien sichtet. Das dichte Scoutingnetz des Klubs läuft bei Rasterfahnder Schindelmeiser zusammen: "Wir wissen, wonach wir suchen", sagt er - nach gierigen jungen Spielern (statt saturierten alten), die sich noch biegen und erziehen lassen: zu Tempofußball, flachen Teamhierarchien und einer britische Berufsauffassung: hart, aber fair.

Die Liga munkelt, Schindelmeiser werde im Winter shoppen gehen, um die Defensive zu verstärken (neuer Torwart?). Doch den plötzlich schon so nahen Fernzielen hält der Manager trotzige Understatements entgegen: "Champions League ist in Hoffenheim im Moment unrealistisch", sagt er. Seine Bürowand ziert eine Bauskizze, die für die Zukunft anderes verheißt: Sie zeigt das neue Stadion, mit 40 Vip-Logen und Piano-Bar.

© SZ vom 28.11.2008/agfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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