Aufsteiger Darmstadt und Ingolstadt:Hallo Bundesliga!

SV Darmstadt 98 v Hannover 96 - Bundesliga

Angekommen in der Bundesliga: Aytac Sulu aus Darmstadt

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Bloß nicht schwächer abschneiden als einst Tasmania Berlin, wird Aufsteigern eingebläut. Darmstadt und Ingolstadt bereichern die Bundesliga bereits am ersten Spieltag.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

In jener Saison, in der sich die Bundesliga sehr intensiv mit Tasmania Berlin beschäftigte, war längst noch keiner der aktuellen Erstligaspieler geboren. Meist waren es nicht einmal deren Eltern. Und dennoch steigt alljährlich zum Saisonstart die Tasmania aus der Fußball-Klamottenkiste.

Als Maßstab, als Vergleichsgröße, als akute Warnung gewissermaßen: Schwächer solltet ihr niemals sein, wird den Aufsteigern eingebläut! Und dann werden umgehend die Zahlen des Schreckens aus der Saison 1965/66 aufgelistet: Nur zwei Siege, nur vier Remis und 15 zu 108 Tore. Schlechter als Tasmania vor 50 Jahren kickte niemand in der Historie dieser Liga. Schlechter will niemand je wieder abschneiden.

Und deshalb ist es nur ratsam für jeden Aufsteiger, wenn er sich sputet. Wenn er die Euphorie des Anfangs nutzt, um nur ja nicht vom Tasmania-Teufel und den mit ihm verbundenen Sinnkrisen erfasst zu werden. Auch in dieser Hinsicht ist besonders dem FC Ingolstadt (1:0 in Mainz), aber auch Darmstadt 98 (2:2 gegen Hannover) ein Blitzstart gelungen.

In jüngerer Vergangenheit war ja in der Liga häufiger das Phänomen zu beobachten, dass Aufsteiger loslegen, als sei der Tasmania-Teufel oder sonstwer hinter ihnen her. Dass sie früh und fleißig ein paar Punkte einsammelten, ehe später Schritt für Schritt die Luft ausging. Exemplarisch vorgemacht vorige Saison vom SC Paderborn, der sich anfangs als "krassester Außenseiter der Bundesliga-Geschichte" (Trainer Breitenreiter) vorstellte. Der zur Saisonhälfte - mit da bereits vier Siegen und sieben Remis - schon weit jenseits der Tasmania-Marke lag, ehe der Absturz und der Abstieg folgten.

Ähnliches könnte sich in dieser Spielzeit natürlich wiederholen. Der erste Spieltag hat jedoch zunächst einmal die leise Befürchtung der Liga-Dramaturgen vertrieben, dass beide Aufsteiger der Herausforderung schon vom Start weg nicht gewachsen sein könnten. Gut, sie werden selbst am baufälligen Böllenfalltor, auf das sie in Darmstadt so stolz sind, die Favoriten kaum erschrecken können, wenn sie ihre Duschen ständig auf eiskalt drehen sollten.

Denn diese Favoriten bilden offenbar einen geschlossenen Kreis, sie haben sich am ersten Spieltag eindrucksvoll präsentiert, Titelverteidiger Bayern mit einem 5:0, die Dortmunder des neuen Trainers Tuchel mit einem 4:0 und das Schalke des neuen Trainers Breitenreiter mit einem 3:0.

Gut für die Liga-Folklore

Übrigens: Dieser André Breitenreiter war im Vorjahr Trainer in Paderborn - sein Wirken beeindruckte die Schalker derart, dass sie ihn nicht mit-absteigen ließen. Man kann also durchaus die Zeit nutzen und in der Liga einen guten Eindruck und ein längeres Bleiberecht erwerben.

Es ist deshalb gut für die Liga-Folklore, dass es - anders als im US-Sport oder im deutschen Eishockey - diese gepflegte Tradition von Auf- und Abstieg gibt. Dass sich Mannschaften vorstellen wie die Darmstädter, die ihre Underdog-Rolle bis tief ins Klischee auszuleben versuchen. Die mit einem Kader der anderswo Gescheiterten zu überleben versuchen, und die schon jetzt einen Helden für einen Tag im Drehbuch haben: Marcel Heller, den sprintenden Doppel-Torschützen, der einst bei Eintracht Frankfurt scheiterte. Und von dem die Lilien nun behaupten können, er sei der pfeilschnellste Spieler in der Liga. Ein Spielverderber, wer diese Vermutung mit der Stoppuhr widerlegen wollte.

Ähnlich verhält es sich mit Lukas Hinterseer, 24, aus Kitzbühel. Nördlich der Donau wird nicht allen bekannt sein, dass es sich um den Neffen des berühmten Volksmusikanten Hansi Hinterseer handelt. Lukas erzielte nicht nur das Siegtor in Mainz, er erzielte auch das erste Bundesliga-Tor überhaupt für den Fußballclub Ingolstadt. Denn den FCI gibt es erst seit 2004.

Hansi Hinterseer ist heute 61 und erstaunlicherweise noch immer jugendlich und semmelblond. Der junge Hansi sammelte seine ersten alpinen Slalom-Plaketten ungefähr zu jener Zeit, in der sich die Tasmania in der Fußball-Bundesliga die Bude vollhauen ließ. Hansi hat derzeit zum Beispiel das Lied "Heut' ist Dein Tag!" im Programm. Übertragen auf den ersten Spieltag der Saison und die wackeren Aufsteiger aus Ingolstadt und Darmstadt könnte das bedeuten: Heut' ist nicht Tasmania!

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