Aufgehobene Doping-Sperren:IOC-Präsident Bach hat sich das Chaos herbeigetrickst

North and South Korean Olympic Participation Meeting

IOC-Präsident Thomas Bach

(Foto: Robert Hradil)

Der Sportgerichtshof Cas hebt Doping-Sperren gegen 28 russische Athleten auf. Das Urteil entlarvt: Das Internationale Olympische Komitee wollte nur Härte simulieren.

Kommentar von Claudio Catuogno

Das kommt davon, wenn man immer monatelang, jahrelang auf Zeit spielt, wie der IOC-Präsident Thomas Bach das so meisterhaft beherrscht: mit Verzögerungs-Kommissionen hier und Aufschiebe-Kommissionen da. Dann fliegt einem immer kurz vor den Olympischen Spielen der Laden in die Luft.

So war es im Sommer 2016 in Rio de Janeiro, als noch Stunden vor dem ersten Wettkampf unklar war, welche russischen Sportler denn nun an den Start gehen dürfen und welche nicht, weil bis zuletzt irgendwelche Ad-hoc-Panels so tun mussten, als würden sie die Sache erst noch tiefenscharf prüfen. Obwohl andere Panels die Sache davor auch schon begutachtet hatten. Und so ist es auch jetzt wieder, wenige Tage vor Beginn der Winterspiele in Pyeongchang.

Klar ist: Es gab in Russland rund um die letzten Winterspiele 2014 in Sotschi (und auch schon lange davor) ein gigantisches Dopingbetrugsprogramm. Das ergibt sich aus Dokumenten, aus Datenbanken, aus Zeugenaussagen. Nur die Russen leugnen ihr Staatsdoping bis heute - weil nun mal nicht sein kann, was nicht sein darf. Völlig unklar ist hingegen, welche russischen Sportler trotz dieses Dopingbetrugs nun in Südkorea an den Start gehen dürfen und welche nicht.

Am Donnerstagmorgen hob der oberste Sportgerichtshof, der Cas, im Fall von 28 russischen Athleten den lebenslangen Olympia-Bann wieder auf, den Bachs IOC gegen sie verhängt hatte. Sogar ihre aberkannten Sotschi-Medaillen sollen sie zurückkriegen. Es wäre die nächste gigantische Umverteilung im Medaillenspiegel. Die olympischen Siegerlisten: Sie sind längst nichts mehr wert.

Das System hätte als solches sanktioniert werden müssen

Dass diese 28 Athleten nun wirklich mitmachen dürfen in Südkorea, ist weiterhin unwahrscheinlich. Sie sind jetzt zwar nicht mehr gesperrt, schon gar nicht lebenslang, aber das IOC hat sie nicht eingeladen zu seiner Pyeongchang-Party. Sie müssten jetzt wohl das nächste Schnellverfahren vor dem Cas anstrengen. Sich die Ski oder die Schlittschuhe anschnallen - und dann quasi an der Startlinie erfahren, ob man gesperrt ist oder nicht. Absurder geht es kaum.

Die Ursache für dieses Chaos sind Thomas Bachs Tricksereien.

Denn das Kernproblem ist ja dies: Die umfassende Beweislage legte ein System offen, eine riesige Verschwörung. Symbolisch dafür steht das Loch in der Wand des Anti-Doping-Labors von Sotschi, durch welches ein Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes schmutzige gegen saubere Urinproben austauschte. Mit dabei: die angeblichen Doping-Bekämpfer aus dem Labor, Funktionäre, das Sportministerium. Selbst der IOC-Präsident Bach nannte dieses System "einen nie dagewesenen Angriff auf die Integrität der Olympischen Spiele".

Das System sollte geschont werden - eine riesige Verschwörung

Nur der einzig logischen Konsequenz verweigert sich Bach bis heute: Das System hätte als solches sanktioniert werden müssen! Die Olympische Charta hätte das hergegeben: Olympia ohne Russland, und zwar so lange, bis der Betrug eingestanden wird und geeignete Maßnahmen ergriffen werden, damit er sich nicht wiederholt. Wladimir Putins Zorn wäre dann aber erheblich gewesen. Für Thomas Bach war diese Kollektivsperre von Anfang an keine Option. Also gründete er erst mal Kommissionen.

Weil also das System geschont werden musste, hat das IOC versucht, die Vergehen auf die individuellen Ebene zu verlagern. Nicht das Doping-Umfeld ist böse und wird sanktioniert - sondern der Athlet, der sich dieser Verlockungen bedient! Die individuelle Verstrickung aber, davor warnten Experten von Anfang an, die ist nun mal kaum hundert- oder gar tausendfach zu beweisen. Ziel des ganzen Programms war es ja gerade, dass am Ende kein einziger positiver Dopingtest steht. Und dass auf einer ohnehin dünnen individuellen Beweislage erst recht keine lebenslangen Sperren ausgesprochen werden können: Das hätte das IOC auch aus der bisherigen Rechtsprechung des Cas herauslesen können.

Die Botschaft ist fatal

Nun entlarvt der Freispruch der 28 Russen das gesamte IOC-Verfahren in der Russland-Causa endgültig als das, was es ist: simulierte Härte.

Das nationale Olympia-Komitee ist zwar gesperrt, aber fast 200 russische Wintersportler sind als "Olympische Athleten aus Russland" dabei. Und nun ist da noch die Gruppe von Athleten, gegen die es Indizien gibt, Kratzspuren an ihren Dopingproben, Aussagen von Kronzeugen - da kann das IOC nun sagen: Wir wollten sie ja sperren! Aber der Cas hat uns nicht gelassen!

Die Botschaft ist so oder so fatal: Doping ist für das IOC eher nicht das Problem, selbst dann nicht, wenn es staatlich organisiert ist. Bloß positive Dopingtests, die darf es halt nicht geben. Und die gab es ja auch nicht.

Die Vertrauenskrise des IOC war noch nie so groß wie unter dem deutschen Taktierer Thomas Bach an der Spitze.

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