Tennisprofi MensikEine Niederlage, die sogar Djokovic gefällt

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Respektsbekundung: Verlierer Novak Djokovic (links) gratuliert Miami-Sieger Jakub Mensik.
Respektsbekundung: Verlierer Novak Djokovic (links) gratuliert Miami-Sieger Jakub Mensik. (Foto: Rebecca Blackwell/AP)

Der 19 Jahre alte Tscheche Jakub Mensik steht für die neue  furchtlose Generation im Männertennis – und verhindert auf eindrucksvolle Weise den 100. Turniersieg von Novak Djokovic.

Von Gerald Kleffmann

Der Rahmen für den möglichen 100. Turniersieg von Novak Djokovic hätte wunderbar gepasst, jedenfalls hatte der 37 Jahre alte Serbe einen wahrlich prominenten Unterstützer an seiner Seite. Lionel Messi war zum Halbfinale des 24-maligen Grand-Slam-Siegers erschienen und hatte seine ganze Familie mitgebracht; der argentinische Fußballweltmeister nutzte eine kurze Verletzungspause für diesen Ausflug in die Welt des Tennissports. Als angestellter Profi beim MLS-Klub Inter Miami hatte es Messi auch nicht weit, um im Hard Rock Stadium im Norden der Stadt vorbeizuschauen, wo die ATP-Veranstaltung der Masters-Kategorie seit 2019 beheimatet ist.

Dort hatte sich in den vergangenen Tagen zwischen den beiden globalen Sportgrößen eine regelrechte Bromance entwickelt, wie es im Englischen heißt, eine enge Freundschaft unter Kumpeln. Djokovic schwärmte, nachdem er mit einem klaren Sieg gegen den Bulgaren Grigor Dimitrov ins Endspiel eingezogen war, öffentlich von Messi. Einzig die kritische Bewertung von einem von Messis Söhnen zu Djokovics Leistung bemängelte er im Scherz – der wollte dem Serben nach dem 6:2, 6:3 nur acht von zehn Punkten zugestehen. Was sich die Jugend heutzutage erlaubt ...

Messi wiederum kam ein paar Tage danach zu einem Kurzeinsatz für Inter Miami und traf auch als Joker gleich wieder. Auf dem Rasen schwang er daraufhin mit dem rechten Arm eine Tennisvorhand, ein Gruß nach oben zum Zuschauer Djokovic. Um diese ganze Geschichte geschmeidig abzurunden, hätte nur noch der Jubiläumssieg von Djokovic gefehlt.

Aber da spielte ein junger Mann namens Jakub Mensik nicht mit.

Aufschlaggewaltig: Jakub Mensik nutzt seine Körpergröße von 1,93 Metern gut aus.
Aufschlaggewaltig: Jakub Mensik nutzt seine Körpergröße von 1,93 Metern gut aus. (Foto: Geoff Burke/Imagn via Reuters)

Zur Verteidigung des 19 Jahre alten Tschechen, der Djokovics Happy End in den USA durch einen 7:6 (4), 7:6 (4)-Erfolg verhinderte, ließ sich indes anführen, dass sein erster Titeltriumph auf der Tour durchaus auch zu dieser Geschichte passt. Djokovic ist stets Mensiks großes Idol gewesen, und als dieser seinen Matchball verwandelt und am Netz die Hände wie ein Priester zusammengefaltet hatte, um seinem Vorbild zu huldigen, hatte dies etwas Berührendes an sich. „Wegen dir fing ich an, Tennis zu spielen“, sagte Mensik, der 2005 geboren wurde, als Djokovic bereits in den Top 100 der Weltrangliste stand. Weiter dankte er ihm „für alles, was du für unseren Sport getan hast“; er klang richtig ergriffen und bescheiden, was man von seiner Art Tennis zu spielen nicht ganz behaupten kann.

Furchtlosigkeit, Schlaghärte und eine außergewöhnliche Präsenz auf dem Platz, das sind die hervorstechendsten Eigenschaften des nächsten großen Talents der Tennisszene. Mensik passt auch zum Trend, denn da rücken seit geraumer Zeit keine forschen Großmäuler in die Weltspitze auf, sondern junge Männer, die sich respektvoll zu benehmen wissen, allerdings spielerisch bereits zielstrebig, abgeklärt und fokussiert agieren wie Altprofis. Der Brasilianer João Fonseca, 18, und der Amerikaner Learner Tien, 19, sind ähnliche Vertreter dieser neuen Generation. Würde die ATP-Tour ihr einstiges Marketing fortsetzen, müsste sie die Neuen als Next-next-next-next-Gen bewerben. Die Talente rauschen auf der Überholspur heran.

Prominenter Tenniszuschauer: Fußballweltmeister Lionel Messi (links Gattin Antonela) sieht sich das Halbfinale von Novak Djokovic in Miami an.
Prominenter Tenniszuschauer: Fußballweltmeister Lionel Messi (links Gattin Antonela) sieht sich das Halbfinale von Novak Djokovic in Miami an. (Foto: Matthew Stockman/Getty/AFP)

„Ich habe schon damals – vor drei, vier Jahren – gesehen, dass er einer der besten Spieler der Welt werden würde“, sagte Djokovic, der seine Niederlage souverän wie ein Alterspräsident hinnahm. „Ich bin super froh, dass er sein Potenzial nutzt, denn er hat das komplette Spiel. Sein Aufschlag ist unglaublich, kraftvoll, präzise, und er gewinnt mit dem ersten Aufschlag viele freie Punkte.“ Dieses Wissen ist es, das es Djokovic sicherlich leichter macht, das Verpassen seines 100. Titels zu verschmerzen. Denn dass er diesen Triumph in seiner beispiellosen Karriere, die regalvoll bestückt ist mit Siegen, Rekorden und Bestmarken, schon noch gerne verbuchen will, hatte er in Miami ausdrücklich versichert. „Seit meinem 99. Sieg bei den Olympischen Spielen in Paris spiele ich mit der Aussicht, den 100. Titel zu gewinnen“, sagte Djokovic. Dass er sein gestecktes Ziel bislang noch nicht erreicht hat, ist freilich auch Ausdruck dessen, dass er sich in der Endphase seiner Karriere befindet. Auch vermeintliche Supermänner werden älter.

Der Kreis jener Gegner, die Djokovic besiegen können, ist zweifellos angewachsen, in dieser Saison unterlag er etwa dem Amerikaner Reilly Opelka und dem Niederländer Botic van de Zandschulp, die zu ihren Premierensiegen über Djokovic kamen. Gleichzeitig, das fällt auf, genießt der erfolgsgewohnte Djokovic trotzdem seine nun deutlich titelärmere Zeit seiner Karriere.

So gelassen wie er etwa am Sonntag den Ausgang des Finals (das aufgrund Starkregens mit fast sechs Stunden Verspätung begann) nahm, hätte er früher vielleicht nicht immer reagiert. „Ich bin nie wirklich glücklich über eine Niederlage, aber er ist einer der wenigen Spieler, gegen die ich ehrlich gesagt gerne verlieren würde“, sagte Djokovic, der Augenprobleme während des Finals hatte und sich Tropfen verabreichte, über den 1,93 Meter großen Mensik. „Ich habe ihn mit 15 oder 16 spielen sehen und ihn eingeladen. Wir haben zusammen trainiert. Er trainierte bei meinem Verein in Belgrad, und seine Entwicklung zu sehen, ist wirklich großartig und unglaublich.“

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