Tennisspieler haben lange Arbeitstage, es ist kein Job für Freunde von Homeoffice und Wochenstundenreduktion. Als Alexander Zverev, 27, am Samstagabend zu seiner Pressekonferenz in der Arena am Spreeufer erschien, war es halb elf Uhr, auf dem Platz nebenan lief noch ein Doppelmatch. Er sah blass aus, abgekämpft, und es ging ihm nicht gut, was nicht nur an der Zweisatzniederlage (4:6, 5:7) gegen den US-Amerikaner Taylor Fritz lag. „Ich war ein bisschen krank diese Woche“, sagte er, er habe Fieber gehabt, „und ich glaube, mein Herzschlag war generell ein bisschen hoch.“
Er hat trotzdem drei Tage lang Bälle mit Karacho übers Netz gedroschen bei diesem Einladungsturnier von Roger Federers Management, bei dem sich eine Europa- gegen eine Weltauswahl letztlich mit 13:11 Punkten durchsetzte. Am Freitag spielte er im Doppel an der Seite von Carlos Alcaraz, dann am Samstag gegen Fritz und am Sonntag noch einmal gegen Francis Tiafoe in einem Match, das Zverev gewann (6:7, 7:5, 10:5), obwohl er sich „genauso gefühlt“ hatte wie am Vortag.
Die Mannschaft war nach seiner eigenen Auskunft über seinen Zustand informiert. Womöglich sah sich Zverev, Nummer zwei der Rangliste, ein wenig in der Verantwortung in Berlin vor ausverkauftem Haus, denn er hatte das Turnier vorab als Chance bezeichnet, dem Tennissport hierzulande eine neue, jüngere Klientel zu erschließen.
Diagnose? Saisonpläne? Zverev und seine Entourage schweigen
Ob er gut beraten war, ist eine andere Frage. Man sah ihn in der Halle husten; während des Matches ging er einmal erschöpft in die Knie, was auch der Prominenz im Publikum um Dirk Nowitzki und Anna Wintour nicht entging.
Nicht zum ersten Mal in dieser Saison fühlte sich Zverev gesundheitlich nicht auf der Höhe; schon nach Olympia kündigte er, gezeichnet von den Strapazen der Saison, Bluttests an. Auf konkrete Fragen wollte er sich nicht äußern, auch nicht nach seinen weiteren Auftritten bei den Herbstturnieren der Männer-Tour ATP, die nun durch Asien tourt, zunächst mit den Stationen Peking und Schanghai: „Mir wurde ein bisschen ein Maulkorb gegeben von meinem Management, von meinem Bruder und Sergej, deshalb die Fragen an die beiden bitte. Ich darf nichts sagen anscheinend“, erklärte er. Bruder Mischa und Sergej Bubka junior, die am Saalausgang warteten, hüllten sich auf Nachfrage jedoch in Schweigen: „Es geht um die Gesundheit eines Menschen, da werden wir nichts sagen“, erklärte Mischa Zverev.
Sehr deutlich wurde Alexander Zverev allerdings in seiner Kritik am engen Turnierplan der ATP und einer unverhältnismäßig langen Tennissaison von Anfang Dezember bis Ende November, die an den Kräften zehrt. „Es gibt keine Pause, keine Zeit zur Erholung, und, was ebenfalls wichtig ist, keine Zeit zum Muskelaufbau.“ Zverev sitzt seit Jahresanfang im elfköpfigen Player Council, dem Spielerbeirat der ATP, aber offenbar finden die Bedenken dort kein Gehör. „Die ATP interessiert sich nicht für unsere Meinung. Es ist ein Geldgeschäft.“ Mit den Klagen steht er nicht allein. Auch Carlos Alcaraz, der in diesem Jahr die French Open und Wimbledon gewann, stöhnte in Berlin über die Überbelastung, die Vielzahl an Pflichtturnieren, die ihm mitunter die Motivation raubt: „Das Programm wird uns umbringen“, unkte er.