Atalanta Bergamo:Der einzige Außenseiter im Achtelfinale

Atalanta Bergamo: Steht im Champions-League-Achtelfinale: Robin Gosens (links) mit den Teamkollegen von Atalanta Bergamo

Steht im Champions-League-Achtelfinale: Robin Gosens (links) mit den Teamkollegen von Atalanta Bergamo

(Foto: AFP)
  • Atalanta Bergamo erreicht bei der ersten Champions-League-Teilnahme das Achtelfinale.
  • Beim 3:0-Erfolg gegen Donezk schießt auch der Deutsche Robin Gosens ein Tor.
  • Die Fans feiern das Team bis spät in der Nacht, die italienischen Zeitungen sind überwältigt.

Von Lisa Sonnabend

Es war fast 3 Uhr nachts, als Alejandro Gomez die Luke des Reisebusses öffnete und aufs Dach kletterte. Der argentinische Stürmer reckte die Arme in die Luft, er dirigierte 1500 Fans. Sie schwenkten Fahnen, sangen und riefen ihm zu: "Wir sind so stolz auf euch!" Am Flughafen von Bergamo spielten sich Szenen ab, wie wenn ein Klub mit der Champions-League-Trophäe heimkehrt. Soweit ist es freilich noch nicht, doch Atalanta Bergamo aus dem idyllischen Städtchen nahe Mailand, wo das Stracciatella-Eis erfunden wurde, war am Mittwochabend Historisches gelungen.

Der Verein nimmt in dieser Saison erstmals an der Champions League teil und hat nach dem 3:0-Erfolg in Donezk sogleich das Achtelfinale erreicht - und das obwohl die ersten drei Gruppenspiele alle verloren gegangen waren. Erst einer Mannschaft zuvor war es seit der Einführung der Champions League nach einem derart schlechten Start noch gelungen, die Vorrunde zu überstehen. Atalanta Bergamo ist nun unter den 16 Klubs im Achtelfinale der einzig verbliebene Außenseiter. "Wo die Millionen nicht genügen, siegen die Ideen", dichtete die italienische Zeitung Corriere dello Sport am Tag danach dementsprechend euphorisch. "Atalanta ist Ausdruck eines Fußballs, der Freude macht." Da kann man den Flughafen schon einmal nach der Vorrunde in eine Fankurve verwandeln.

Wenig Budget, aber eine kluge Talentförderung

Mit dem Sieg gegen Schachtjor Donezk hüpfte Bergamo am letzten Spieltag in Gruppe C noch von Platz vier auf Platz zwei, weil Manchester City, obwohl schon Gruppensieger, gegen Dinamo Zagreb gewann. "Wir sind glücklich, dies für unsere Stadt, unsere Fans und den gesamten italienischen Fußball geschafft zu haben", sagte Trainer Gian Piero Gasperini nach Spielende: "Wir haben gezeigt, dass unser Spielstil auch in Europa erfolgreich sein kann." Atalanta, das auch La Dea, die Göttin, gerufen wird, legte in der Ukraine mal wieder einen forschen Auftritt hin. Es trafen der Belgier Timothy Castagne, der Kroate Mario Pasalic und der Deutsche Robin Gosens, der symbolisch für das System Atalanta steht, das sich mit wenig Budget, aber einer klugen Talentförderung hervorgetan hat.

Der 25-jährige Gosens aus Emmerich spielte für die niederländischen Klubs Vitesse Arnheim, Dordrecht und Heracles Almelo. Es war nicht die große Bühne, doch Gosens fiel den aufmerksamen Atalanta-Scouts auf. 2017 wechselte der linken Außenverteidiger nach Bergamo zu einem Verein, der sich meist im Mittelfeld der Tabelle der Serie A versteckte, ab und zu ab- und dann meist gleich wieder aufstieg und inzwischen unter Trainer Gasperini ganz oben mitspielt. Die vergangene Saison beendete Atalanta als Dritter, es war die erfolgreichste Saison in der Geschichte des 1907 gegründeten Klubs.

Ein Märchen mit einem düsteren Kapitel

Nun geht es auf ähnliche Art weiter. In der Liga liegt das Team auf dem sechsten Rang, es hat nur einen Punkt weniger als das viertplatzierte Team Cagliari Calcio. Atalanta agiert offensiv, presst früh und wird immer selbstbewusster. Der 1,65 Meter große Kapitän Gomez, der auf das Dach des Busses stieg, hat in der Liga und Champions League bereits fünf Treffer erzielt und sechs vorbereitet - und somit genauso viele Scorerpunkte erzielt wie sein berühmter Sturmkollege Cristiano Ronaldo von Juventus Turin. Nach dem Achtelfinaleinzug meinte der 32-Jährige: "Ich bin sprachlos. Das wird in die Geschichte des Fußballs eingehen."

Der Erfolg Bergamos verläuft wie in einem Märchen, das allerdings auch ein düsteres Kapitel hat. 2011 gestand Atalanta-Spieler Cristiano Doni zwei Partien der Serie B manipuliert zu haben, um seinem Team zum Wiederaufstieg zu verhelfen. Er beteuerte, dass der Klub davon nichts gewusst habe. Der Spieler wurde bestraft, dem mittlerweile wieder erstklassigen Klub jedoch nur sechs Punkte abgezogen.

Daran erinnert nun natürlich kaum jemand. Die italienischen Medien schreiben von der "Nacht der Wunder", sie sehen "Die Göttin im Olymp", und die Gazetta dello Sport freut sich wie ein Kind: "Atalantas Qualifikation ist ein Weihnachtsgeschenk für unseren Sport."

Am Montag wird Bergamo der Achtelfinalgegner zugelost, im Lostopf sind unter anderem der FC Barcelona, der FC Liverpool, der FC Bayern oder Paris Saint-Germain. Das K.o.-Duell im Frühjahr wird allerdings nicht im heimischen Stadion ausgetragen, das gerade einmal 21 000 Zuschauer fasst und von den Hügeln der Po-Ebene umrahmt ist. Denn das wird gerade ausgebaut, der Erfolg hat den Verein überrannt. Die Champions-League-Heimspiele finden deswegen im San-Siro-Stadion im 50 Kilometer entfernten Mailand statt.

Ob Gosens aus Emmerich dann dabei ist? Der Verteidiger würde gerne zu Schalke wechseln, der Bundesligist soll interessiert sein. Bislang hat sich Bergamo aber gegen den Deal gewehrt. Sie haben schließlich noch einiges vor.

Zur SZ-Startseite
Gian Piero Gasparini

Champions League
:Atalanta erreicht überraschend das Achtelfinale

Die Debütanten aus Bergamo schlagen mit dem deutschen Verteidiger Robin Gosens Schachtjor Donezk und stehen in der K.o.-Phase der Königsklasse.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: