Fast ein wenig versteckt haben die Verantwortlichen jene neuen Nachrichten verkündet, die schon ein bisschen historisch sind für die Volleyballer des ASV Dachau: In einem Nebenraum der ASV-Gaststätte Lara's. Dort hob Abteilungsleiter Denis Werner am Sonntag dann aber mit einigem Stolz an: "Ich kann die Bombe jetzt platzen lassen: Wir wollen nächstes Jahr wieder erste Liga spielen."
Dachau? Erste Liga? Da war doch was. 1995 und 1996 wurde der Klub deutscher Meister, 1996 erreichte er zudem das Champions-League-Finale, 1997 gewann er den DVV-Pokal. Alles unter den strengen Traineraugen des während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München geflüchteten Rumänen Stelian Moculescu. Und mit den feinen Zuspielerhänden seines Landsmanns Mihai Paduretu, der später ein bisschen weiter südlich zum Regenten der nicht minder erfolgreichen Volleyballer von Generali Haching wurde.
Den Dachauer Jubeljahren folgten dann aber finanzielle Schwierigkeiten, die Insolvenz, 2002 der Zwangsabstieg in die Regionalliga. Der Klub war im Wetteifern um den nächsten Titel über seine eigenen Grenzen gegangen. Lange spielte er danach in der zweiten Liga, mit einem kurzen Intermezzo im Oberhaus, das 2005 nach nur einer Saison im Abstieg endete. 2016 stieg Dachau dann gar in die dritte Liga Ost ab. Genau dort reifte die Idee, neu anzufangen, mit einem nicht ganz bescheidenen Claim, den sie vor Jahren mal bei einer Präsentation per Beamer an die Wand gestrahlt haben: "Next Generation - die Rückkehr einer Legende".
"Der letzte Abstieg aus der zweiten Liga hat uns zu der Entscheidung gebracht, unsere damalige U18 zur ersten Herrenmannschaft umzumodeln und diese aufzubauen", sagt Volleyball-Abteilungsleiter Denis Werner nun. "Das war damals keine einfache Entscheidung. Ich bin froh, dass wir jetzt die Früchte ernten können." 2022 stieg die Mannschaft mit ihrem neuen Trainer Patrick Steuerwald - feine Zuspielerhände, drei Mal Pokalsieger mit Haching, 125-maliger Nationalspieler - in die zweite Liga auf. Nun baggern und pritschen sich die ASV-Junioren also direkt in die erste Liga durch. Vergleiche mit den goldenen Zeiten scheut Steuerwald aber: "Wir wollen eine neue, eigene Geschichte schreiben, mit allem, was dazugehört. Die Jungs waren damals ja noch nicht mal geboren."

Mit etwas Glück können die Dachauer am kommenden Samstag beim Saisonabschluss in Rottenburg noch Zweiter werden, vor der momentan punktgleichen FT 1844 Freiburg und hinter dem schon fixen Meister Baden Volleys SSC Karlsruhe. Auch die beiden Klubs aus dem Südwesten der Republik wollen wie Dachau aufsteigen. "Es war das erklärte Ziel, mehr Mannschaften in der ersten Liga zu haben", sagt VBL-Sprecherin Josephine Dörfler am Sonntag in Dachau: "Es ist ja bekannt, dass es seit Jahren keinen funktionierenden Regelauf- und -abstieg mehr gibt in der Volleyball-Bundesliga." Seit geraumer Zeit traut sich kaum noch ein Zweitligist ins Oberhaus, bei Männern wie Frauen, aus strukturellen wie finanziellen Gründen, der Abstieg ist ausgesetzt. Der Erstligist KW-Bestensee kämpft zugleich mit großen finanziellen Problemen - er wäre der nächste Klub in einer ganzen Reihe, der aus dem Oberhaus verschwindet. Die Liga hat daher bei den Männern beschlossen, die Lizenzierung für die Zweitligisten zu erleichtern. Außerdem erhalten sie eine zweijährige Nichtabstiegsgarantie. Nur deshalb haben Dachau, Karlsruhe, Freiburg und der vierte Kandidat VC Bitterfeld-Wolfen nun überhaupt eine Chance.
So spielt Dachau immer noch in der inzwischen maroden Georg-Scherer-Halle, wo die Pokale der goldenen Neunziger in einem düsteren Nebengang hinter Glas verstauben. Aber der Klub hat sich den verpflichtenden fremdlinienfreien Boden vom TV Rottenburg gekauft, jenem langjährigen Bundesliga-Mitglied, das sich 2020 am Anfang der Corona-Pandemie aus finanziellen Gründen zurückgezogen hatte. Vor zehn Tagen haben die Dachauer den Boden abgeholt, am vergangenen Wochenende sprangen sie bei ihren beiden letzten Heimspielen dieser Saison schon auf ihm herum - und besiegten die Volley Youngstars Friedrichshafen und Mimmenhausen 3:1 und 3:0.
Die Entwicklung der Dachauer Talente ist erstaunlich, sie basiert auch auf der Arbeit des einstigen Nachwuchsförderers Sepp Wolf - aus dessen Schmiede es nun einige Spieler in die erste Mannschaft geschafft haben. Oder darüber hinaus: Man denke nur an Lenny Graven, Libero der WWK Volleys Herrsching, oder an die Pfretzschner-Brüder, die im Sand ihr Glück suchen.

In ein paar Monaten schon wird der ASV Dachau Berlin, den VfB Friedrichshafen oder Herrsching in seinen alten Gemäuern an der Gröbenrieder Straße ganz im Süden der Stadt begrüßen. 750 Zuschauer sollen im Schnitt kommen, eine neue Videoleinwand angeschafft werden. Auch der ASV-Etat wächst, momentan liegt er noch eher im unteren sechsstelligen Bereich. Es gibt inzwischen drei Hauptamtliche, neben Steuerwald auch Jugend-Cheftrainer Niko Schneider und Marketingmanager Samuel Weller, dessen Stelle "die VBL subventioniert hat", wie Weller selbst sagt.
Schneider verantwortet die Ausbildung von inzwischen mehr als 200 Kindern und Jugendlichen, der Leistungsgedanke steht im Vordergrund. Die zweite Mannschaft ist gerade in die dritte Liga aufgestiegen, für die Talente soll ein Treppenstufensystem im eigenen Verein entstehen, das für die Besten in Liga eins mündet. Und über allem steht die Nachhaltigkeit: "Wir wollen soziale Verantwortung im Jugendbereich und im Umweltschutz übernehmen, Vorreiter sein", sagt Abteilungsleiter Denis Werner.
Dass es bald wohl drei Bundesligisten gibt um München herum, mit Herrsching, Haching und dem ASV Dachau? Das stört momentan keinen so richtig, eher wächst die Vorfreude auf Derbystimmung samt kurzen Anreisen zu den Auswärtsspielen.
Runde sechs Monate sind es noch, dann fällt der Startschuss für die nächste Generation. Die ASV-Volleyballer hätten sich kein besseren Zeitpunkt malen können: Im kommenden Herbst wird ihre Abteilung 50 Jahre alt.