Asien-Cup:Katar blamiert die feindseligen Nachbarn

AFC Asian Cup - Semi-Final - Qatar v United Arab Emirates

Jubel im Halbfinale: Katars Fußballer feiern das 4:0 gegen die Vereinigten Arabischen Emirate.

(Foto: Thaier Al-Sudani/Reuters)
  • Das kleine Katar hat beim 17. Asien-Cup seinen bislang größten Erfolg errungen. Sportlich, weil die Elf am Dienstag ihr Halbfinale gegen den Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, 4:0 gewann.
  • Es war aber auch ein politischer Erfolg, denn Katar ist rund um den Persischen Golf seit 19 Monaten weitgehend isoliert.
  • Das Finale am Freitag gegen Japan bietet dem Emirat eine prominente Bühne der Selbstbehauptung.

Von Ronny Blaschke, Abu Dhabi

Von den vielen langweiligen Pressekonferenzen bei der Asienmeisterschaft im Fußball stachen die des Spaniers Félix Sánchez Bas besonders heraus. Der Trainer des katarischen Nationalteams formulierte dabei den immer gleichen Gedanken: Seine Spieler konzentrieren sich auf die nächste Partie, auf Themen jenseits des Fußballs haben sie keinen Einfluss. Man könnte Sánchez das als fehlende Inspiration auslegen. Oder als meisterhafte Diplomatie in einer Zeit, in der jedes falsche Wort zur Eskalation führen könnte.

Das kleine Katar hat beim 17. Asien-Cup seinen bislang größten Erfolg errungen. Sportlich, weil die Elf am Dienstag ihr Halbfinale gegen den Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, 4:0 gewann. Es war ihr sechster Sieg im sechsten Spiel des Turniers. Es war aber auch ein politischer Erfolg, denn Katar ist rund um den Persischen Golf seit 19 Monaten weitgehend isoliert. Das Finale am Freitag gegen Japan bietet dem Emirat eine prominente Bühne der Selbstbehauptung. Und es ist eine Blamage für seine feindseligen Nachbarn.

Im Juni 2017 verhängte Saudi-Arabien eine Blockade über Katar, wegen angeblicher Unterstützung von Terroristen. Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate setzten ebenfalls ihre diplomatischen Beziehungen mit Doha aus. Der Fußballverband Katars bekam dies nun bei der Kontinentalmeisterschaft zu spüren. Einer seiner wichtigsten Funktionäre durfte zunächst nicht in die Emirate einreisen. Die Mannschaft musste auf dem kurzen Reiseweg in Kuwait zwischenlanden, da es keine direkten Flüge mehr gibt. Die wenigen Journalisten, die für katarische Medien von diesem Turnier berichten, gehören anderen Nationalitäten an.

In den schlecht besuchten Stadien waren so gut wie keine katarischen Fans. Die offizielle Zuschauerzahl im Vorrundenspiel Katars gegen Nordkorea: 452. In der letzten Gruppenpartie gegen Saudi-Arabien wurden die katarischen Spieler ausgepfiffen, sie gewannen trotzdem 2:0. Nun, vor dem Halbfinale in Abu Dhabi, verteilte die örtliche Sportbehörde alle verbliebenden Tickets an "loyale Fans" des Gastgebers. Sie mussten sich als Staatsbürger der Emirate ausweisen. Schulen und Universitäten beendeten ihren Unterricht am Dienstag zwei Stunden früher.

Ein gängiges Narrativ könnte sich auch in der westlichen Welt bald ändern

Im Viertelfinale gegen Südkorea hatten Zuschauer aus Oman den 1:0-Sieg Katars bejubelt; eine Wiederholung wollte die Führung Abu Dhabis verhindern - auch mit Warnungen in sozialen Medien, wonach eine Parteinahme für Katar bestraft werden könne. So prägten schon am frühen Nachmittag Tausende Männer in traditionellen weißen Gewändern das Stadionumfeld. Mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit hat das wenig zu tun: 80 Prozent der Bevölkerung sind Arbeitsmigranten, doch Zuschauer aus Indien, Pakistan oder Bangladesch waren nicht willkommen.

Die Spannungen führten so weit, dass die Asienmeisterschaft in etlichen Hotels neben den Stadien nicht im Fernsehen zu verfolgen war, der Rechteinhaber BeIN-Sports stammt aus Katar und wurde auch in den Emiraten teilweise geblockt. In den vergangenen Wochen zitierten katarische Medien wie Al Jazeera immer wieder Fans aus Doha, die aus Sicherheitsgründen dem Fußball fernbleiben müssen. So könnte sich ein gängiges Narrativ auch in der westlichen Welt bald ändern: Aus dem schwerreichen Katar, das die Menschenrechte nicht ernst nimmt, wird eventuell das Opfer von neidischen Nachbarn, die jede Reform kritisch betrachten.

Da solche Konflikte in der Region nicht unüblich sind, lohnt es, den größeren Rahmen zu betrachten: "Die Katarer betrachten Sportveranstaltungen als eine Art Lebensversicherung", sagt der Politikwissenschaftler Danyel Reiche von der Amerikanischen Universität Beirut. Er erinnert an 1990, als der übermächtige Irak ins kleine Kuwait einmarschierte und die USA zur Befreiung anrückten. "Die Katarer möchten so stark wahrgenommen werden, dass ihnen so etwas nicht passiert", sagt Reiche.

Neymars Verpflichtung kann als strategische Meisterleistung gesehen werden

Die Fläche Saudi-Arabiens ist 200 Mal so groß wie die von Katar. Saudi-Arabien verfügt über mehr als 500 000 Streitkräfte, Katar nur über 12 000. Das Emirat beherbergt zwar eine der größten Militärbasen der USA, doch das muss in Zeiten der unberechenbaren Politik Donald Trumps nicht von Dauer sein. Daher investiert Katar in "Soft Power", eine Strategie, die nicht auf militärische Maßnahmen setzt, sondern auf Kulturaustausch. Dazu gehören neben der WM 2022 viele andere Sportereignisse, auch der Kauf des Sportvereins Paris Saint-Germain oder der Sponsoreneinstieg beim FC Barcelona und beim FC Bayern München.

Ohne Netzwerk mit europäischen Fußballklubs, Museen oder Universitäten wäre Katar wohl schon von den Saudis attackiert worden, vermutet Danyel Reiche. Daher nennt er die Verpflichtung des Brasilianers Neymar für Paris Saint-Germain 2017 auch eine strategische Meisterleistung: "Kurz nach Bekanntwerden der Blockade veränderte Katar das Narrativ in der Presse. Auch wenn der Transfer unfassbar teuer war: Alle redeten nur noch über Fußball, nicht mehr über das isolierte Katar." Innenpolitisch wurden die vergangenen Weltmeisterschaften als Symbole für gesellschaftliche Einigkeit vermarktet, in Südafrika, Brasilien oder Russland. In Katar wird weniger nach Zusammenhalt gestrebt. Von den zweieinhalb Millionen Einwohnern haben nur rund zehn Prozent einen katarischen Pass. In Bildung oder Gesundheitsvorsorge genießen Staatsbürger Privilegien, ihr Pro-Kopf-Einkommen ist eines der höchsten weltweit.

"Doch viele fürchten, dass die Themen rund um die WM ihr Land zu sehr liberalisieren könnten", sagt der Blogger und Publizist James M. Dorsey, der den Fußball im Mittleren Osten seit Jahren beobachtet.

Kürzlich wurden in Katar die Alkoholpreise durch neue Steuern massiv erhöht. Ein Zugeständnis an konservative Kreise, denn nur mit innenpolitischer Stabilität lässt sich außenpolitische "Soft Power" vorantreiben. Ob Frauenrechte, Arbeitsbedingungen oder Pressefreiheit: Die katarische Monarchie muss Fortschritte vorweisen, wenn sie von der westlichen Welt anerkannt werden will. Experten wie Sylvia Schenk von "Transparency International" bescheinigen Katar eine Bereitschaft zur Veränderung. Doch größere Reformen könnten konservativere Nachbarn wie Saudi-Arabien, die Emirate oder Bahrain als Provokation empfinden.

Das sportliche Expansionsstreben der Golfstaaten ist zunehmend umkämpft

In allen Staaten am Golf mischen Mitglieder der Herrscherfamilien in den Fußballverbänden mit. James M. Dorsey beschreibt in seinem Blog "Mideastsoccer", wie Funktionäre aus Saudi-Arabien und den Emiraten die WM-Pläne Katars hintertreiben wollen. Fifa-Präsident Gianni Infantino wünscht sich für 2022 eine WM mit 48 statt 32 Ländern. Aus Mangel an Stadien, Trainingsstätten und Hotels bräuchte Katar also Unterstützung aus der Nachbarschaft. Doch wie soll das möglich sein? Die letzten Panarabischen Spiele fanden 2011 in Doha statt, seitdem konnte sich die Region nicht auf einen Gastgeber einigen.

Die Asienmeisterschaft im Fußball verdeutlicht vielmehr, dass das sportliche Expansionsstreben der Golf-Staaten zunehmend umkämpft ist. Katar möchte mit Fußball seinen Tourismus stärken sowie Investoren und Fachkräfte anlocken. Die Emirate gehen einen ähnlichen Weg: mit dem Kauf von Manchester City, mit Beteiligungen bei anderen, auch unterklassigen Klubs. Saudi-Arabien zieht seit 2016 nach, zunächst mit kleineren Veranstaltungen: im Wrestling, Schach oder in Rennsport-Serien wie der Formel E. Im Oktober fand in Riad der Fußball-Gipfel zwischen Brasilien und Argentinien statt. Und erst vor zwei Wochen folgte in Jeddah das italienische Supercup-Finale. Doch noch ist der Rückstand zu den kleinen Nachbarn groß.

Katar könnte ein wichtiger internationaler Vermittler sein. Mit Kontakten zu den USA, Großbritannien und Frankreich, drei ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates, aber auch mit Beziehungen zu Israel, Palästina und Iran. Das Emirat hat sich mit neuen Transportwegen für Lebensmittel auf die Blockade eingestellt.

Der sportliche Erfolg dürfte beitragen, dass man das auch außerhalb Asiens zur Kenntnis nimmt.

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