Asiaten in der Bundesliga:Modell Kagawa - nichts ist unmöglich

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Schnell, gut ausgebildet, billig: Der Dortmunder Shinji Kagawa führt die neuen Stärken des asiatischen Fußballs vor. Die Bundesliga hat den Osten als attraktiven Spielermarkt entdeckt.

David Binnig

Schon nach drei Monaten in Dortmund brannte er seinen Namen in das kulturelle Gedächtnis des Potts - bei jenem einen Spiel, in dem japanische Höflichkeit und Zurückhaltung so unangebracht sind wie in kaum einem andern: dem Revierderby.

Einer der besten Mittelfeldspieler der Bundesliga - und einer von mittlerweile fünf Asiaten: Shinji Kagawa von Borussia Dortmund. (Foto: AFP)

Der Japaner Shinji Kagawa führte den Schalker Verteidigern anschaulich vor, was Pierre Littbarski schon seit Jahren weiß: "Kagawa ist sehr unangenehm zu spielen: Er ist so flink, dass er kaum zu schnappen ist." Der Nichtzufassende schoss beim Dortmunder 3:1-Sieg auf Schalke zwei Tore. "Früher hatte man die Angst, dass sich Asiaten nicht in Europa durchsetzen können, weil sie körperlich nicht so robust sind, sondern eher klein und wuselig", sagt Pierre Littbarski. "Doch vielleicht ist genau das der Spielertyp, der heute gesucht wird: schnell und technisch stark."

Vorbilder in der Bundesliga

Kagawa, 1,72 Meter groß und 63 Kilogramm leicht, ist einer von fünf Asiaten in der Bundesliga. Drei weitere sind Stammspieler in der zweiten Liga. "Ich denke, wir werden in Zukunft noch mehr Asiaten in der Bundesliga sehen." Pierre Littbarski ist 1993 den umgekehrten Weg gegangen. Der Weltmeister von 1990 war einer der ersten Europäer, die in der neugegründeten japanischen J-League anheuerten. Er spielte bei Ichihara Chiba und Brummell Sendai, trainierte in Yokohama und Fukuoka. Heute ist er Co-Trainer des VfL Wolfsburg.

Der japanische Fußball tritt aus dem breiten Schatten der Sumo-Ringer - und aus dem einer importierten US-Sportart. "Die J-League kann immer besser neben dem Baseball existieren." Der Hauptgrund der positiven Entwicklung: "Die Ausbildung ist viel professioneller und vor allem intensiver geworden." Die Ligen für Nachwuchskicker mussten erst aufgebaut werden. Mittlerweile hat jeder Profiklub eine eigene Fußballschule. Und die traditionelle japanische Zurückhaltung Abenteuern im Ausland gegenüber geht zurück. "Ein Wechsel nach Europa ist ein großer Schritt. Doch durch Kagawa, Uchida, Hasebe werden die Jungen angespornt."

Im Westen nichts Neues

Die deutschen Vereine beginnen, die neuen Märkte zu erschließen - nicht mehr nur per aufwändiger PR-Reise inklusive Show-Freundschaftsspielen, um Fans zu gewinnen, sondern diesmal, um Spieler zu verpflichten. Der Blick der Manager haftet nicht mehr nur im Westen, sondern schweift auch gen Osten. Zur neuen Saison wurde ein einziger Spieler aus Brasilien über den Atlantik nach Deutschland geholt: Wesley (er kam für 7,5 Millionen Euro nach Bremen). Zwei weitere Brasilianer wechselten aus dem europäischen Ausland in die Bundesliga: Diego (für 15 Millionen Euro nach Wolfsburg) und Andrézinho (ablösefrei nach Köln). Der Export von Südamerikanern aus der Bundesliga boomt dagegen: 16 Spieler aus Südamerika wurden verkauft.

Die Erst- und Zweitligisten gingen lieber in Asien auf Shopping-Tour - und sparten. Dortmund angelte sich das Super-Schnäppchen Kagawa (für 350.000 Euro; kolportierter heutiger Marktwert: fünf Millionen). Großeinkäufer Felix Magath schlug ebenfalls in Japan zu und holte Atsudo Uchida von den Kashima Antlers (für 1,3 Millionen Euro; heutiger Marktwert: 3,5 Millionen). Auch der SC Freiburg wurde nach langer Stürmer-Suche schließlich im Land des Sushis und der aufgehenden Sonne fündig: Kisho Yano kam ablösefrei aus Niigata in den Breisgau.

In Hamburg tauchte vor dieser Saison ein 18-Jähriger auf, dessen Name sich die Bundesliga-Verteidiger merken sollten: Heung-Min Son. Er kam vor zwei Jahren nach Deutschland. Als Austauschschüler. 2010 schoss der Stürmer aus Südkorea in den Testspielen des HSV neun Tore - unter anderem den 2:1-Siegtreffer über den FC Chelsea. Im selben Spiel brach er sich den Fuß. Inzwischen trainiert er wieder. "Son kann mit 18 Jahren schon so viel wie andere Profis mit 30 nicht", sagt sein Trainer Armin Veh, "ich höre nicht auf, ihn zu loben".

Die zweite Heimat

Son erinnert an Südkoreas Fußball-Nationalheld: Bum-Kun Cha spielte zwischen 1978 und 1989 in der Bundesliga - und gewann sowohl mit Frankfurt als auch mit Leverkusen den Uefa-Pokal. Was den Schriftsteller Eckhard Henscheid dazu veranlasste, eine Hymne auf ihn zu schreiben. Ein Auszug: Bum-Kun Cha! Freund aus dem Osten! Fremdling bist Du nicht länger - nicht bitt'res Los ist Exil Dir! Heimat, die zweite, du fandst sie.

Auch Pierre Littbarski glaubt an die schnelle Integration asiatischer Kicker. "Die jüngere Generation erlebt sicher keinen Kulturschock mehr, wenn sie nach Deutschland kommt", sagt er. Man kenne das Leben in Europa ja aus den Medien. "Und außerdem gibt es heute auch hier an jeder Ecke einen Sushi-Laden."

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