AS Rom:Zorro und die Löwen im Kolosseum

Paulo Fonseca

Mut zur Selbstironie: Im Dezember 2017 trat Paulo Fonseca, damals noch Trainer von Donezk, im Kostüm des schwarzen Rächers Zorro auf.

(Foto: Efrem Lukatsky/AP)
  • AS Rom hat eine katastrophale Saison gespielt, in der kommenden Spielzeit ist der Klub in der Champions League nicht dabei.
  • Nun übernimmt der Portugiese Paulo Fonseca.
  • Der gilt als Coach mit Charisma und Durchsetzungsvermögen, beides wird er dringend brauchen.

Von Birgit Schönau, Rom

Paulo Fonseca traut sich was und hat Selbstironie. Zwei ganz wesentliche Grundvoraussetzungen, um Trainer bei der Associazione Sportiva Roma zu werden. Als er in London als neuer Roma-Coach vorgestellt wurde, kramten die italienischen Medien sofort ein altes Video aus dem Archiv. Fonseca im Dezember 2017 beim Betreten des Presseraums, nach dem 2:1-Sieg seiner Mannschaft Schachtjor Donezk über Manchester City. Im Kostüm des schwarzen Rächers Zorro, wie der Portugiese versprochen hatte. Zorros Team war ins Achtelfinale gelangt und scheiterte dort an der Roma. Im Herbst 2018 musste Schachtjor wieder gegen City antreten - und kassierte in zwei Spielen neun Tore. Zu null.

Die Roma war im Frühjahr 2018 bis ins Halbfinale der Königsklasse gekommen, schaffte aber zuletzt nur das Achtelfinale und spielt in der nächsten Saison erst gar nicht mit: Platz sechs reicht gerade für die Europa League. Mitten im Jahr wurde der Trainer Eusebio Di Francesco gefeuert, der Grandseigneur Claudio Ranieri, 67, kam zur allgemeinen Beruhigung für die restlichen acht Wochen, stoppte den freien Fall, bekam aber keinen Vertrag.

Jung und ehrgeizig

Man habe sich für Fonseca entschieden, erklärte Klubbesitzer James Pallotta, weil er jung und ehrgeizig sei, mit internationaler Erfahrung und Siegermentalität ausgestattet. Die ersten drei Eigenschaften des 46 Jahre alten Neuen kann man relativ problemlos beweisen. Mit der sogenannten Siegermentalität ist das so eine Sache. Man wartet auf den Tag, an dem ein Klubpatron seinen neuen Übungsleiter mit den Worten präsentiert: Wirkt auf mich überzeugend, weil Chefmelancholiker. Aber so etwas passiert heutzutage noch nicht mal mehr in Österreich.

Die AS Roma wird von der Siegermentalität schon eine ganze Weile nicht ernsthaft erfasst, abgesehen von dem Halbfinal-Ausreißer 2018, der durch einen sensationellen Sieg über Barça gelang. Gegen Liverpool wurde das Finale dann durch ein 2:5 (Hinspiel) und ein 4:2 knapp verpasst, und weil Resultate zumindest im Fußball selten lügen, darf man annehmen, dass es sich bei den Römern um eine zumindest unberechenbare Truppe handelt. Di Francesco und Ranieri wussten das, lange bevor sie den Job als Chefdompteur übernahmen. Der erste war schon als Spieler dabei gewesen, der zweite wuchs als Kind eines Metzgers im römischen Viertel Testaccio auf, wo der Klub gegründet wurde.

Wie die Intrige begann

Der Trainer Fonseca, dessen Siegermentalität sich in der Fußballsteppe der Ukraine in drei Landesmeisterschaften, drei Pokalen und einem einzigen Ligapokal manifestierte, hat naturgemäß null Stallgeruch und wird genau deswegen genommen. In Rom trifft er auf einen Präsidenten, der fast immer in Boston ist, und auf ein Publikum, dass es seit 2000 Jahren gewohnt ist, bei Nichtgefallen so rasch wie definitiv den Daumen zu senken. Vor allem aber trifft Fonseca auf ein Team, das ungefähr so kratzbürstig werden kann wie weiland die Löwen im Kolosseum. Sein Vorgänger Di Francesco soll laut Recherchen der ortsansässigen Tageszeitung La Repubblica ad bestias exekutiert worden sein, den Bestien vorgeworfen, nach einer von Kapitän Daniele De Rossi angezettelten Palastintrige.

Jahrzehntelang hatte De Rossi, Spitzname "Capitan Futuro", hinter dem alles überstrahlenden Monument Francesco Totti darauf gewartet, endlich auch mal die Nummer eins in der Manege zu sein. Doch ein Jahr nachdem Totti endlich vom Rasen in die Büroetage gewechselt war, witterte De Rossi, dass er zur Reserve degradiert werden sollte. Angeblich machte er deshalb gegen Di Francesco und gegen Totti Stimmung. Die Roma spielte immer schlechter, irgendwann hatte man das Gefühl, sie kicke gegen den eigenen Trainer - und wenn man La Repubblica glauben darf, dann war dieser Eindruck auch gar nicht falsch. Der absolute Tiefpunkt war ein 1:7 im Pokal-Viertelfinale gegen den AC Florenz.

"Unsere Saison war ein Desaster", ließ sich nun James Pallotta vernehmen. Er räumte ein, dass an den journalistischen Enthüllungen etwas dran sei, verteidigte allerdings De Rossi: "Er war irritiert, aber nicht, weil jemand anders seinen Platz einnehmen sollte, sondern weil er sich belogen fühlte." Vom inzwischen entlassenen Sportdirektor Monchi, laut Präsident wegen seiner falschen Transferpolitik Hauptverantwortlicher für die Krise.

"Der verteidigt ja nur kurz vorm Tor"

Pallotta hat in acht Jahren sieben Trainer angestellt. De Rossis Vertrag wurde nicht verlängert, er wurde mit den besten Wünschen vom Über-Capitano Totti verabschiedet und geht mit knapp 36 jetzt zum FC Los Angeles. Als neuer Sportdirektor ist Gianluca Petrachi vom FC Turin im Gespräch. Fonseca verlangt schon mal mindestens zwei zusätzliche Verteidiger. Das hört die Klubleitung gern, denn mit der Defensive hatte es der Portugiese bislang nicht so, was prompt die Kritiker auf den Plan ruft. "Der verteidigt ja nur kurz vorm Tor", ließ sich Ex-Juve-"Soldatino" Angelo Di Livio vernehmen, andere glauben, Fonseca habe schlicht keine Ahnung, wie in Italien Fußball gespielt werden müsse.

Der Portugiese gilt immerhin als Coach mit Charisma und Durchsetzungsvermögen, beides wird er dringend brauchen. Immerhin, Meister muss er nicht gleich werden. Dafür hätte Pallotta ein Schwergewicht wie Massimiliano Allegri engagieren müssen, der mit Juventus fünf Titel in Serie geholt hat. Aber Allegri verdiente zuletzt 7,5 Millionen Euro netto im Jahr, Fonseca bekommt davon ein Drittel, um Schachtjor verlassen zu können, hat er sogar sein Honorar heruntergeschraubt.

Rom ist eben ein Sehnsuchtsziel, sogar für einen Trainer-Zorro.

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