Arturo Vidal:"Hola! Ich hatte einen Verkehrsunfall!"

CHILE VS. MEXICO

Bis zum Unfall torgefährlichster Copa-Spieler: Arturo Vidal.

(Foto: Felipe Trueba/dpa)
  • Schock für Chile bei der Südamerika-Meisterschaft: Arturo Vidal, der Star des Teams, ist in einen spektakulären Verkehrsunfall verwickelt.
  • Bei dem Auffahrunfall wird niemand verletzt, doch bei Vidal wird ein Alkoholgehalt im Blut von 1,2 Promille festgestellt.
  • Der Verband wirft Vidal nicht aus dem Kader, dafür sei das Vergehen nicht schwerwiegend genug.

Von Javier Cáceres, Santiago de Chile

Santiago de Chile - Der Schock kam übers Land, kaum dass Leo Messi mit Argentinien sein zweites Gruppenspiel bei der Copa América am Dienstagabend mit 1:0 gegen Uruguay gewonnen hatte. Die Radiosender Chiles, dem Ausrichterland der diesjährigen Südamerika-Meisterschaft, waren noch beseelt von der Intensität des Nachbarschaftsduells in La Serena, das Sergio Agüero mit einem Kopfball für die Argentinier entschieden hatte.

Dann schalteten die Sender rüber zum Teamquartier der Chilenen, zu jenen Reportern, deren nobelste Aufgabe darin besteht, durchzuzählen, ob alle Mitglieder ihrer für Eskapaden berühmten Nationalelf auch pünktlich aus der Freizeit zurückgekehrt waren.

Der für 23 Uhr angesetzte Zapfenstreich war noch nicht erreicht, als das lange Land von der Atacama-Wüste im Norden bis nach Feuerland im Süden von einer elektrisierenden Nachricht durchzuckt wurde: Arturo Vidal, Anführer der chilenischen Nationalelf, sei 25 Kilometer südlich von Santiago mit seinem nagelneuen, 200 000 Euro teuren Ferrari Spyder 458 Italia in einen spektakulären Auffahrunfall verwickelt.

Vidal ringt vor Gericht darum, die Höchststrafe abzuwenden

Vidal selbst blieb unverletzt, seine Copilotin und Ehefrau, María Teresa Matus, kugelte sich den Ellbogen aus; der Fahrer des Chevrolets, in den Vidal mit stark überhöhter Geschwindigkeit gekracht war und den er laut Augenzeugen regelrecht von der Fahrbahn boxte, erlitt leichte Verletzungen. Der Unfallhergang wurde am Mittwoch noch offiziell untersucht. Derweil rang Vidal darum, die strafrechtliche Höchststrafe abzuwenden. Vor Gericht bot er dem Opfer eine Entschädigungszahlung unbekannter Höhe.

Durch die Schlichtung würde er einen Prozess abwenden, an dessen Ende theoretisch auch eine mehrmonatige Haftstrafe stehen könnte - die Verkehrsgesetze waren in Chile im vorigen Jahr radikal verschärft worden. Vorläufig entzogen wurde ihm der Führerschein, überdies muss er sich monatlich beim chilenischen Konsulat in Mailand melden. Mittags sorgte Nationalcoach Jorge Sampaoli für Erleichterung. Vidal habe einen Fehler begangen, der nicht groß genug sei, um ihn auszuschließen. Das überraschte, denn die Vorwürfe wogen immens.

Noch in der Nacht war der frühere Spieler von Bayer Leverkusen, der jüngst mit Juventus Turin in Berlin das Champions-League-Finale gegen Messis FC Barcelona verlor, vorläufig festgenommen worden. Der Vorwurf: Trunkenheit am Steuer, der Test ergab einen Alkoholgehalt von 1,2 Promille im Blut.

Zu allem Überfluss beschimpfte Vidal die Beamten. "Wenn Sie Scheiße gebaut haben, haben Sie Scheiße gebaut, mein Herr", sagte ein Polizist. "Leg' mir nur Handschellen an. Aber Du reißt ganz Chile in die Scheiße", antwortete Vidal. Noch in der Nacht rotteten sich knapp hundert Anwohner vor der Wache in der Gemeinde Buin zusammen, beschimpften die Beamten und forderten die sofortige Freilassung. Auch anderntags war das Volk in Aufruhr. In einer Umfrage des Senders TVN votierten 60 Prozent dafür, Arturo Vidal im Team zu belassen. Vidal ist Chiles schärfste Waffe. In den beiden ersten Spielen - gegen Ecuador (2:0) und Mexiko (3:3) - erzielte er drei Tore.

Chiles Führungsspieler in der Zwickmühle

Entsprechend tief saß der Schock im chilenischen Mannschaftslager. Weit nach drei Uhr morgens brannte im Sportkomplex "Juan Pinto Durán" das Licht, eine Krisensitzung jagte die nächste. Zwischen Nationaltrainer Jorge Sampaoli und Verbandschef Sergio Jadue soll es zu dramatischen Auseinandersetzungen gekommen sein. Jadue machte Sampaoli Vorwürfe, wie er auf die Idee kommen konnte, den Spielern nach dem Spiel gegen Mexiko frei zu geben - nach all den Vorfällen der Vergangenheit.

Schon bei der WM in Brasilien 2014 sollen Chiles Kicker in der offiziellen Freizeit nicht ihre jeweiligen Mütter besucht, sondern über die Stränge geschlagen haben. Sampaoli, aber auch die Führungsspieler waren in der Zwickmühle. Angesichts immer wiederkehrender Affären hatten sie vereinbart, dass es für den nächsten Sünder kein Pardon geben werde. Ohne Rücksicht auf Verluste oder Namen. Coach Sampaoli spielte Jadue geschickt den Ball zu: "Wir machen, was Sie sagen", habe er zu Jadue gesagt - wissend, dass dieser wegen der Fifa-Korruptionsaffäre massiv unter öffentlichem Druck steht.

Vidals Ferrari soll geschätzt bei Tempo 160 abgehoben haben

Vidal selbst ist in der Vergangenheit mehrmals wegen Alkoholexzessen in die Schlagzeilen geraten. Mal uferte eine Tauffeier mit Kollegen des Nationalteams aus, mal pöbelte er in Tanzlokalen. Im Oktober verpasste ihm Juventus nach einer Disco-Keilerei in Italien eine Geldstrafe.

Unter welchen Umständen er diesmal die Promille-Grenze riss, ist noch nicht aktenkundig. Kolportagen zufolge war Vidal aber zunächst bei seinem Teamkollegen Gery Medel zum Grillen eingeladen, eine in Chile alles andere als dürreverdächtige Aktivität. Mit Bildern belegt ist, dass Vidal noch in einem Casino Station machte und ein paar Runden Black Jack spielte.

Nachdem Gerüchte auftauchten, der einschlägig bekannte Mittelfeldregisseur Jorge Valdivia sei ebenfalls auf Tour gewesen, veröffentlichte dieser Alibifotos. Sie zeigen ihn samt Ehefrau in einem bürgerlichen Restaurant.

Jenseits davon hat Vidal ungeheuerliches Glück gehabt. Augenzeugen berichteten in Radiosendern, Vidals Ferrari sei geschätzt mit Tempo 160 auf den Chevrolet geprallt und regelrecht davongeflogen - die Landung sei 50, 60 Meter jenseits der Kollision erfolgt. Das Auto kam einen Meter vor einem zwölf Meter tiefen Graben zum Stehen - ohne linkes Vorderrad. Vidal selbst wandte sich in einer Videobotschaft an seine Fans. "Hola! Ich hatte einen Verkehrsunfall! Es war nicht meine Schuld. Mir geht's gut, meiner Familie geht's gut, Danke für alles", sagte er und reckte vier Mal den rechten Daumen. Als wäre nichts passiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: