Süddeutsche Zeitung

Arturo Vidal:Abschied des Kriegers

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Schluss nach drei Jahren: Arturo Vidal hat das feinfüßige Spiel des FC Bayern gestrafft, jetzt tut er es für den FC Barcelona - und die Münchner dürften dankbar dafür sein.

Von Benedikt Warmbrunn, Rottach-Egern

Den FC Bayern verließ Arturo Vidal als Beifahrer. Gemütlich schlenderte er aus dem Hotel in Rottach-Egern, in kurzer grauer Hose und knallorangenem T-Shirt, beides aus dem Sortiment des Vereins. Vidal setzte sich auf den Beifahrersitz, hinter dem Steuer nahm Hasan Salihamidzic Platz. Und schon fuhren sie davon, der Sportdirektor und der Spieler, der nur noch wenige Stunden lang ein Spieler des FC Bayern bleiben sollte.

Am Freitagabend vermeldeten der FC Barcelona und der FC Bayern, dass Vidal zu den Katalanen wechselt, dem Vernehmen nach für eine Ablösesumme von knapp 20 Millionen Euro. Der 31-Jährige erhält einen Dreijahresvertrag und angeblich neun Millionen Euro netto pro Saison. "Ich möchte mich beim Verein dafür bedanken, dass ich noch einmal eine Chance bekomme, eine neue Herausforderung in Barcelona anzunehmen", wird Vidal in einer Mitteilung des FC Bayern zitiert. Noch dankbarer dürften sie im Verein sein, dass sich der FC Barcelona gefunden hat, um Vidal eine neue Herausforderung zu bieten.

Als der FC Bayern im Winter Leon Goretzka für die neue Saison verpflichtet hatte, war klar, dass es für Vidal eng werden dürfte. Goretzka spielt ähnlich wie Vidal, er ist deutscher Nationalspieler, er ist acht Jahre jünger und er hat einen Körper mit deutlich weniger Abnutzungserscheinungen. Als sie beim FC Bayern dann im Sommer feststellten, dass ihr Kader leicht aufgebläht ist, vor allem im zentralen Mittelfeld, gehörte Vidal zu den vier Spielern, deren Weggang der Klub nicht verhindern würde (die anderen waren Jérôme Boateng, Juan Bernat und Thiago, der nach Vidals Wechsel nun eher in München bleiben dürfte). In der vergangenen Woche deutete sich bei Vidal ein Wechsel zu Inter Mailand an, erst am Donnerstag wurde das Interesse des FC Barcelona bekannt; die letzten Details besprachen Salihamidzic und Vidal am Freitagnachmittag im Auto.

Ohne den Chilenen entspannt sich nun die Lage im Münchner Mittelfeld. Der neue Trainer Niko Kovac will sich noch nicht auf ein System festlegen, er hat aber angedeutet, dass er sich ein 4-3-3 gut vorstellen kann. Sollte er Javier Martínez dauerhaft in die Abwehr zurückziehen, hätte er für die drei Mittelfeldposten sechs Spieler: Thiago, Goretzka, Sebastian Rudy, Corentin Tolisso, Renato Sanches sowie den offensiver veranlagten James Rodríguez.

Seit 2015 hatte Vidal für den FC Bayern gespielt, in der Mitteilung bedankte sich Klubboss Karl-Heinz Rummenigge für "drei tolle Jahre", er sagte: "Wir haben in dieser Zeit große Erfolge gefeiert, daran hatte Arturo maßgeblichen Anteil. Er ist in wichtigen Spielen immer vorangegangen, auf ihn konnten wir uns immer verlassen." Wahrscheinlich ist es auch das, was sie sich in Barcelona von Vidal erhoffen: dass er mit seiner Wucht, seiner körperlichen Erbarmungslosigkeit und seinem kriegerischen Willen eine Mannschaft stabilisiert, die in der vergangenen Saison im Viertelfinale der Champions League ein 4:1 aus dem Hinspiel im Rückspiel verspielte.

An seinen guten Tagen in den vergangenen drei Jahren war Vidal ein Spieler, der das Auftreten der ganzen Mannschaft bestimmte. Selbst in seinem ersten Jahr in München, unter dem Trainer Pep Guardiola und dessen Vorliebe für den filigranen Fußball, war Vidal der wichtigste Spieler der Rückrunde. Der FC Bayern war mit ihm vielleicht nicht ganz so feinfüßig, aber er war eine straffe, robuste, selbstbewusste Mannschaft, die so gut war wie sonst fast nie in Guardiolas drei Jahren in München; in der Champions League scheiterte das Team unglücklich im Halbfinale gegen Atlético Madrid.

Nach seinem Wechsel nach Barcelona feierte die Zeitung El Mundo Vidal nun als "körperliches Wunderwerk". Er ist großflächig tätowiert, und er rennt und attackiert und grätscht, als ob er unzerstörbar wäre (was er nicht ist). Ein Wunderwerk war Vidal in seinen drei Jahren in München allerdings auch immer dann, wenn er mal wieder die Orientierung verloren hatte.

Im vergangenen Herbst suchte Vidal wochenlang seine Form sowie die Anbindung an das Geschehen auf dem Platz, er rannte und attackierte und grätschte weiterhin, aber oft rannte und attackierte und grätschte er irgendwo hinterher. In jenen Wochen war auch der private Vidal auffällig präsent. Es gab Meldungen über eine Disco-Schlägerei zur Wiesn-Zeit, in die auch Vidal verwickelt gewesen sein soll; wie genau, soll noch in diesem Jahr ein Prozess klären.

124 Spiele hat Vidal für den FC Bayern bestritten, er hat 22 Tore erzielt, und er lebte sein Leben so, wie er es gerne lebt. Er sagte: "Ich habe die Zeit in München sehr genossen."

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Quelle:
SZ vom 06.08.2018
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