Zehnkämpfer Arthur Abele:Plötzlich König der Athleten

Arthur Abele feiert sein Gold im Zehnkampf bei der Leichtathletik-Europameisterschaft 2108 in Berlin

Brüllte seine Emotionen heraus: Zehnkampf-Europameister Arthur Abele.

(Foto: dpa)
  • Zehnkämpfer Arthur Abele gewinnt Gold und sorgt für eine große Überraschung bei der Leichtathletik-EM in Berlin.
  • Kugelstoßerin Christina Schwanitz entgleitet der sicher geglaubte Sieg - sie gewinnt schließlich aber Silber.
  • Hier geht es zum Zeitplan der Leichtathletik-EM.

Von Joachim Mölter, Berlin

Am Ende kam Berlino und setzte dem Ganzen die Krone auf. Das Berliner Leichtathletik-Maskottchen hatte sich an den ermatteten Arthur Abele herangeschlichen, der nach dem finalen 1500-Meter-Lauf gebeugt auf der blauen Bahn stand, und ihm hinterrücks die Insignien auf den Kopf gesetzt, die den König der Athleten kennzeichnen. Als solche werden stets die Zehnkampf-Sieger bezeichnet, die vielseitigsten Athleten, die es gibt. Und der Ulmer Arthur Abele, 32 Jahre alt, hatte sich am Mittwochabend krönen lassen bei den Europameisterschaften im Olympiastadion. Mit 8481 Punkten holte er sich seinen ersten internationalen Titel und dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) die erste Goldmedaille bei seinem Heimspiel.

Dieser Erfolg war begünstigt durch den Umstand, dass der Franzose Kevin Mayer, der Weltmeister, bereits nach der zweiten Übung aus dem Rennen war, nach drei ungültigen Versuchen im Weitsprung. "Ich hätte eher einen Weltrekord von Mayer erwartet, als dass er drei Ungültige im Weitsprung macht", sagte DLV-Sportdirektor Idriss Gonschinska. Aber so ist es nun mal, auch in der Leichtathletik: Man muss seine Chancen nutzen. Abele machte das.

Kugelstoßerin Schwanitz und Weitspringer Heinle holen Silber

Mit Saisonbestleistung von 45,42 Metern im Diskuswerfen hatte der grundsolide Schwabe erstmals die Führung übernommen. Selbst ein mäßiger Stabhochsprung (4,60 Meter) warf ihn nicht mehr aus der Bahn: "Speer und 1500 Meter sind meine Paradedisziplinen", wusste er, "da kann ich richtig Vollgas geben." Das musste er nicht einmal, mit 4:30,84 Minuten besiegelte er seinen Triumph vor Ilja Schkurenjow, einem als neutraler Athlet angetretener Russe.

Bevor Abele auf seine letzte Etappe ging an diesem Abend, hatten die Zuschauer bereits zwei Silbermedaillen für die einheimischen Athleten feiern dürfen - von unterschiedlicher Prägung. Weitspringer Fabian Heinle vom VfB Stuttgart überraschte mit einer Saisonbestleistung von 8,13 Meter, die er gleich zweimal erreichte. Damit verdrängte er den Ukrainer Serhii Nikiforow (ebenfalls 8,13) aufgrund des besseren zweiten Versuchs auf Rang drei; den Titel holte der Grieche Miltiadis Tentoglou mit 8,25.

Ebenfalls im letzten Durchgang entglitt derweil der Kugelstoßerin Christina Schwanitz das schon sicher geglaubte Gold: Die Titelverteidigerin konnte die 19,33 Meter der Polin Paulina Guba nicht mehr kontern und landete mit ihren 19,19 Metern ebenfalls auf dem zweiten Platz, womit sie aber nicht so glücklich gewesen ist wie Heinle. Schwanitz hatte als eine der größten Gold-Hoffnungen des DLV gegolten - zumindest bis zu ihrem Autounfall einen Tag nach ihrer Saisonbestweite von 20,06 Meter bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg.

Ein Schleudertrauma machte Schwanitz zu schaffen

Auf der Fahrt nach Mainz ins "Aktuelle Sportstudio" des ZDF war die Athletin des LV 90 Erzgebirge einem anderen Wagen ins Heck gerast; sie hatte Glück und vor allem "ein sehr gutes Auto, das gut gepufft hat". Es war niemand ernsthaft verletzt worden, aber für eine Hochleistungssportlerin sind ein geprellter Daumen an der Stoßhand, blutige Beine sowie ein Schleudertrauma schon ein Handicap. Vor allem das Schleudertrauma und die damit verbundenen Gleichgewichtsstörungen hatten Schwanitz zu schaffen gemacht. Als sie nach ein paar Tagen das Training wieder aufnehmen wollte, "bin ich in den Ring gegangen und erst einmal umgefallen".

Sie hat sich dann im Trainingslager in Kienbaum bei Berlin von dem Neuroathletik-Trainer Lars Lienhard helfen lassen, auf den auch die Sprinterin Gina Lückenkemper schwört. Durch den Unfall seien Nervenbahnen zum Gehirn angeschwollen, "da wird die Ansteuerung der Muskeln schwierig", erzählte Schwanitz. "Lars Lienhard hat versucht, die Nervenbahnen zu stimulieren", erklärte DLV-Sportchef Idriss Gonschinska, "und Christina hat sich optimal darauf eingelassen."

In Topform trat die 32 Jahre alte Sportsoldatin trotzdem nicht an, aber sie hatte ein Jahr nach der Geburt ihrer Zwillinge schon wieder ein so hohes Grundniveau erreicht, dass sie durchaus mit dem dritten Titel in Serie liebäugeln durfte. Außer ihr haben in diesem Sommer ja nur noch zwei Europäerinnen die vier Kilogramm schwere Kugel überhaupt weiter als 19 Meter gewuchtet, Paulina Guba eben (19,38) sowie die Weißrussin Aljona Dubizkaja (19,21).

Die beiden waren auch am Mittwoch ihrer stärksten Gegnerinnen, während die enttäuschte Weißrussin nicht weiter kam als 18,81 Meter, zog die Polin mit ihrer letzten Chance noch an Schwanitz vorbei. Womöglich hat ihr der Autounfall doch mehr zugesetzt, als sie einräumen wollte. "Nach der EM", sagte sie, "habe ich Zeit, das alles auszukurieren."

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