Süddeutsche Zeitung

FC Arsenal:Gehaltsverzicht? Nein, danke

  • Unter den 20 weltweit umsatzstärksten Vereinen ist kein Klub so abhängig von den Stadioneinnahmen wie Arsenal.
  • Wird die Saison abgebrochen, droht ein Verlust von 85 Millionen Euro.
  • Maßnahmen wie einen Gehaltsverzicht lehnt die Mannschaft um Spieler wie Aubameyang und Özil allerdings ab.

Von Sven Haist, London

In den Verhandlungen um einen neuen Vertrag beim FC Arsenal hält sich der sonst so extrovertierte Pierre-Emerick Aubameyang erstaunlich zurück. Mit einem Lächeln überging der Kapitän der Gunners, dessen Arbeitspapier im Juni 2021 bei den Londonern ausläuft, in einem Internetchat mit Spielerkumpel Kevin-Prince Boateng die Nachfragen zur eigenen Zukunft. Anstelle des gabunischen Angreifers meldete sich Pierre Alain Mounguengui, Fußballpräsident in Gabun, am Wochenende bei ESPN zu Wort. Mounguengui positionierte den Rekordtorschützen seines Landes auf dem Transfermarkt, indem er ihm empfahl, sich einen "ambitionierteren Klub" als die Gunners zu suchen, mit denen er nichts gewonnen habe. Eine Vorlage, wie sie für Aubameyang im laufenden Vertragspoker kaum besser sein könnte.

Im Winter 2018 wechselte der pfeilschnelle Angreifer für 63,75 Millionen Euro von Dortmund zu Arsenal. Seitdem hat er mit 61 Treffern in 97 Spielen die mit Abstand meisten Tore des Teams erzielt und sich im Vorjahr den goldenen Schuh für den treffsichersten Stürmer der Premier League gesichert. Schon vor Wochen erklärte ihn Trainer Mikel Arteta, 38, zu seinem "wichtigsten Spieler": Der Verein müsse seinen Mittelstürmer unbedingt halten. Zwei Monate vor seinem 31. Geburtstag geht es für Aubameyang wiederum um sein vermutlich letztes hoch dotiertes Arbeitspapier als Profifußballer.

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Dabei hält er sich nicht nur alle Vertragsoptionen offen - ein ablösepflichtiger Wechsel im Sommer 2020, eine Verlängerung bei Arsenal, ein ablösefreier Wechsel im Sommer 2021 -, sondern er orientiert sich bei seinen finanziellen Vorstellungen am internen Spitzenverdiener Mesut Özil. Diesem hatte der Klub aus Angst vor einem Weggang im Februar 2018 ein astronomisches Gehalt gewährt.

Aubameyang fordert fünf Millionen Euro mehr Gehalt

Mit einem Jahresgehalt von circa zwölf Millionen Euro liegt Aubameyang bisher deutlich hinter den über 20 Millionen Euro zurück, die der frühere deutsche Nationalspieler Özil kassiert. Dem Vernehmen nach fordert Aubameyang für seine Unterschrift mindestens eine Gehaltserhöhung um circa fünf Millionen Euro. Das versetzt Arsenal in ein Dilemma: Einerseits würde der Weggang des Angreifers das Team schwächen, eine Fortsetzung der Zusammenarbeit würde den Verein andererseits finanziell teuer zu stehen kommen - und in Erklärungsnot bringen.

Aufgrund der seit drei Saisons verpassten Teilnahme an der Champions League ist Arsenal gezwungen, die insgesamt bei 250 Millionen Euro liegenden Gehaltskosten zu senken. Bei einem Rückstand in der Tabelle von acht Punkten auf den viertplatzierten FC Chelsea sieht es nicht danach aus, als könnten die Gunners demnächst auf die Gelder in der Königsklasse zurückgreifen. Es sei denn, die ausgesetzte Saison würde zu Ende gespielt werden und der internationale Sportgerichtshof Cas zeitnah die Berufung von Meister Manchester City gegen den zweijährigen Ausschluss aus der Champions League wegen Verstößen gegen das Financial Fairplay ablehnen. Nur so bliebe Arsenal die Chance, auch als Fünftplatzierter der Premier League in die Königsklasse nachrücken zu können. Bis auf Sheffield United haben sich alle Vereine der oberen Tabellenhälfte in der Premier League in einem Schreiben ans Cas gewendet, dass City die Teilnahme an der Champions League zur Planungssicherheit bis nach Abschluss des Berufungsverfahrens verwehrt bleiben soll.

Bei einem Saisonabbruch droht Arsenal sogar ein Erlösverlust in Höhe von circa 85 Millionen Euro. Unter den 20 weltweit umsatzstärksten Vereinen ist kein Klub so abhängig von den Stadioneinnahmen wie die Gunners. Angesichts der Transferaktivitäten im Vorsommer, bei denen Arsenal sich etwa ein 100-Millionen-Euro-Defizit leistete, wäre ein weiterer Aderlass nur schwer zu kompensieren.

Nach den gescheiterten Verhandlungen über eine ligaweite Gehaltsreduzierung für alle Spieler forderte die Chefetage des Klubs daher zuletzt von den Arsenal-Profis einen Nachlass um anderthalb Monatsgehälter, verteilt übers nächste Jahr. Der Verein bot an, die Hälfte davon zurückzahlen zu wollen, sollte sich das Team in dieser Spielzeit für die Europa League qualifizieren. Im Falle einer Champions-League-Teilnahme, hat der Klub angekündigt, würde er sogar ganz auf die Einsparmaßnahmen verzichten. Doch der Appell stieß auf wenig Zustimmung in der Mannschaft - und wurde am Ostermontag mehrheitlich abgelehnt. Das Vorgehen versinnbildlicht die anhaltende Vertrauenskrise zwischen den Vereinen in der Premier League und ihren Spielern.

Statt einer Kürzung der Bezüge, so ist bei Arsenal zu hören, würden die Spieler bloß eine Stundung ihrer Gehälter akzeptieren. Dazu verlangen die Profis die Zusage, dass das eingesparte Geld zur vollen Fortbezahlung der Klubangestellten verwendet werde und fragen nach, ob das Management um Fußballdirektor Raúl Sanllehi sich ebenso im Verzicht üben würde. Erst vor zwei Jahren hat sich der amerikanische Milliardär Stan Kroenke die verbliebenen Anteile am Klub gekauft.

Von den öffentlich gewordenen Unstimmigkeiten bei Arsenal profitiert am meisten der in die Kritik geratene Stadtrivale Tottenham Hotspur. Die Spurs hatten sich zuletzt das Ansehen ramponiert, indem nacheinander Torjäger Harry Kane, Klubchef Daniel Levy und Trainer José Mourinho mit ihrem Vorgehen den Verein in Verruf brachten. Während Kane mit vagen Aussagen seinen Verbleib bei Tottenham in Frage stellte, schickte Levy einen Teil der Belegschaft in Zwangsurlaub - und Mourinho hielt bei seinem Einzeltraining im Park mit Tanguy Ndombélé die vorgegeben Abstandsregeln nicht ein. Mourinho entschuldigte sich einen Tag später, bei Levy dauerte es zwei Wochen, bis er am Montag seine Entscheidung zurücknahm. Und Kane? Der teilt sich die Spekulationen um seine Zukunft nun mit Arsenals Pierre-Emerick Aubameyang.

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Quelle:
SZ vom 15.04.2020
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