Süddeutsche Zeitung

Armstrong-Rückkehr zur Tour de France:"Respektlose" Vorausfahrt

  • Lance Armstrong könnte zur Tour de France zurückkehren - für eine Charity-Aktion.
  • Ein früherer Fußballer hat den Dopingsünder überredet, einige Etappen mitzufahren.
  • In der Radsportwelt sorgt dies für Aufregung.

Von Jonas Beckenkamp

21 höllisch steile Serpentinenkehren sind es hinauf nach L'Alpe d'Huez, diesen Sehnsuchtsort der Radfahrer. Die Bergankunft aller Bergankünfte liegt auf 1850 Metern Höhe. Wer es nach oben schafft, den erwartet zwar eine hässliche Retortensiedlung, aber auch dieses erhebende Gefühl: ein Mensch, ein Berg, eine Genugtuung. Die Profis hetzen bei der Tour de France trotz 13 Prozent Steigung in einem Tempo hinauf, das Normalsterbliche schon in der Ebene nach Luft japsen lässt.

An diesem Berg entstehen Legenden, hier entscheidet sich, wer zur Selbstqual über alle Maßen fähig ist und wer nicht. Auch Lance Armstrong ist hier einige Male hochgehetzt und hat hübsche Sieger-Geschichten geschrieben. Wobei später herauskam, dass alles auf Lug und Betrug basierte. Doping und Armstrong - diese Verbindung gehört zum Kanon des modernen Radsports. Nun berichtet die britische Zeitung Mail on Sunday, dass Armstrong wieder an der Tour teilnehmen will. Auch auf Twitter wird der Texaner bereits eindeutig mit einer Rückkehr zur Tour in Verbindung gebracht.

In die Pedale strampeln möchte Armstrong diesmal nicht im offiziellen Fahrerfeld, sondern als Werbe-Vorbote einen Tag vor dem Peloton. Am wirksamsten wäre die Kletterei nach L'Alpe d'Huez hinauf, diesmal soll hier am vorletzten Tag der Tour die Entscheidung fallen und zumeist fahren Hunderte Hobbyradler vorher die Strecke ab.

Doch Armstrongs Plan sorgt in der Radsportwelt für Aufregung. Der Texaner ist seit seiner Überführung als Doper und seinem Geständnis im Jahr 2013 lebenslang für Wettkämpfe gesperrt. Um Titel darf er bei der Tour nie wieder radeln, aber privat kann er eigentlich tun und lassen, was er will. Doch ist er auch willkommen?

Der Betrüger Armstrong als vornewegfahrender Gutmensch bei der Tour de France - Brian Cookson findet das eine aberwitzige, gar "respektlose" Idee. Der Präsident des Welt-Radsportverbandes UCI sagte: "Das ist total unangemessen und ohne Respekt gegenüber der Tour, den Fahrern und denen, die gegen Doping kämpfen." Der Brite, der sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern entschiedener dem Anti-Doping-Kampf widmet, kann sich eine Wohltätigkeitsshow mit Armstrong nicht vorstellen: "Ich denke, Lance wäre gut beraten, daran nicht teilzunehmen."

Eingeflüstert hat Armstrong das Vorhaben der frühere englische Fußballprofi Geoff Thomas. Der 50-Jährige war einst ebenso wie der Amerikaner an Krebs erkrankt und kümmert sich heute um eine Stiftung, die sich dem Kampf gegen Leukämie widmet. Am Rande der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt (4. bis 26. Juli) will Thomas eine Million Pfund (rund 1,4 Millionen Euro) zusammenbekommen, indem er selbst einige Tage vor dem Peloton die komplette Tour vorausradelt - Lance Armstrong soll nun als Zugpfernd dienen.

"Ich bin vor einem Monat auf Lance zugegangen. Er war frustriert, dass er mit LiveStrong keine Krebshilfe mehr leisten konnte", sagte Thomas in einem Interview des Magazins Cyclingweekly. Bei seiner eigenen Stiftung musste Armstrong 2012 wegen des öffentlichen Drucks durch seine Doping-Historie aussteigen. Nach anfänglicher Skepsis habe der frühere Toursieger zugesagt, bei Thomas' Unternehmen mitzumachen.

UCI-Chef Cookson ist jedoch skeptisch, ob es dabei wirklich nur um die gute Sache gehen soll. Er habe generell nichts dagegen, Gelder für humanitäre Zwecke zu sammeln, "aber ich denke, Lance könnte dadurch neue Wege finden, für sich selbst Gelder zu generieren". Tatsächlich kämpft der frühere Toursieger mit Regressionsforderungen und musste gerade erst zehn Millionen US-Dollar (8,8 Millionen Euro) an einen früheren Sponsor, das Versicherungsunternehmen SCA, zahlen.

Cookson sagt, Armstrong könne jederzeit nach Frankreich kommen, um dort Rad zu fahren, aber dann hätte es nichts mit ihm, der UCI und am besten auch nichts mit der Tour zu tun. Die jahrelangen Lügen, die perfiden Methoden und die Verstrickungen des Amerikaners in ein weitreichendes Dopingsystem lassen sich wohl nur schwer mit einer luftigen Charity-Fahrt vereinen.

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