Arminia Bielefeld - TSV 1860 München:Lebenszeichen in Unterzahl

Erster Auswärtssieg nach achteinhalb Monaten: Die Löwen gewinnen durch ein Tor des eingewechselten Pappas bei Tabellenführer Arminia Bielefeld 1:0.

Ewald Lienen kam 1953 nicht weit entfernt von der Bielefelder Alm auf die Welt, im ostwestfälischen Schloss Holte, und als junger Fußballer spielte der heutige Trainer des TSV 1860 jahrelang für die Arminia. Vor dem Gastspiel in der Heimat war aber keine Gelegenheit, über gute alte Zeiten zu sinnieren - zu ernst ist die Zweitliga-Gegenwart der Löwen und noch viel ernster war und ist alles andere in diesem tristen Fußball-November in Deutschland.

Stefan Aigner (1860), Christopher Katongo (Arminia Bielefeld), dpa

Die Löwen zeigten sich beherzt im Mann-gegen-Mann-Spiel: Hier der Münchner Stefan Aigner (links) im Zweikampf mit Christopher Katongo von Arminia Bielefeld.

(Foto: Foto: dpa)

"Wir müssen das ausblenden", sagte Lienen am Freitagabend, unmittelbar vor dem Anpfiff in Bielefeld, er dachte noch einmal kurz an den verstorbenen Robert Enke, den er früher in Hannover trainiert hatte, und er fand "gar keine Worte mehr" für die neuesten wilden Gerüchte im Wettskandal.

Glücksmoment mit Seltenheitswert

Zwei Stunden später hellte sich die Welt für Lienen auf unerwartete Weise plötzlich auf: 1860 schaffte, ausgerechnet beim Tabellenführer, einen Stimmungsumschwung.

1:0 (0:0) gewannen die Löwen in Bielefeld, nach drei Niederlagen in Serie - durch ein Joker-Tor in Unterzahl, erzielt vom Griechen Charilaos Pappas (82.), den Lienen erst unmittelbar davor eingewechselt hatte, nachdem Stefan Aigner mit gelb-roter Karte des Feldes verwiesen worden war. Diesmal ging Lienens Taktik, auswärts defensiv kompakt zu agieren und vorne auf einen Glücksmoment zu hoffen, voll auf - anders als zuletzt in Cottbus.

Der Sieg war nicht unverdient. Und er fühlte sich sehr befreiend an.

Beim Spitzenreiter präsentierte Lienen mal wieder einen neuen Probanden: Marcos Antonio, 21, seit seiner Ankunft aus Brasilien im August noch ohne Einsatz, debütierte im linken Mittelfeld. Alexander Ludwig rückte ins defensive Mittelfeld, auch Routinier Sascha Rösler (offensiv) ergänzte überraschend die Startelf. Drei junge Löwen - Benjamin Schwarz, Dominik Stahl und Peniel Mlapa - fehlten aus der Anfangsformation vor der Länderspielpause.

Sieglos - aber bissig

Lienen wollte vor dem Spiel trotz des Dauerfrustes der vergangenen Wochen nicht einstimmen in die vielen apokalytpischen Analysen. "Ich höre immer: Wann legt ihr den Schalter um?", sagte er gehörig genervt, "dabei hat die Mannschaft läuferisch und kämpferisch zuletzt alles gegeben." Ja, Lienen erkannte in der wohlwollenden Nachbetrachtung gar einen "klaren Aufwärtstrend".

Die erste Halbzeit in Bielefeld war ein beherzter Beleg seiner Worte. Die Löwen ließen, ähnlich wie zuletzt in Cottbus, hinten wenig anbrennen und wirkten keineswegs verunsichert. Bissig stellten sich die auswärts seit achteinhalb Monaten Sieglosen den Zweikämpfen, taktisch geordnet gaben sie dem Tabellenführer keinen Raum zur kreativen Entfaltung.

Erst in der 34. Minute des Rasenschachs gab es die erste zarte Andeutung einer Torszene - für Sechzig. Nach einem Eckball hatte die Arminia-Abwehr Probleme, den Ball aus dem gefährdeten Luftraum heraus zu bugsieren. 1860-Torwart Gabor Kiraly führte derweil im eigenen Strafraum akrobatische Dehnübungen vor.

Kurz danach endete dessen beschäftigungslose Schonzeit. Ein Weitschuss des Bielefelders Janjic flog noch knapp über die Latte (40.), drei Minuten später war Kiraly dann als Akrobat in höchster Not gefragt: Nach einer Freistoßflanke kam Michael Lamey aus kurzer Entfernung zum Kopfball, Kiraly lenkte die Kugel mit einem sehenswerten Reflex über den Querbalken - da wäre er fast wieder gewesen, jener eine Moment der Unachtsamkeit in der Löwen-Abwehr (siehe Cottbus), der eine kompakte Defensivleistung zunichte machen kann. So aber pfiffen die Bielefelder Zuschauer zur Pause enttäuscht, es war Musik in den Ohren der Münchner.

Der flinke Grieche

In der 55.Minute klärte Bielefelds Torwart Dennis Eilhoff (seit Ende August ohne Gegentor!) knapp vor Löwen-Stürmer Benny Lauth. Dies geschah jedoch in einer Phase, als der Favorit etwas mehr Fahrt aufnahm, auch dank des eingewechselten Stürmers Pavel Fort. Betonung: etwas mehr! Wirklich Brenzliges widerfuhr der Sechzig-Abwehr nicht, doch plötzlich traf die grün gekleideten Gäste ein gelb-roter Blitz.

Stefan Aigner, zuvor schon verwarnt, foulte im Mittelfeld den Bielefelder Arne Feick und sah die Ampelkarte (70.). Lienen und Manager Miroslav Stevic waren nach der harten Entscheidung außer sich, sie fauchten an der Seitenlinie und fuchtelten mit beiden Armen.

Es war auf einmal überaus hektisch auf dem Rasen, Kiraly verlor eine bereits sicher abgefangene Freistoßflanke aus den Händen, weil er über einen am Boden liegenden Arminen stolperte, Lamey schoss den Ball ins leere Tor, der Schiedsrichter entschied aber auf Foul - zugunsten der Löwen (76.); Kiraly (Zeitschinden) und Rösler (Meckern) sahen im Fortgang der Szene gelb.

Danach wechselte Lienen, auffallend spät, zum ersten Mal: Der flinke Grieche Pappas ersetzte Ludwig (79.). Und der war keine drei Minuten auf dem Platz, als er nach gekonnter Vorarbeit von Lauth (Annahme mit der Brust, Pass aus der Drehung) der Bielefelder Abwehr enteilte und Eilhoffs Superserie ohne Gegentor jäh beendete (82.).

Dabei blieb es, nachdem Kiraly mit einer weiteren Glanzparade gegen Guela (84.) den Ausgleich verhinderte.

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