Süddeutsche Zeitung

Zweitligist Arminia Bielefeld:Überraschung nach der Überraschung

Arminia Bielefeld entlässt Trainer Uli Forte - nach nur vier Spieltagen. Der personelle Zickzackkurs hat den Klub bis auf den vorletzten Rang der zweiten Liga geführt. Sein Nachfolger kommt aus dem benachbarten Osnabrück.

Von Ulrich Hartmann

Die italienische Oper kennt viele wundervolle Stücke. Den Triumphmarsch aus Giuseppe Verdis Aida etwa oder die anrührende Arie "Vissi d'Arte" aus Giacomo Puccinis Tosca. Dem Italiener Ulrich Massimo Forte war das musikalische Vermächtnis seiner Heimat in dieser Woche im ostwestfälischen Exil allerdings kein Trost. "Fußball ist kein Wunschkonzert", teilte der 48 Jahre alte Fußballtrainer ernüchtert mit, nachdem er mit dem Zweitligisten Arminia Bielefeld in den ersten vier Spielen ausschließlich Kakophonien hingelegt hatte. Am Mittwoch ist er deshalb nach nur eineinhalb Monaten im Amt schon wieder beurlaubt worden. Zu seiner Gemütslage passt die Puccini-Arie nun besser als der Verdi-Marsch.

Es ist bloß ein halbes Jahr her, da war die Welt der Arminia noch in Ordnung. Die Tabelle wies den Traditionsklub auf Platz 14 aus, mit sechs Punkten Vorsprung vor den Abstiegsplätzen. Die Tabelle der ersten Liga wohlgemerkt. "Endlich wird mal wahrgenommen, was wir in Bielefeld leisten", sagte damals der Sportdirektor Samir Arabi und schrieb seine Schlauchbootmetapher über Arminias Außenseiterrolle im Rennboot-Wettbewerb der Bundesliga fort. Man fahre mittlerweile mit Außenborder, witzelte Arabi im Februar. Kurz darauf begann das Schlauchboot zu sinken.

Am 19. Februar hat die Arminia noch in der Bundesliga mit 1:0 gegen Union Berlin gewonnen. Es ist bis heute ihr letzter Liga-Sieg. In der vergangenen Saison folgten darauf elf Spiele mit acht Niederlagen und drei Unentschieden sowie der direkte Abstieg in die zweite Liga. In der zweiten Liga erlitt Bielefeld zum Auftakt nun vier weitere Niederlagen. Macht zusammen 15 sieglose Ligaspiele in Serie. Der Bundesliga-Absteiger, eigentlich ein Kandidat für den Wiederaufstieg, ist jetzt Zweitliga-Vorletzter.

Forte kam mit guten Referenzen aus Yverdon, aber er traf auf eine Mannschaft im Umbruch

Der neue Trainer, im Sommer gekommen vom Schweizer Zweitligisten Yverdon-Sport, erlangte nie jenen Zugriff aufs Personal, um den saisonübergreifenden Niedergang stoppen zu können. Das lag womöglich auch an komplexen Befindlichkeiten innerhalb des Kaders. Allein von den elf Startspielern, die am 19. Februar beim 1:0-Sieg gegen Union Berlin auf dem Platz gestanden haben, sind sieben nicht mehr da. Der Abstieg und der Weggang vieler relevanter Spieler haben die verbliebenen Fußballer in einer herausfordernden Situation zurückgelassen. Ohne Punkt und mit einem Torverhältnis von 2:9 treten sie am Sonntag beim Tabellenzweiten Heidenheim an. Dann bereits mit neuem Chefcoach: Aus dem benachbarten Osnabrück wechselt Trainer Daniel Scherning sofortig zur Arminia.

Dass der Saisonstart schwierig würde, war abzusehen gewesen. Der Torwart Stefan Ortega ist als Back-Up zu Pep Guardiolas Manchester City gegangen, die komplette Viererabwehrkette mit Cedric Brunner (Schalke), Amos Pieper (Bremen), Joakim Nilsson (St. Louis/USA) und Jacob Laursen (Lüttich) hat die Arminia verlassen, zudem gingen die Mittelfeldmänner Fabian Kunze (Hannover) und Alessandro Schöpf (Vancouver/Kanada) sowie der Flügelflitzer Patrick Wimmer (Wolfsburg).

Natürlich sind diese Spieler positionsgetreu ersetzt worden, aber weder der vormalige Ersatztorwart Stefan Kapino noch die Abwehr-Zugänge Silvan Sidler (Luzern), Frederik Jäkel (Leipzig), Oliver Hüsing (Heidenheim) und Bastian Oczipka (Union Berlin) konnten bislang Stabilität verleihen.

Auffällig ist zudem, dass die im Klub verbliebenen Angreifer Janni Serra, Fabian Klos, Masaya Okugawa und Robin Hack mit bloß zwei Treffern in den vier Auftaktspielen eine maue Quote herausschossen. Vom Japaner Okugawa wird erzählt, er würde eigentlich lieber in der Bundesliga spielen. Auch solche Unwägbarkeiten, zwei Wochen vor dem Ende der Transferperiode, tun dem Binnenklima womöglich nicht gut. "Wir benötigen einen Turnaround, und uns fehlte die Überzeugung, in der bestehenden Konstellation erfolgreich zu sein", sagte Arabi über die Gründe für die Freistellung des Trainers.

Eine Trainer-Entlassung nach nur vier Spielen passt durchaus zu Arabis Entscheidungsfreudigkeit. Im März 2021 hatte er überraschend den Trainer Uwe Neuhaus entlassen, im Herbst 2021 entließ er dessen Nachfolger Frank Kramer überraschend nicht, um ihn dann im April kurz vor Saisonschluss doch noch überraschend durch den überraschenden Interimstrainer Marco Kostmann zu ersetzen. Mit seiner Entscheidung für den eher unbekannten Forte überraschte Arabi im Sommer erneut, um nun mit dessen Entlassung zu überraschen.

Von Überraschungen haben die leidgeprüften Fans nun erst einmal genug. Sie haben sich an den emotionalen Zick-Zack-Kurs ihres Herzensklubs zwar längst gewöhnt, würden sich zur Abwechslung aber einfach mal wieder über einen ganz profanen Sieg freuen.

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