Süddeutsche Zeitung

Arminia Bielefeld:Nuancen statt Revolution

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Die ersten Äußerungen des neuen Bielefelder Trainers Frank Kramer lassen darauf schließen, dass es bei der Trennung von Uwe Neuhaus weniger um Sportliches als um Zwischenmenschliches gegangen ist.

Von Ulrich Hartmann, Bielefeld/München

"Arminia Bielefeld", sagte lobend der neue Trainer Frank Kramer, "ist ein Traditionsverein, der viele Leute mitnimmt." Mit diesem ersten Satz bei seiner Präsentation am Dienstag hat der 48-Jährige allerdings auf Anhieb einen wunden Punkt getroffen. Denn bei der jüngsten Entlassung des beliebten Trainers Uwe Neuhaus in einer nicht gerade apokalyptischen Tabellen-Situation hat der Klub viele Fans eher nicht mitgenommen. Es hat Kritik gehagelt. "Wir treffen Entscheidungen aber nicht nach Meinungen in Internet-Foren", wehrte sich der Sport-Geschäftsführer Samir Arabi. "Es ist ein mutiger Schritt, aber wir haben ihn einstimmig beschlossen", ergänzte der Geschäftsführer Markus Rejek und fügte hinzu: "Es gibt Momente, da muss man seiner Verantwortung nachkommen."

Das klang ein bisschen dramatisch, so als habe man den Klub vor kapitalem Schaden bewahren müssen. Um Fußball allein kann es bei Neuhaus' Freistellung auch nicht gegangen sein, denn Kramers vorsichtige Diagnose zum Bielefelder Spiel lautet: "Es geht nur um Nuancen, nicht um eine Revolution." Kramer soll außer dem Bundesliga-Klassenerhalt einen Umbruch im Kader bewerkstelligen helfen. Viele Spielerverträge laufen im Sommer aus. Arabi und Rejek würden die Arminia gern mehr zu einem Ausbildungsverein umgestalten. Talente sollen dann regelmäßig Transfererlöse einbringen. Das ist ein legitimes Geschäftsmodell zur Finanzierung von Profifußball. Dieses Modell, heißt es, lasse sich mit Kramer besser umsetzen als mit Neuhaus.

Kramers Referenz: Fünf Jahre Jugend- und Talentausbildung beim DFB sowie in Leipzig

Kramer war zwei Jahre Trainer der SpVgg Greuther Fürth. Er stieg 2013 mit ihr aus der Bundesliga ab, verlor 2014 mit ihr die Aufstiegsrelegation gegen den Hamburger SV und wurde im Februar 2015 in Abstiegsgefahr entlassen. In der zweiten Jahreshälfte 2015 scheiterte er als Zweitliga-Trainer in Düsseldorf an einem Generationswechsel im Fortuna-Kader und wurde nach nur fünf Monaten als Vorletzter entlassen. Seither widmete er sich drei Jahre lang beim Deutschen Fußball-Bund (U19, U20, U18) sowie zuletzt für zwei Jahre als Nachwuchs-Leiter bei RB Salzburg der Talentausbildung. Mit explizit dieser Referenz hat Arabi ihn nach Bielefeld geholt. Sein Vertrag gilt bis 2023, auch für die zweite Liga.

Langfristige Pläne sind gut - aber kurzfristig hat Bielefeld andere Sorgen. Die Mannschaft ist Drittletzter in der Bundesliga. Am Sonntagabend gegen Union Berlin und am Mittwoch darauf im Nachholspiel gegen Werder Bremen besteht die Chance, den Relegationsplatz Richtung Norden zu verlassen. Wenn's schlecht läuft, kann es allerdings auch Richtung Süden gehen, also nach unten. In Leverkusen sowie gegen Leipzig ergeben sich anschließend schwierige Aufgaben, bevor es Anfang April in Mainz zu so etwas wie einem ersten Endspiel kommen kann. Steigt Bielefeld mit Kramer ab, dann könnten Arabi und Rejek ein Imageproblem bekommen.

Kramer hat wenig Zeit, die Mannschaft vor der entscheidenden Saisonphase richtig kennenzulernen und ihr seinen Fußball beizubringen. Das birgt Gefahren, dabei soll der Trainer doch für einen Impuls sorgen. Unter Neuhaus hatte Bielefeld zuletzt zwar nur einen Punkt aus fünf Spielen geholt, zeigte grundsätzlich aber keine Anzeichen eines Zerfalls und hatte sich im Laufe der Saison auch schon mehrfach aus schwierigen Situationen befreit. "Wir glauben trotzdem, dass die Chance auf den Klassenerhalt in der neuen Konstellation besser ist", sagt Arabi. "Ich verstehe eine gewisse Unzufriedenheit der Fans, hoffe aber, dass sie unsere Entscheidung mit der Zeit nachvollziehen können."

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