Torwart Stefan Ortega:Zu gut für Guardiolas Bank

Torwart Stefan Ortega: Tränen zum Abschied: Stefan Ortega weint nach seinem letzten Spiel für Arminia Bielefeld.

Tränen zum Abschied: Stefan Ortega weint nach seinem letzten Spiel für Arminia Bielefeld.

(Foto: Friso Gentsch/dpa)

Mit Arminia Bielefeld ist Stefan Ortega in die zweite Liga abgestiegen - trotzdem sprechen große Klubs beim Torwart vor, auch der FC Bayern. Doch sein Weg führt wohl in die Premier League.

Von Philipp Selldorf

Laut Rudi Völler ist Vorsicht angebracht, wenn ein Torwart in der speziellen Noten-Rangliste des Kickers an vorderer Stelle steht. Gute Noten bekommt ein Torwart, der viel zu tun hat, doch wenn ein Torwart ständig viel zu tun hat, dann stimmt etwas nicht mit seiner Mannschaft, so Rudi Völlers selbstverständlich unbezweifelbar richtige Schlussfolgerung.

Doch nicht alle Experten sind erst mal misstrauisch, wie Stefan Ortega Moreno zurzeit erfährt. Der 29-jährige Torhüter hatte sich im Mai unter Tränen von seinem in die zweite Liga versetzten Stammklub Arminia Bielefeld verabschiedet, um die Karriere möglichst erstklassig fortzusetzen, und wie es aussieht, wird ihm das auch gelingen.

Vereine mit klangvollen Namen lassen sich von seinem dritten Platz in der Bestenliste der Torhüter (hinter Kölns Marvin Schwäbe und Bochums Manuel Riemann) nicht abschrecken. Die jüngst verbreitete Meldung, dass es zur Unterschrift beim englischen Meister Manchester City nur noch ein winziger Schritt sei, ist jedoch höchstens die halbe Wahrheit.

Ginge es bloß ums Geld, wäre er längst nach Saudi-Arabien gewechselt

Ortega könnte unterschreiben, wenn er wollte, aber er muss erst herausfinden, ob er das wirklich will: Als Nummer zwei hinter dem (zweiten) brasilianischen Nationaltorwart Ederson, 28, die Karriere auf der Reservebank fortzusetzen. Jetzt, da alle sehen, wie gut er ist. City bietet die Aussicht auf Titelgewinne, die Zugehörigkeit zu einem Spitzenteam von Weltrang, einen Vertrag mit standesgemäß luxuriöser Bezahlung und zumindest eine Handvoll garantierter Einsätze - eigentlich deutlich mehr, als der Torwart eines Bundesliga-Absteigers erwarten darf. Doch Ortega fragt sich, ob er mit 29 Jahren die Wettkämpfe vorwiegend als Zuschauer verfolgen möchte.

Ginge es bloß ums Geld, wäre der im hessischen Hofgeismar geborene Ortega nicht mit der Arminia in den Abstiegskampf gezogen, sondern im vorigen Sommer beziehungsweise vorigen Winter nach Saudi-Arabien gewechselt. Er hätte dort innerhalb von zwei Jahren ein Nettovermögen einspielen können, das für die Kinder und Kindeskinder gereicht hätte, aber er hat die wiederholten Offerten jeweils geradewegs abgelehnt.

Jetzt befindet er sich in einer Lage, da er seine Standhaftigkeit nicht bereuen muss. An guten Angeboten herrscht kein Mangel. Der Reihe nach haben die Bewerber schon vorgesprochen, darunter auch der FC Bayern, der sich schwertut, einen starken zweiten Torwart zu engagieren. Der Grund dafür ist der starke erste Torwart. Manuel Neuer, 36, gibt bekanntlich selbst unter Androhung von Gewalt keine Spiele an den Stellvertreter ab, weshalb der designierte Vize Alexander Nübel ins Exil nach Monaco verzogen ist. Ortega hatte keine Lust, Nübels Schicksal zu teilen. Für Schalke 04 hingegen hätte er sich begeistern können, doch sowohl die sportlichen wie die finanziellen Bedingungen in Gelsenkirchen sprachen dagegen.

Nach zehn Jahren in Bielefeld sowie drei Spielzeiten beim TSV 1860 (samt unseligem Ende) wird Stefan Ortega ins Ausland wechseln, nicht wie gewünscht nach Spanien, sondern nach England, so viel scheint vor der finalen Sondierung festzustehen. Aus der Premier League gibt es eine starke Nachfrage, dort ist man offenbar gut informiert. Dass selbst Citys anspruchsvoller Trainer Pep Guardiola Interesse zeigt, liegt ja nicht daran, dass er den Kicker liest, sondern an den objektiven Werten von Ortegas Auftritten: Bei der Anzahl von Ballkontakten - 57 pro Spiel - hat er in der Saison 2021/22 sogar Spieler wie Thomas Müller und Vincenzo Grifo übertroffen. Passquote hoch, Fehlerquote niedrig - Einwände erübrigen sich.

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