Arjen Robben:Das Ende des Vollsprints

Arjen Robben trifft gegen Real Madrid 2012 in der Champions League

Arjen Robben trifft gegen Real Madrid im Champions-League-Halbfinale 2012.

(Foto: Getty Images)
  • Arjen Robben beendet mit 35 Jahren seine aktive Fußball-Karriere und begründet den Schritt mit seiner Gesundheit.
  • Allein 17 Muskelverletzungen sammelte er nur in seiner Zeit beim FC Bayern seit 2009.
  • Der Niederländer war schon immer ein Spieler, der am körperlichen Maximum agierte.

Von Martin Schneider

Sein Körper macht nicht mehr mit und es wäre gelogen, wenn man sagen würde, man hätte es nicht geahnt. Arjen Robben war immer ein Fußballer am Maximum und Maximum bedeutete auch, dass er seinen Muskeln zu oft mehr zumutete, als sie aushielten. Schon die vergangene Bundesliga-Saison, die letzte in Robbens Karriere, verbrachte er damit, sich für zwei Spiele zurück zu kämpfen. Im Dezember meldete er sich mit Oberschenkelproblemen ab, die dauerten an, im Februar hieß es, man wisse nicht, woran es genau liegt. Robben wurden zwei Zähne gezogen, die man offenbar als Entzündungsherd ausgemacht hatte, aber die waren auch nicht der Grund. Es dauerte bis Mai, bis Robben wieder im Kader stand und als ihn ein Reporter fragte, ob er denn nun wisse, warum er so lange ausgefallen sei, lachte Robben bitter und fragte zurück: "Wie viel Zeit hast du?"

Robben ackerte sich für 23 Bundesliga-Minuten zurück. 23 Minuten gegen Frankfurt, in denen er die deutsche Meisterschaft gewann, seine achte, und noch einmal ein Bundesliga-Tor schoss, Nummer 99. Mit dem DFB-Pokal in der Hand sagte er dann Servus, es hieß, er würde sich eventuell seinem Heimatverein anschließen, dem FC Groningen, wo er von 2000 bis 2002 noch mit Haaren auf dem Kopf gekickt hatte. Aber Robben tat das, was er zuvor niemals tat: Er gab auf. "Zur Zeit bin ich fit und gesund", schreibt Robben in seiner Abschiedserklärung, mit der Betonung auf "Zur Zeit". 2017/18 schaffte Robben sieben Bundesliga-Spiele über 90 Minuten, vergangene Saison waren es noch zwei. Eine weitere Saison Profifußball und sei es in Groningen wollte er seinem Körper nicht mehr antun. Er sagt, es sei eine Entscheidung zwischen Herz und Verstand gewesen und der Verstand habe gewonnen.

19 Jahre lang hat er am Limit agiert, immer ohne Rücksicht auf sich selbst. Wenn er die Münchner Arena betrat, dann im Vollsprint aus dem Kabinengang, als könne man schon vor dem Spiel seinem Gegner davonlaufen. Für die Fans war der Robben-Sprint vor entscheidenden Spielen sowas wie der Startschuss. Das Signal: Dieser Spieler ist noch heißer auf das Match als wir. Manchmal sagen martialisch angehauchte Trainer, man müsse den Rasen in Brand stecken. Das hat Robben nie geschafft, aber oft genug dampfte seine Glatze. Der Robben-Sprint vor dem Spiel wurde in seiner Intensität nur noch übertroffen vom Robben-Sprint zur Einwechslung. Sachte ausgedrückt war Robben nicht immer zu einhundert Prozent damit einverstanden, wenn er nicht von Beginn an spielte. Bekam er dann das Signal zum Einsatz, kam zu seinem Ehrgeiz noch die Wut auf den Trainer hinzu. Das ein oder andere Rasenstück hat er beim Lauf zur Bank schon aus der Fröttmaninger Wiese getreten.

Einem Sprint von Robben folgte oft ein Sprint vom Vereinsarzt

Die Kehrseite dieses Wahnsinns war, dass jeder Zuschauer in der Münchner Arena in jeder Sekunde damit rechnen musste, dass bei einem dieser Sprints eine bis zum Anschlag angespannte Muskelfaser reißt. Einem Sprint von Arjen Robben folgte oft ein Sprint von Vereinsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Allein 17 Muskelverletzungen hat Robben nur in seiner Bayern-Krankenakte stehen, schwer zu sagen, welche die für den Verein bitterste war. Vielleicht die Adduktorenverletzungen 2016 und 2018, die ihm die Teilnahme an den Champions-League-Halbfinals gegen Atlético und Real Madrid verwehrten. Beide Semifinals verlor der FC Bayern denkbar knapp und natürlich bestreitet niemand, dass Arjen Robben einen Unterschied gemacht hätte.

Bereits bei seiner Verpflichtung 2009 auf Drängen des damaligen Trainers Louis van Gaal hieß es, Robben sei zu verletzungsanfällig. Das stimmte, er war in keiner einzigen Bayern-Saison verletzungsfrei, von der Konstanz eines Philipp Lahm, eines Thomas Müller oder eines Joshua Kimmichs konnte er nicht mal träumen. Aber wenn sein Körper die Fliehkräfte aushielt, die er ihm zumutete, dann bekam man eben einen Fußballer, der das Spieltempo auf ein neues Level hob. Am "Robben" - nach innen dribbeln und mit links ins lange Eck treffen - scheiterte auch deswegen jeder Verteidiger, weil Robben schlicht zu schnell war. Er hat das mal selbst erklärt. Der Verteidiger weiß eben nicht auf die Millisekunde genau, wann er schießen wird. Und wenn man es merkt, ist es zu spät. Eigentlich ist es ja das höchste, was ein Sportler erreichen kann: Der Gegner weiß genau, was man machen wird, und kann es trotzdem nicht verhindern.

Vielleicht nimmt er sich tatsächlich eine Auszeit

Was wird Arjen Robben nun tun? Neben seiner Besessenheits-Seite gibt es auch noch den Robben, der nach den Spielen auftritt. In der Analyse ist der Familienvater meist abwägend, reflektiert, weniger extrem als zum Beispiel Robert Lewandowski mit dem er sich über Jahre auf dem Platz ein Ego-Duell lieferte, weil beide uneingeschränkt der Meinung waren, zwingend selbst den Ball ins Tor schießen zu müssen. Robben weiß das auch, in seiner Abschiedserklärung schreibt er: "Spitzensportler sind bekannt für ihre egoistische Haltung, und ich war da keine Ausnahme." Dass dieser Egoismus zuweilen in unnötigen Schwalben gipfelte, schädigte sein Image mehr als alles andere.

Robben schreibt: "Es ist Zeit für das nächste Kapitel und ich freue mich darauf, mehr Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern zu verbringen und all die Schönheit zu genießen, die vor mir liegt." Vielleicht nimmt er sich tatsächlich eine Auszeit und kehrt dann wieder in den Fußball zurück. Der FC Bayern ist ja bekannt dafür, einen Platz für verdiente Akteure zu finden. Und der einzige Spieler, der in München vielleicht noch einen Tick mehr Ehrgeiz zeigte als Arjen Robben, war Oliver Kahn. Der wird jetzt bald Nachfolger von Karl-Heinz Rummenigge.

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