Arjen Robben gegen Deutschland:Umzingelt von den Münchner Kameraden

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Hollands Flügelmann Arjen Robben gelingt gegen seine deutschen Mitspieler vom FC Bayern nur sehr wenig - überall auf dem Spielfeld trifft er auf Widersacher, die jede klitzekleine Variation seiner Finten vorausahnen. Am Ende bleibt dem frustrierten Niederländer nur ein Andenken an diese Parte: eine triefende Wunde am Kopf.

Thomas Hummel

In München hat Arjen Robben nicht mehr viele Freunde. Viele Fans würden den bisweilen egozentrischen Flügelspieler nach den verschossenen Elfmetern in Dortmund und gegen Chelsea lieber heute als morgen loswerden. Beim Robben-Krankenkassen-Spiel der Niederländer beim FC Bayern pfiffen ihn viele der Münchner Zuschauer ordentlich aus.

Lahm obenauf, Robben am Boden. So sah es zumeist aus an diesem Abend. (Foto: REUTERS)

Dann erklärte vor dem EM-Vorrundenspiel zwischen Deutschland und Holland auch Bayern-Stürmer Mario Gomez das Ende der Kameradschaft: "Er ist nicht unser Mitspieler, er ist unser Gegenspieler. Deswegen wird er nicht unser Freund sein." Aber musste Holger Badstuber gleich so grob werden?

Nach 20 Minuten verpasste der Bayern-Abwehrspieler Arjen Robben in einem Luftduell von hinten eine Kopfnuss, der 28-Jährige musste mit einer blutenden Wunde am Seitenrand verarztet werden. Das war sicherlich keine Absicht von Badstuber, aber der Abschluss einer Erkenntnis: Vor allem die Bayern-Spieler in der deutschen Nationalmannschaft gingen an diesem Abend hoch motiviert in das Duell mit ihrem Mitspieler Robben, der diesmal das andere Trikot trug.

Das Duell des deutschen Linksverteidigers Lahm gegen den niederländischen Rechts-Angreifer Robben war zuvor als ein spielentscheidendes angekündigt worden. Und das war es auch. Aber nicht so, wie es sich Robben und die Niederländer vorgestellt hatten. Sondern so, wie es Lahm und die Deutschen wollten.

Robben hatte bereits beim Aufwärmen hinübergeblickt auf die andere Spielfeldseite. Dort entdeckte er ja nicht nur seinen Gegenspieler Lahm, sondern fast sein gesamtes Vereinsteam. Acht Bayern-Spieler bereiteten sich dort vor, sieben davon standen in der Startelf. Das konnte er einerseits als Vorteil begreifen, denn der Respekt vor ihm war größer, als hätte Joachim Löw sieben Dortmunder aufgestellt.

Lahm hatte vor der Partie mit leichter Ehrfurcht erklärt: "Man will sich immer mit den Besten messen, und Arjen ist einer der Besten." Andererseits musste man davon ausgehen, dass keine Mannschaft der Welt den Tempodribbler besser kennt, als diese DFB-Elf. Lahm, so dachte man, würde jede klitzekleinste Variation in Robbens Finten vorausahnen können.

Und sollte dieser ihn außen überlaufen oder umdribbeln, würde er auf Bayern-Innenverteidiger Holger Badstuber treffen. Würde er nach innen ziehen, dann sollte Bayern-Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger warten. Und wenn er zum Schuss käme, müsste Bayern-Torwart Manuel Neuer wissen, in welche Ecke der Ball fliegt.

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Genau so sah es dann auch aus. Vor allem Lahm steigerte sich zu seinem ersten Auftritt bei dieser EM gegen Portugal erheblich. In Lemberg (Lwiw) hatte er noch schwer geschnauft, hatte über ein schwieriges Spiel geklagt, weil er in der schwülen Luft kaum atmen konnte. Nun war die Luft in Charkow noch ein paar Grade wärmer, noch ein paar Kilo schwerer - dennoch lief Lahm wie befreit von allen Lasten über den Rasen.

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Den ersten Dribbel-Versuch Robbens stoppte er, beim zweiten lief er zwar hinterher, sah aber, wie seine Kollegen Mario Gomez und Badstuber zu Hilfe eilten. Diese beiden Situationen hoben das Selbstbewusstsein Lahms auf den gewohnten Stand, er fühlte nun, dass er an diesem Abend in der Ostukraine besser ist als Arjen Robben.

Das spürte auch Arjen Robben und wich in die Spielfeldmitte aus. Nach einem gelungenen Pass auf Robin van Persie streckte er seinen Daumen in die Höhe, wie er das immer macht, wenn er in eine halbwegs brauchbare Aktion eingebunden war. Für die Niederländer war Robbens Daumen allerdings viel zu selten zu sehen. Weil über Arjen Robben kaum etwas lief, lief in der Offensive insgesamt zu wenig. Van Marwijk schickte ihn bald auf links.

Doch auch dafür hatte Bundestrainer Joachim Löw vorgebaut: Robben traf dort auf Jérôme Boateng, den nächsten motivierten Bayern-Spieler. Robben wechselte wieder zurück, hin und her, in die Mitte, wo Badstuber wartete. Es half alles nichts: Er musste sich regelrecht umzingelt fühlen von all diesen Klubkameraden, die alles von ihm zu wussten. Ob sie auch wussten, dass ihr Mitspieler sich gerne in Schüsse es Gegners wirft? Zu vermuten wäre das, denn kurz vor der Halbzeit fälschte Robben einen Schweinsteiger-Freistoß beinahe ins eigene Tor ab.

Doch die Holländer hatten auch noch einen Plan B dabei: Arjen Robben überhaupt die Last zu nehmen, irgendetwas regeln zu müssen. Die Niederlande verfügt ja vermutlich über die einzige Nationalmannschaft, die auf einen Arjen Robben verzichten könnte, so viele hervorragende Offensivspieler stehen da im Kader. Nach der Pause kamen zuerst Klaas-Jan Huntelaar und Rafael van der Vaart, Robben war plötzlich umzingelt von lauter fähigen Mitspielern.

Und acht Minuten vor Schluss erlöste van Marwijk den Bayern-Stürmer endgültig von allen Lahms und Boatengs und Badstubers. Er wechselte ihn aus. Dabei sah man immer noch das rote Rinnsal an seinem Kopf von Badstubers Kopfstoß. Wenn das der Abgang des Arjen Robben bei dieser Europameisterschaft war, dann war es ein trauriger.

© SZ vom 14.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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