Arjen Robben:So legendär wie Stan Matthews

Arjen Robben: Mann mit einem besonderen Trick: Arjen Robben.

Mann mit einem besonderen Trick: Arjen Robben.

(Foto: AFP)
  • Mit Arjen Robben beendet ein legendärer Fußballer seine Karriere. Wie einst der Engländer Stanley Matthews baute er seine Karriere auf einem Trick auf.
  • Sein unbändiger Ehrgeiz hat Robben eine Weltkarriere beschert.
  • In Erinnerung bleiben wird er für eine Eigenart, die alle kannten und doch kaum jemand verteidigen konnte.

Von Christof Kneer und Benedikt Warmbrunn

Die Wege in der Karriere des Arjen Robben waren eigentlich immer vorhersehbar. Auf dem Spielfeld wählte er aber immerhin zwischen der Option, von rechts in die Mitte zu ziehen, sowie der zweiten Option, von rechts sehr weit in die Mitte zu ziehen, und egal, welche Option er wählte, meistens kam er dann zu einem Abschluss. Wenig überraschend war auch einer der letzten Wege, die Robben im Mai auf dem Vereinsgelände des FC Bayern gegangen ist. Dieser Weg führte ihn direkt ins Büro des Vorstandsbosses, er verzichtete dabei auf den Umweg, erst einmal in die Mitte zu ziehen. Robben, so erinnern sich gut informierte Personen aus dem Vereinsumfeld leicht amüsiert, bat Karl-Heinz Rummenigge um ein ernstes Gespräch. Der Trainer, Niko Kovac, habe ihm gegenüber angedeutet, dass im letzten Bundesliga-Spiel der Saison auf der rechten Seite Serge Gnabry beginnen dürfe, und nicht er, Robben, zehn Jahre lang Stammspieler.

Ob er, Rummenigge, sich nicht für ihn einsetzen könne?

Es war, ganz am Ende einer selten erfolgreichen Karriere, einer der wenigen Wege, bei denen der große Arjen Robben nicht zum Abschluss kam. Rummenigge mischte sich nicht ein, Kovac ließ Gnabry gegen Frankfurt beginnen und auch eine Woche später im Pokalfinale gegen Leipzig, und so blieben Robben nur noch einmal 23 und einmal 17 Minuten. Gegen Frankfurt erzielte er dabei das - zumindest aus Robbens Sicht - wichtigste Tor des Tages, wenn nicht gar der ganzen Saison, nämlich in der 78. Minute das zum 5:1-Endstand.

Auch in seinen letzten Tagen beim FC Bayern, auch im für einen Fußballer fortgeschrittenen Alter von 35 Jahren, ist Robben sich also treu geblieben. Auch in diesen letzten Tagen hat ihn das nicht verlassen, was ihn in all den Jahren ausgezeichnet hat: ein unbändiger, unverbesserlicher Ehrgeiz. Im Gespräch mit Rummenigge galt für Robben selbstverständlich nicht das Argument, dass er gerade fünf Monate lang verletzt gewesen war. Es war für Robben selbstverständlich auch kein Argument, dass der zwölf Jahre jüngere Gnabry eine starke Saison gespielt hatte. Und sowieso kein Argument war es, dass Kovac vielleicht den Meistertitel aufs Spiel gesetzt hätte, wenn er eine funktionierende Elf auseinander genommen hätte, um Robben einen würdevollen Abschied in der Münchner Arena zu bereiten.

Robben wollte spielen, von der ersten bis zur letzten Minute. Was sonst?

Dass Robben nun seine Karriere beendet hat, lässt sich auch mit der Episode dieses letzten Besuches im Vorstandsbüro erklären. Seinen legendären Ehrgeiz hat er nie verloren, und dieser Ehrgeiz war es nun auch, der ihm die Fortsetzung der Karriere unmöglich gemacht hat. Dass er die Bayern nach zehn Jahren verlassen würde, stand bereits seit Dezember fest, öffentlich gemacht von Präsident Uli Hoeneß, übrigens zur großen Verärgerung des Spielers selbst, und natürlich hat Robben jetzt auch noch mal geprüft, wie ein paar letzte Karrierejahre jenseits von München aussehen könnten. Natürlich gab es Folge-Szenarien, und bestimmt wäre jeder andere 35-Jährige glücklich, wenn er zwischen solchen Szenarien wählen könnte.

Aber Robben ist nicht jeder andere 35-Jährige. Er kann es mit seinem Ehrgeiz und seinem Selbstverständnis nicht vereinbaren, wenn er - Modell eins - noch zwei Jahre bei einem Mittelklasseklub spielt. Sein Jugendverein in Groningen etwa: War in der vergangenen Saison Achter in der Eredivisie, mit 41 Punkten Rückstand auf Meister Ajax Amsterdam.

Macht man das, als Robben? Eben.

Genauso wenig lassen Ehrgeiz und Selbstverständnis aber Modell zwei zu: vielleicht noch mal zu einem Topklub nach Manchester oder Turin zu wechseln, wo er in der Champions League für 17 oder 23 Minuten eingewechselt wird, um vielleicht ein Tor gegen den FC Bayern zu schießen.

Champions League schön und gut, ein Tor gegen Bayern auch, aber: 17 Minuten? Geht auch nicht, als Robben.

Robbens Ringen von Herz und Verstand

"Es ist ohne Zweifel die schwierigste Entscheidung, die ich in meiner Karriere treffen musste", sagte Robben daher am Donnerstag der Zeitung Telegraaf. "Mein Herz sagt ja, mein Körper nein."

Man muss sich das wohl so vorstellen: Robbens Kopf weiß genau, was sein Körper noch draufhat, nämlich die Modelle eins und zwei. Und Robbens Kopf weiß auch, dass ihm beides nicht genügt. Also hört er lieber auf.

Ein Mindset, wie Robben es besitzt, kann anstrengend sein, sowohl für den Besitzer als auch für die Menschen, die mit dem Besitzer des Mindsets umgehen müssen, aber es ist dieses Mindset, das Robben eine große Karriere geschenkt hat. Man muss das ja erst mal schaffen: mit einem einzigen Trick durch ein ganzes Berufsleben kommen. Aber was sollte man machen als Gegenspieler? Robben wollte halt immer so sehr, er wollte immer mehr als andere, zum Beispiel wollte er auch mit diesem Trick durchkommen, egal ob in einem Spiel gegen Real Madrid und den Fanklub Nabburg/Oberpfalz. Ja gut, und dann ist er also rechts am Flügel aufgebrochen und an seinen Gegnern vorbeigerannt, und dann hat er den Ball mit links ins Tor gewollt.

Arjen Robben war wie die Sonne. Von der Sonne weiß man auch, dass sie jeden Morgen im Osten aufgeht, und trotzdem ist man immer wieder fasziniert von ihr, wenn sie es wieder mal geschafft hat, im Osten aufzugehen. Okay, die Sonne hat im Laufe ihrer Karriere womöglich etwas weniger Muskelfaserrisse gehabt als Robben, vermutlich macht sie deshalb weiter. Robben hört auf, aber er kann das in dem Bewusstsein tun, dass er die bestmögliche Karriere aus seinem Körper herausgeholt hat. Er war ein Vollprofi, der auf der Massagebank lag, wenn die anderen ihre Social-Media-Kanäle mit Müll befüllten, und wenn die anderen eine Party feierten, war er daheim bei seiner Familie. Robben war der Stehaufsprinter unter den Fußballprofis, nach jeder Blessur kam er noch besser und noch schneller zurück als vorher, und nicht immer wusste man so genau, wie er das jetzt wieder gemacht hatte.

Robben wird begreifen, dass es in der Rückschau spektakulär egal ist, ob er gegen Leipzig 17 oder 23 Minuten gespielt hat. Er wird merken oder bereits wissen, dass er eine Legende ist. Sein legendärer Robben-Move - auf den Gegner zuwackeln, scharf nach links abbiegen, parallel zum Strafraum rennen, ausholen, wackeln, zögern, ausholen, schießen, ins Eck treffen - ist ein choreografisches Gesamtkunstwerk aus Tempo, Technik, Balance und Gespür für den richtigen Moment und wird für immer unerreicht bleiben.

Es gibt nicht viele Spieler, die mit einer einzigen Aktion in Erinnerung bleiben, Robben ist der moderne Stan Matthews. Der große Engländer hat in den Fünfzigerjahren den sog. Matthews-Trick erfunden, der - vereinfacht gesagt - auf "links antäuschen, rechts vorbeigehen" (oder umgekehrt) basiert und ebenfalls ein choreografisches Gesamtkunstwerk darstellt. Auch Matthews baute seine ganze Karriere um diesen einen Trick herum, den alle kannten und keiner verhindern konnte.

Stan Matthews spielte Profifußball, bis er 50 war. Aber er machte am Ende eben das, was Arjen Robben nicht kann: Er ging noch mal zu seinem Heimatverein Stoke City zurück, in die zweite englische Liga.

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