Arjen Robben:Der moderne Stan Matthews

Bayern München - Benfica Lissabon

Wenn Arjen Robben so zum Schuss kommt, fällt oft ein Tor: zum Beispiel das 1:0 gegen Lissabon.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wie der große Engländer, so baut auch Arjen Robben seine ganze Karriere auf einen Trick auf, den alle kennen und niemand verhindern kann.

Von Christof Kneer

Wenn der unverwüstliche Arjen Robben, 34, einmal seine Karriere beendet (also so in zehn, zwölf Jahren), dann wird bestimmt jemand seine besten Karriereszenen zusammenschneiden. Robben ist ein spektakulärer Spieler, aber ob ein "Best of Robben" auf dem Markt Erfolg hätte, darf man schon bezweifeln. Beim Konsumenten könnte sich schnell eine gewisse Produktenttäuschung einstellen, verbunden mit der Frage: Warum Geld bezahlen, um sich die immer gleiche Szene anzusehen?

Robben hat also rechts draußen den Ball, dann dribbelt er, hyperaktiv wackelnd, auf den/die Gegenspieler zu, biegt plötzlich scharf links ab, ohne den Blinker zu setzen oder in den Rückspiegel zu schauen; dann läuft er parallel zur Strafraumlinie, begleitet von einem oder mehreren Gegenspielern, denen die Panik im Gesicht steht. Es ist der immer gleiche Moment, in dem den Verteidigern schrecklich bewusst wird, dass sie ihr zweites Paar Beine in der Kabine gelassen haben. Das eine Paar Beine bräuchten sie, um neben Robben herzurennen und das andere Paar, um Robben zu stören oder vom Ball zu trennen. Und während die Verteidiger mit ihrer Verzweiflung beschäftigt sind, holt Robben, weiter wackelnd, mit links aus und schießt. Es ist der immer gleiche Moment, in dem der Ball vermutlich gelangweilt die Augenbraue hebt und denkt: Ach Gott, das jetzt wieder, na gut, wenn's sein muss. Und dann fliegt und fliegt der Ball, fast immer ins entfernte Eck, und die Spannung für den Ball besteht nur noch darin, ob er oben im Winkel landet oder unten im Eck oder mehr so mittendrin.

Aus minimalen Variationen dieser Szene werden die Robben-Highlights bestehen, manchmal wird Robben ein rotes, manchmal ein weißes Trikot tragen, und seine Gegenspieler werden manchmal für Dortmund und Bremen, manchmal aber auch für Benfica Lissabon spielen.

Am Dienstagabend hat Robben seine Bayern-Jahre noch mal bündig zusammengefasst, sein 1:0 (13.) gegen Lissabon war die übliche Schau, mit dem Unterschied, dass ihm beim Weg durch die ersten drei Gegenspieler hindurch ein wenig der Zufall half. Und das 2:0 (30.) unterschied sich vom Standard-Robben dadurch, dass er etwas zentraler als sonst zu seinem hibbeligen Dribbling aufbrach und den Ball, mutmaßlich zu dessen Erleichterung, diesmal ins kurze Eck hieb.

Arjen Robben hat eine Kunstform entwickelt, die nur ihm allein gehört, und das Bemerkenswerte an diesem Robben-Move ist, dass ihn jeder kommen sieht und niemand verhindern kann. Man sieht dem dunklen Himmel ja auch an, dass gleich der Wolkenbruch kommt, aber den Müll kann man bestimmt noch schnell rausbringen, bevor's losgeht - denkt man und ist schon pitschpatschnass. Auch Robbens Gegenspieler wissen, dass es gleich passiert, aber sie wissen nie, wann - manchmal verzögert Robben den Schuss, manchmal zuckt er zweimal mit dem Schussbein und schießt erst beim dritten Zucken. Robben hat ein untrügliches Gespür für den Moment: Er schießt meist dann, wenn der Verteidiger gerade einen Schritt macht und nicht abwehrbereit ist.

Robben ist der moderne Stan Matthews. Der große Engländer hat in den Fünfzigerjahren den sog. Matthews-Trick erfunden, der - vereinfacht gesagt - auf "links antäuschen, rechts vorbeigehen" (oder umgekehrt) basiert und ein choreografisches Gesamtkunstwerk aus Tempo, Technik, Gewichtsverlagerung und Balance darstellt. Auch Matthews baute seine ganze Karriere auf diesem einen Trick auf, den alle kannten und keiner verhindern konnte. Matthews spielte übrigens Profifußball, bis er 50 war - auch etwas, was Robben durchaus nachahmenswert finden dürfte.

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