Arjen Robben beim FC Bayern:Vitalisiert vom Ego-Shooter

FC Bayern München - Manchester United

Arjen Robben war wohl nie so gut wie derzeit beim FC Bayern.

(Foto: dpa)

"Ü-ber-ra-gend", sagt selbst Pep Guardiola: Der FC Bayern erhält seine unbändige Offensivkraft von Unikaten wie Arjen Robben, die sich über jedes System erheben. Der Holländer demonstriert in der Champions League, dass er sich wie kein Zweiter in ein schwieriges Spiel hineinfräsen kann.

Von Klaus Hoeltzenbein

Selbst auf der Ehrenrunde war er schneller als die anderen. Er geht ja nicht, er macht auch dann noch einen Power-Walk, wenn andere sich bereits erholen. Wirft sich ins Hohlkreuz, Tippelschritte, Armschlenkern - hierhin jubeln, dorthin, Dante umarmen, Lahm herzen, Kroos umarmen. Eine Art Jubel-Akkord. Und alles im ärmellosen roten Unterhemd.

Das geworfene Trikot mit der "10" hatte sich irgendwo im Publikum verfangen und den Zustand der entfesselten Glückseligkeit, der in dieser Nacht nicht nur das Stadion, der die ganze Stadt befallen hatte, noch verstärkt. Dieser Zustand hatte ein Gesicht. Jenes von Arjen Robben, geprägt von einem Dauergrinsen, beseelt von einem Bekenntnis: "Das sind die Spiele, dafür spielst du Fußball. Das macht mir so Spaß. Dafür lebst du, dafür trainierst du."

Es war zunächst ein Spiel der zwei Geschwindigkeiten. In einem Tempo war Robben unterwegs, in einem anderen alle Übrigen. Das führte zu Missverständnissen. Zu Irritationen. Kopfschütteln. Doch am Ende der Nacht war es ihm gelungen, dem Spiel sein Tempo aufzuzwingen. Nachdem die Bayern im Schlafwagen-Modus aus der Halbzeit gekommen waren, zog er die Lokomotive.

"Eine Katastrophe" nannte Robben später jene zwölf Minuten zwischen Wiederanpfiff und dem Augenblick, in dem der Gewaltschuss des Franzosen Patrice Evra zum 0:1 in den Münchner Torwinkel rauschte. Während die ManUnited-Spieler sich nicht lösen wollten aus ihrer Feiertraube, trieben Torwart Neuer und Robben die Bayern wild gestikulierend zum Anstoß an die Mittellinie.

Sekunden später war Robben zwar nicht unmittelbar beteiligt am bestechend einfachen Flanke-Tor-Ausgleich von Franck Ribéry und Mario Mandzukic, indirekt aber hatte er einen hohen Anteil. Nicht er hatte sich dem Spiel angepasst, endlich hatte sich das Spiel der Bayern ihm angepasst, endlich fanden sie Tempo und Haltung, und damit zu klaren Wegen in den zuvor verbauten Strafraum. "Ü-ber-ra-gend!", so adelte Trainer Pep Guardiola den Einfluss des Quirls aus den Niederlanden auf den gesamten Abend, dabei jeden Buchstaben genüsslich auf der Zunge rollend.

Der Spanier hat den Münchnern ein neues System zugeschnitten, das kompliziert ist, und in dem sie etwas den Faden ver- loren hatten nach all den Personal-Rochaden und drei sieglosen Spielen. Mancher schien sich im neuen Netzwerk nicht zurechtzufinden, doch an der Person Robben war erneut festzumachen, weshalb der FC Bayern nun schon im dritten Champions-League-Halbfinale in Serie steht: Es sind diese Unikate, Spieler, die ohne Beispiel sind, die Lösungen finden, indem sie sich aus jedem System erheben.

Scheitern als Ansporn

Noch in der Vorsaison, unter Jupp Heynckes, galten Ribéry/Alaba (links) und Robben/Lahm (rechts) als die wohl beste Flügelzange, die die Welt je gesehen hatte. Guardiola aber hat die Flügel gestutzt, hat die Wege von Alaba und Lahm neu gezeichnet, jetzt suchen Ribéry und Robben meist in ihren Soli nach Lösungen. Ribéry tastet sich zwar mehr und mehr in den Wettkampf hinein, wirkt aber nach einer Gesäß-Operation wegen eines Blutergusses, der er sich Anfang Februar unterzog, immer noch reserviert in seinen Aktionen.

Robben wiederum versteht es, sich ins Spiel hineinzufräsen. Guardiola war begeistert ("Immer geht, geht, geht"), auch wenn manche Trippel-Dribbel-Aktion verpuffte. Bisweilen sieht man dann noch eine Missfallensgeste der Kollegen, eine Handbewegung, ein Augenrollen, doch nicht mehr.

Es hat lange gedauert, inzwischen aber weiß die Mannschaft, dass der 2009 von Real Madrid abgeschobene Flügelflitzer auch das Scheitern als Ansporn braucht, um an seiner Präzision zu feilen. Sie wissen, dass er zurückzahlt, manchmal spät, wie mit seinem Siegtor in der 89. Minute im Mai im Finale gegen Dortmund.

Damals war er auf ähnlichem Laufweg unterwegs wie am Mittwoch bei seinem Tor zum 3:1. Es ist der ausgetretene Pfad, jeder Verteidiger kennt ihn, von Manchester bis zu den Molukken. Jeder, wirklich jeder weiß, was passiert, wenn Robben rechts antäuscht und dann nach innen zieht. Als würde er den Blinker setzen. Oft bleibt er im Verkehr stecken, und manchmal braucht er die Hilfe einer gegnerischen Fußspitze, diesmal jener von Nemanja Vidic, damit der Ball im Netz landet. Aber längst ist diese Aktion ein Klassiker - verblüffend und unwiderstehlich.

Diese Aktion hat Robben exklusiv, sie hat ihm aber auch den Ruf des Ego-Shooters eingetragen. Desjenigen, der nur sein Solo liebt, der nicht abspielt, obwohl andere warten. Nahezu demonstrativ dafür, dass diese Phase überwunden ist, wirkte Tor zwei der Bayern, als Robben für Thomas Müller servierte.

Mit rechts! Dabei hieß es stets, er habe das rechte Bein nur, um das Gleichgewicht zu halten. Bastian Schweinsteiger, der gesperrte Kollege, habe ihn noch im Abschlusstraining aufgezogen, so Robben: "Er macht sich immer lustig über mein rechtes Bein." Im Jubel drehte Robben ab zur Tribüne, grüßte dorthin, wo er Schweinsteiger vermutete: "Hier hast du einen mit dem rechten Bein!", lautete die Botschaft. Der Ego-Shooter hat geliefert.

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