Arjen Robben bei der Fußball-WM:Dribblings wie ein D-Zug

Arjen Robben bei der Fußball-WM: Don't stop me now: Chiles Charles Aranguiz auf der Verfolgung von Arjen Robben

Don't stop me now: Chiles Charles Aranguiz auf der Verfolgung von Arjen Robben

(Foto: AP)

Drei Tore, eine Vorlage: Arjen Robben ist der wohl spektakulärste Spieler der Vorrunde. Dabei liegen die Stärken des Niederländers nicht nur im Offensivspiel, wie die WM-Analyse des Tages zeigt.

Von Johannes Knuth

Arjen Robben feierte alleine. Ballte die Hände, sprang ein paar Mal vor der Fankurve auf und ab. Dann breitete er die Arme aus, um seine Gefolgschaft in Empfang zu nehmen, allen voran Torschütze Memphis, der gerade das 2:0 für die Niederlande gegen die Chilenen erzielt hatte. Wobei Robbens Jubelchoreographie eher den Eindruck nahelegte, er habe dieses Tor geschossen, ganz alleine.

Zu Robbens Verteidigung muss man anführen: Gefühlte 95 Prozent dieses Treffers durfte er tatsächlich für sich beanspruchen. Der 30-Jährige war mal wieder wie ein 100-Meter-Sprinter durch die Mittagshitze von Curitiba Richtung chilenisches Tor gespurtet, er ließ seine Verfolger kurz näherkommen, wartete, bis Mitspieler Memphis den gegnerischen Strafraum betreten hatte, verschärfte das Tempo wieder, sein Querpass passierte Chiles Torwart und Verteidiger - 2:0, ein perfekt orchestrierter Konter.

Würde der Fußball-Weltverband Fifa einen Preis für den besten Spieler der Vorrunde ausloben, er müsste ihn an Arjen Robben vergeben. Wohl kein Spieler prägte den Auftritt einer Mannschaft in der Gruppenphase bislang derart nachhaltig. Drei Tore und eine Vorlage stehen bislang in seinem Zwischenzeugnis, aber Robbens Leistung kann man nicht nur anhand von Scorerpunkten messen.

Der 30-Jährige ist das zentrale Element der niederländischen Konter. Er überspurtet mit Ball die meisten Verteidiger, die ohne Ball unterwegs sind. Er schießt den Ball auch dann noch gefährlich aufs Tor, wenn er von fünf Gegenspielern umzingelt ist. Und während Robben die Aufmerksamkeit der Abwehr genießt, schafft er Räume für seine Mitspieler, er ignoriert sie gerne, spielt ab und zu aber doch einmal einen Pass wie in der Nachspielzeit gegen Chile - und nutzt die Freiheiten, die ihm Trainer van Gaal zugesteht, auch zugunsten der Mannschaft.

Van Gaal hat den Holländern für die Fußball-WM eine Defensivkur verordnet. Er schickt sie meist in einem 5-3-2 beziehungsweise 3-5-2 aufs Feld. Das verschafft Robben und Van Persie viel Platz im vorderen Drittel des Spielfelds. Entsprechend lustvoll tobt sich Robben in der gegnerischen Hälfte aus, wie seine Heatmap gegen Spanien zeigt (Daten von unserem Dienstleister Opta):

Meist nimmt Robben in der eigenen Hälfte Anlauf, spurtet über den halben Platz, zieht nach links, wartet, bis die Verteidiger zur Grätsche ansetzen, und nimmt dann die rechte Torecke ins Visier. Dieses Robben-Muster hat sich mittlerweile bis in die Fußball-Kreisklasse herumgesprochen. Der Wissensvorsprung hilft den Verteidigern nur wenig, wenn sie sich ohne Ball noch immer langsamer fortbewegen als Robben mit Ball.

Vor dem 5:1 gegen die Spanier, seinem zweiten Tor der Partie, hatte Robben am Mittelkreis etwa fünf Meter Rückstand auf Sergio Ramos, der den Ball sichern wollte. Sekunden später war Robben am Ball, etwa fünf Meter vor Ramos. 37 Stundenkilometer schnell soll der 30-Jährige bei diesem Spurt gewesen sein, das wäre WM-Rekord (der Topwert von 100-Meter-Weltrekordhalter Usain Bolt liegt bei etwa 44 km/h). Wobei im Spielbericht der Fifa für Robben lediglich ein Höchstwert von 31 km/h vermerkt war.

Robben ist jedenfalls auffallend schnell unterwegs, von der ersten bis zur 94. Minute. Gegen Australien schüttelte er auf dem Weg zum 1:0 vier Verteidiger ab. Gegen Chile stürzten sich ebenfalls drei, manchmal vier Gegner auf ihn, während seine Teamkollegen ohne Eskorte im Strafraum warteten. In der ersten Hälfte und für weite Strecken der zweiten Hälfte ignorierte Robben seine Mitspieler stur. Doch das änderte nichts daran, dass sich die gegnerische Verteidigung ständig vor einem Zuspiel auf Robbens Kollegen hüten muss. Wie in der 91. Minute gegen Chile.

Im dritten Gruppenspiel wurde auch deutlich, dass Robben sich nicht nur in der eigenen Hälfte aufhält, um ein Zuspiel zu fordern und dann Tempo aufzunehmen. Oft klaut er sich den Ball (siehe "Ballsicherungen", gelbe Dreiecke in der Grafik) für seine Eroberungszüge (Dribblings, grüne Dreiecke) selbst:

So sinnlos manche "Man of the Match"-Auszeichnungen der Fifa manchmal anmuten, dass die Wahl nach dem Spiel gegen Chile auf Robben fiel, war verdient. Letzterer lobte vor allem seinen Trainer. Van Gaal habe einen "goldenen Willi", sagte Robben, niederländisch für "goldenes Händchen", dann fügte er an: "Er weiß einfach, was er tut. Er richtet die Taktik immer optimal auf die Spieler aus." Vor allem auf den Spieler Arjen Robben.

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