Argentinien schlägt DFB:Maradona gewinnt den letzten Zweikampf

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Eine mutlose DFB-Elf geht ernüchtert ins WM-Jahr. Sie war den Argentiniern in allen Belangen unterlegen - sogar in der Pressekonferenz.

Thomas Hummel

Einmal noch wurde Thomas Müller rüde von den Argentiniern gestoppt. Und diesmal nicht von einem der profanen Linksverteidiger wie Gabriel Heinze oder Clemente Rodriguez. Nein, dieses letzte Mal nahm ihn seine Fußballheiligkeit selbst aus dem Spiel: Diego Maradona.

Der Trainer der argentinischen Nationalmannschaft hatte sich in die Mitte des Podiums im Presseraum des Münchner Stadions gesetzt, hinter ihm drückten sich ein paar Leute vorbei, weil die DFB-Abteilung auch Thomas Müller auf das Podium geholt hatte. Es ging eine Weile hin und her, wer wo sitzen sollte, auch der Übersetzer suchte seinen Platz.

Maradona blickte missmutig über seine Schulter, als ihm jemand klarmachte, dass da ein deutscher Spieler neben ihm Platz nehme. Ein deutscher Spieler? Wie? "Ich gebe keine Pressekonferenz, wenn ein Spieler neben mir sitzt", sagte Maradona ins Mikrofon. Stand auf und ging. Im deutschen Lager entstand nun peinliche Unruhe, die argentinischen Pressevertreter lachten laut, und am Ende beendete der 20-jährige Thomas Müller seine erste Pressekonferenz als Nationalspieler damit, wieder aus dem Raum geschoben zu werden. Diego Maradona kehrte zurück.

Es war der letzte von vielen Zweikämpfen an diesem Abend, den ein Argentinier klar für sich entschied. Maradonas Spieler hatten den mit vielen jungen Profis angetretenen Deutschen in der Münchner Arena routiniert und robust ein Stoppschild vor die Nase gehalten. Bei gutem Willen kann man den Schuss des eingewechselten Stuttgarters Cacau nach 77 Minuten als einzige Torchance der Gastgeber durchgehen lassen, ansonsten hatten sie keinen Weg und kein Mittel gegen diesen Gegner gefunden. Den Argentiniern reichten deshalb zwei, drei klare Aktionen, mit denen sie den deutschen Defensivverbund aushebelten, eine davon nutzte Gonzalo Higuaín von Real Madrid zum 1:0 (45.).

Argentinische Qualitäten

Bundestrainer Joachim Löw hatte tagelang vor den Qualitäten der Argentinier gewarnt und fühlte sich nun bestätigt: "Wenn sie den Ball gewinnen, dann kannst du die Sekunden zählen, bis sie vor dein Tor kommen. Es kommt ein Pass in die Tiefe und sie sind weg." Seinem Torwart René Adler wollte er deshalb erst gar keinen Vorwurf machen, auch nicht seinem Innenverteidiger Per Mertesacker, der viel zu weit aufgerückt war und Gegenspieler Higuaín nur noch hinterherhecheln konnte.

Dieses Gegentor nahm Löw hin wie eine höhere Gewalt, seine Analyse in den Stadion-Katakomben begann er mit dem positiven Detail: Seine Mannschaft sei in der Defensive "ordentlich gestanden". Doch je länger er redete, umso mehr kam auch Löw nicht um die Missstände herum, die seine Mannschaft gezeigt hatte. Je mehr Löw redete, desto mehr Missstände sprach er aus. Seine Mannschaft habe offensiv keinen Druck entwickeln, den Gegner nicht zu Fehlern zwingen können. Er habe vorne keine Anspielstationen gesehen, in den Zweikämpfen seien seine Spieler häufig unterlegen gewesen. Er habe kein Tempo gesehen und keinen Mut, zu viele Rück- und Querpässe, statt entschlossenes Spiel nach vorne. Fazit: "Es gibt noch die ein oder andere Baustelle."

Dabei machte es vor allem vor der Pause den Eindruck, als habe sich Löws Respekt vor dem Gegner mit einer Macht in die Köpfe der Spieler geschlichen, dass diese sich gar nicht trauen konnten, den Argentiniern eine offene Schlacht zu bieten. Bastian Schweinsteiger zum Beispiel wollte so sehr seine defensive Eignung im zentralen Mittelfeld beweisen, dass er seine Qualitäten im Angriffsspiel dabei glatt vergaß. Gleiches galt für die offensive Mittelfeldreihe Thomas Müller, Lukas Podolski und Mesut Özil: Keiner versuchte, mit einem Risikosprint nach vorne, die argentinische Abwehr zu beschäftigen, es schien, als warteten alle nur auf den Ballverlust, um schnell wieder die vorgeschriebene Defensivposition einzunehmen.

Ernüchtert bis gedrückt

Selbst Debütant Müller (als Maradona fertig war, durfte er doch noch aufs Podium) erklärte seine Überraschung über den Spielverlauf: "Es war ein anderes Spiel als beim FC Bayern. Da sind wir es gewohnt, selbst das Spiel zu machen." Das war sicher nicht als Kritik am Bundestrainer gemeint, gab aber Einblick in die abgesprochene Taktik.

Und so verabschiedeten sich die Nationalspieler ernüchtert bis gedrückt aus diesem Abend: "Wir haben uns zu sehr auf die Defensive konzentriert und zu viel Respekt gezeigt", klagte Kapitän Michael Ballack. Der ungewohnt schwache Philipp Lahm analysierte: "Wir sind nicht die Mannschaft mit der höchsten Qualität."

Gott ist Argentinier

Diego Maradona kam bei seinem Team erwartungsgemäß zu einem anderen Ergebnis. "Wir waren hier in Deutschland in allen Facetten des Spiels überlegen. Das ist eine Nachricht", sagte der 49-Jährige. Dabei nutzte er die Gelegenheit, sich bei seinen Kritikern, die ihm während der schwachen WM-Qualifikation zusetzten, zu revanchieren: "Auch wenn es der argentinischen Presse nicht gefällt: Wir werden eine gute WM spielen. Diese Mannschaft kann nach 24 Jahren wieder für Argentinien Weltmeister werden."

Die letzte Frage nutzte ein argentinischer Journalist dann aber, die Wogen zu glätten: Bevor er sie stellte, sagte er: "Wir müssen Gott danken, dass Sie Argentinier sind." Maradona war zufrieden.

Im Video: Die deutsche Fußball-Nationalelf ist mit einer Niederlage in das Weltmeisterschaftsjahr gestartet.

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