Fußball in Argentinien:Menotti soll das Chaos entwirren

Cesar Luis Menotti

César Luis Menotti während einer Gala der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur im Jahr 2009 in Nürnberg.

(Foto: dpa)
  • Der 80-jährige César Luis Menotti soll zum 1. Februar als Direktor des argentinischen Fußballverbandes AFA alle Auswahlmannschaften desselben unterstellt bekommen.
  • Doch das Chaos zu entwirren, das Argentiniens Fußball seit Jahren plagt, mutet wie eine titanische Aufgabe für jüngere Kräfte an.
  • Entscheidend dürfte sein, ob Menotti einen Nenner mit Lionel Messi findet.

Von Javier Cáceres

César Luis Menotti, der argentinische Weltmeistertrainer von 1978, hatte ein - gelinde gesagt - gespaltenes Verhältnis zum Fußballverband AFA seines Landes. Nach seiner Entlassung im Dezember 1982 mied er die Geschäftsräume der AFA gut 36 Jahre lang, erst vor ein paar Monaten ging er wieder hin, um ein Bild abzuholen. Am Montagabend (Ortszeit) war die Verblüffung in Argentinien umso größer, als die AFA eine Versöhnung der besonderen Art verkündete: Der legendäre Fußball-Intellektuelle soll zum 1. Februar als AFA-Direktor alle Auswahlmannschaften des Verbandes unterstellt bekommen. "Eine Bombe", schrieb die argentinische Sportzeitung Olé am Dienstag.

Man kann nur erahnen, welche Genugtuung Menotti verspürt haben muss. Schon seit Jahrzehnten staunt er darüber, dass er von ausländischen Journalisten und Fachkräften wie der modernen Trainer-Ikone Pep Guardiola (früher FC Bayern, heute Manchester City) um Rat gebeten wird. Auch bei der Neuausrichtung des deutschen Fußballs spielte er eine Rolle im Hintergrund. Bei der WM 2006, so erzählt es der Menotti-Schüler Jorge Valdano, verließ der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann diskret das Teamlager, um sich mit Menotti stundenlang über taktische Fragen auszutauschen. Der Argentinier, den Klinsmann bei Sampdoria als Trainer kennengelernt hatte, war damals als TV-Experte in München.

Nun soll Menotti nichts weniger als die von der AFA ausgerufene "Neugründung" des argentinischen Fußballs beaufsichtigen. Mit 80 Jahren. Oder soll er nur als Blitzableiter dienen, eine dekorative Figur abgeben? So erging es Menottis Widersacher, dem unheilbar erkrankten Carlos Salvador Bilardo, der 1986 mit Diego Maradona Weltmeister wurde, von 2008 bis 2014.

Ex-Nationalcoach Menotti wird Direktor für Auswahlteams

Argentiniens Hoffnungsträger ist 80 Jahre alt: César Luis Menotti.

(Foto: dpa)

Über den Nationaltrainer sagte Menotti jüngst, er kenne weder ihn noch dessen Projekt

Charme hat diese argentinische Besinnung auf die Quellen dennoch. Kaum einer hat sich so viele Gedanken um die fußballerische Identität seines Landes gemacht wie Menotti, der das Schlagwort von "La nuestra" prägte (in etwa: unser Fußball). Er hatte damit Erfolg, allerdings vor 50 Jahren. Erst revolutionierte er mit CA Huracán den argentinischen Fußball, dann läutete er als Nationalcoach 1974 einen "Prozess" ein, der in den WM-Titel von 1978 mündete. Sein Diskurs hat sich seither nicht verändert, er spricht noch immer bevorzugt in Metaphern, entlehnt Bilder aus der Welt der Musik und Literatur. Letztmals trainierte Menotti 2007 eine Mannschaft, in Mexiko.

Andererseits: Das Chaos zu entwirren, das Argentiniens Fußball seit Jahren plagt, mutet wie eine titanische Aufgabe für jüngere Kräfte an. Die Entscheidung des umstrittenen Verbandschefs Claudio "Chiqui" Tapia, Menotti zu aktivieren, wirkt wie der Versuch, das Pferd inmitten eines reißenden Stroms von hinten aufzuzäumen. Unter anderem, weil Menottis Handlungsspielraum beschränkt ist: Als Trainer der A-Mannschaft findet er Lionel Scaloni vor, der 2018 nur deshalb ins Amt kam, weil kein anderer verfügbar war. Von Scaloni sagte Menotti jüngst, er kenne weder ihn noch dessen Projekt. Womöglich erinnert sich Menotti eines Mannes, der sehr gut spanisch spricht und den er seit der WM 2006 als mutigen Revolutionär schätzt: Klinsmann.

Entscheidender wird wohl sein, ob Menotti einen Nenner mit Argentiniens bestem Spieler des Jahrhunderts findet, Lionel Messi. Der Kapitän des FC Barcelona hat noch nicht erklärt, ob er seine nach der WM 2018 in Russland begonnene Auszeit im Nationaldress beenden will. Mit Messi hat Menotti nie persönlich gesprochen. In der Radiosendung Era por abajo verglich er Messi gleichwohl mit dem legendären Gitarristen Paco de Lucía. Wer mit diesem redete, hätte nie geahnt, dass er sich auf der Bühne in ein Genie verwandeln würde - wie Messi, erzählte Menotti. Die nächste große Bühne wird zurzeit in Brasilien präpariert. Dort steht im Juni die Copa América an.

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