Arena-Auszug:"Mir ist nur wichtig, dass es mit dem Auszug klappt"

Arena-Auszug: Angebot und Nachfrage: Das Grünwalder Stadion bietet derzeit nur 12 500 Plätze.

Angebot und Nachfrage: Das Grünwalder Stadion bietet derzeit nur 12 500 Plätze.

(Foto: Claus Schunk)
  • Der TSV 1860 München plant mit einer Rückkehr ins Grünwalder Stadion für die kommende Regionalliga-Saison.
  • Mit dem FC Bayern muss zunächst über die Auflösung der bis 2025 gültigen Arena-Verträge verhandelt werden.
  • Sollte Investor Hasan Ismaik die fälligen Abstandszahlungen nicht begleichen, droht der 1860-KGaA die Insolvenz.

Von Gerhard Fischer, Markus Schäflein und Philipp Schneider

Roman Beer, der Fußball-Abteilungsleiter des TSV 1860 München, der das Buch "Kultstätte an der Grünwalder Straße" geschrieben hat, schätzt das Unverwechselbare. "Die neuen Stadien sind doch alle irgendwie ähnlich", findet der Architekt. "Aber man wohnt doch auch lieber in einem tollen Altbau mit seinem eigenen Stil als in einem gesichtslosen Fertighaus."

Wie das so ist, wenn in München ein Altbau zum Bezug steht, ist der Andrang groß. Die Mitarbeiter der Ticketabteilung haben beim TSV derzeit viel zu tun - sie müssen nach Art der Immobilienmakler eine vorläufige Absage nach der anderen erteilen. Seit die Anhänger wissen, dass ihr in die Regionalliga abgestürzter Klub wieder im Stadion an ihrem Sehnsuchtsort spielen will, wollen sich viele von ihnen so schnell wie möglich eine Dauerkarte sichern. Die Spielstätte mitten im Stadtteil Giesing fasst schließlich nur 12 500 Zuschauer, zum Vergleich: In der vergangenen Saison setzte der TSV für die Fröttmaninger Arena 10 000 Dauerkarten ab.

Doch die Fans müssen sich noch gedulden, denn abgesehen vom festen Willen, dort zu spielen, ist bisher wenig geklärt. Am Freitagabend vermeldete der Klub immerhin, die Lizenz für die Regionalliga Bayern erhalten zu haben; in den Unterlagen wurde mit dem Grünwalder Stadion als Spielstätte geplant.

Die Verhandlungen mit der Stadt München, der das Stadion gehört, dürfen die geringste Hürde sein. Die Konditionen sind bereits festgelegt, sie gelten für jeden Mieter gleichermaßen. 8,5 Prozent der Brutto-Einnahmen sind pro Spiel als Miete abzuführen, dazu werden 650 Euro fürs Einschalten des Flutlichts fällig. Von den Werbeeinnahmen müssen 50 Prozent an den Kölner Werbeflächen-Vermarkter Stroer abgeführt werden, mit dem die Stadt München einen Vertrag fürs Grünwalder Stadion geschlossen hat.

Ausbau der Westkurve 2018/19?

Komplizierter gestalten sich die Gespräche über die Auflösung der noch bis 2025 gültigen Arena-Verträge, insbesondere, was das Catering betrifft. Unter der Woche trafen sich der neue 1860-Geschäftsführer Markus Fauser, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, Jan-Christian Dreesen, und Arena-Geschäftsführer Jürgen Muth. "Herr Fauser befindet sich in guten Gesprächen mit dem FC Bayern", sagt 1860-Präsident Robert Reisinger, "mir ist nur wichtig, dass es mit dem Auszug klappt."

Dass der Auszug so vielen Menschen so wichtig ist, hat seinen Ursprung am 28. Mai 1966. Es war ein grauer Tag. Es regnete, es war kühl, und wer keine Termine hatte an diesem Samstag, zog sich morgens die Decke über den Kopf. Außer er war Löwenfan. Löwenfans gingen natürlich ins Grünwalder Stadion, wo ihre Radi-Grosser-Brunnenmeier-Mannschaft deutscher Meister wurde. Rudi Brunnenmeier brachte den TSV 1860 mit einem abgefälschten Schuss in Führung, und es passte zu diesem geschichtsträchtigen Tag, dass noch eine Legende treffen durfte: Uwe Seeler machte das 1:1 für den Hamburger SV, aber das war nicht weiter schlimm für die Löwen - das Remis reichte, um Erster zu werden.

Im Grünwalder Stadion jubelten 44 000 Zuschauer, und die Fans in der geliebten Westkurve waren vom Regen genauso nass wie die Spieler. Jene Westkurve ist derzeit teils gesperrt - einzelne Bereiche sind baufällig. Die Ultras werden in der kommenden Spielzeit womöglich ohnehin auf der überdachten Gegengerade Platz nehmen, ihrem von den bisherigen U21-Spielen angestammten Platz; für die Spielzeit 2018/19 ist dann eine intensivere Nutzung der Westkurve angedacht, die einen Ausbau auf über 15 000 Plätze ermöglichen würde.

Der FC Bayern spielt eine entscheidende Rolle

Wer über den Mythos Grünwalder Stadion nachdenkt, landet automatisch bei jenem Spiel 1966. Es ist eben das Meisterstadion der Löwen. Und es gibt viele Fans, die davon erzählen können, dass der Vater, der Opa, der Onkel beim 1:1 gegen den HSV dabei gewesen sind. Und das Stadion ist zwar seit 80 Jahren im Besitz der Stadt, aber es wurde 1911 vom TSV 1860 errichtet. 1920 sahen 8000 Zuschauer das Spiel der Löwen gegen den MTV 1879, 1926 bauten es die Sechziger zu einem Großstadion aus, das 35 000 Zuschauer fasste. Seitdem ist es oft umgebaut worden, aus der Stehhalle wurde in den Siebzigerjahren die Gegengerade, aber die Grundsubstanz blieb stets erhalten - und damit auch der Charme dieses Stadions, das eines der ältesten in Deutschland ist.

Eine reine 1860-Heimat wird aber auch das Grünwalder Stadion nicht werden; auch dort müssen sich die Löwen die Spielstätte mit den Bayern teilen. "Stand heute werden sowohl die U23-Regionalliga-Mannschaft als auch die Frauen weiterhin im Stadion an der Grünwalder Straße spielen", teilte der FC Bayern München auf Anfrage mit, "das kann sich aber nächste Woche ändern." Denn dann werden die Gespräche über den Arena-Auszug der Löwen fortgesetzt.

Der Kreis schließt sich

Am wahrscheinlichsten ist das Szenario, dass die Bundesliga-Frauen künftig in dem 2500 Zuschauer fassenden Stadion im neuen Nachwuchszentrum spielen werden, wohingegen die Regionalliga-Mannschaft weiterhin in Giesing spielen dürfte. Das neue Mini-Stadion am Campus im Münchner Norden soll am 1. August offiziell in Betrieb genommen werden.

Es schließt sich ein Kreis: Wieder spielt der FC Bayern, der dazu beitrug, dass der Lokalrivale mit dem gemeinsamen Arenabau in eine dauerhafte Finanz- und Sinnkrise und letztlich in die Abhängigkeit von Investor Hasan Ismaik getrieben wurde, eine entscheidende Rolle für die Zukunft des TSV. Die spannende Frage ist, wie hoch die Abstandszahlungen sein werden, die der FCB und das Cateringunternehmen für die Auflösung des noch bis 2025 datierten Mietvertrags fordern. Zu den vielen Altlasten - unter dem vom Ismaik eingesetzten Geschäftsführer Anthony Power sollen zahlreiche Rechnungen liegen geblieben sein, dazu stehen noch Abfindungen aus - dürfte also ein weiterer Posten kommen.

Und sollte Ismaik diese gesammelten Verbindlichkeiten genauso wenig bedienen wollen (oder können) wie am Schwarzen Freitag, als er die 11,3 Millionen Euro für die Drittligalizenz nicht stellte, hat Geschäftsführer Fauser nur eine Wahl: Er muss einen Insolvenzantrag für die KGaA stellen, von dem sich ja manche eine Zukunft ohne Ismaik erhoffen. Nicht im Fertighaus, sondern im Altbau.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: