ARD-Sportskandal:Sporthilfe-Vorsitzender soll zurück treten

Nach einer Razzia bei der Sporthilfe wird dem Vorsitzenden Grüschow der Rücktritt nahe gelegt.

Von Thomas Kistner

Hans-Ludwig Grüschow war am Mittwoch nicht mehr gesprächsbereit für die Öffentlichkeit. Für den Gesellschaftsbereich also, dessen Licht der Vorsitzende der Stiftung Deutsche Sporthilfe in den vergangenen Jahren besonders gesucht und genossen hat - so sehr offenbar, dass er sich auf fragwürdige Geschäftsverbindungen mit zumindest einem Medienschaffenden eingelassen hat.

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Der Vorsitzende der Sporthilfe: Hans-Ludwig Grüschow

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Der heißt Wilfried Mohren, war bis vor kurzem Sportchef des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) und sitzt nun in U-Haft, die Staatsanwaltschaft Dresden wirft ihm Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall vor. Mohren soll unter anderem öffentlich-rechtliche Sendezeit gegen Bezahlung verkauft und sportlich unbedeutende Veranstaltungen über Gebühr ins Programm gehoben haben.

Am Dienstag war eine vom Frankfurter Korruptionsexperten Wolfgang Schaupensteiner angeführte zwanzigköpfige Eingreiftruppe auf Ersuchen der sächsischen Antikorruptionseinheit Ines im Hauptquartier der Sporthilfe eingerückt, in einer fast zehnstündigen Durchsuchungsaktion wurde nach Unterlagen zum "Fall Mohren" gefahndet.

Mohren als Medienbotschafter

Grüschow hatte, in einem offenkundigen Alleingang, wie seine Vorstandskollegen bereits rügen, Mohren als so genannten "Medienbotschafter" angeheuert; von Anfang 2003 bis Anfang 2005 sollen laut Sporthilfe-Sprecher Hans-Joachim Elz insgesamt 45.000 Euro an den MDR-Mann geflossen sein.

Dafür habe Mohren "Gegenleistungen erbracht", erklärte Grüschow der SZ vergangene Woche. Dem Stiftungschef war auch bekannt, wie Mohren auf das ihm unterstellte MDR-Personal eingewirkt habe: "Er hat seine Leute zum Thema Sporthilfe hingeführt, hat Athleten dazu befragt. Er hat darauf geachtet, dass das Sporthilfe-Logo im Bild gezeigt wurde." Was sich als bezahlte redaktionelle Eingriffe interpretieren ließe, liegt allerdings nicht im Fadenkreuz der Strafermittler.

Die wollten, erklärte Grüschow nun seinem Vorstandskollegen Hans-Wilhelm Gäb, Verträge und Abrechnungen sehen, welche es aber offenbar nicht gibt, zumindest nicht in ausformulierter Form. Fündig wurden die Ermittler demnach auch nicht in Grüschows Privatdomizil, das ebenfalls durchsucht wurde; Grüschow selbst wollte dazu keine Angaben machen. Eine andere Frage ist, was die in Frankfurt und bei insgesamt 16 Razzien bundesweit beschlagnahmten Akten hergeben.

Keiner weiß derzeit Bescheid über die Beschaffenheit des Mohren-Deals, in der Sporthilfe geht Angst um, dass mit heiklen Papieren wie Spendenquittungen hantiert worden sein könnte. Immerhin wussten die Vorständler nichts von den Zahlungen an Mohren - das wirft die Frage auf, wie diese in den Jahresabrechnungen verbucht wurden.

Indes misst der Sporthilfe-Chef ("Wenn ich Vereinbarungen abgeschlossen habe, dann nur mit konkreten Gegenleistungen") den Vorgängen noch nicht dieselbe Brisanz bei wie seine Kollegen. Dabei hat Grüschow mit Mohren bereits 1997 einen Vertrag für den Energiedienstleister Techem geschlossen (auch danach wurde nun gefahndet).

Bis März 1999 war Grüschow bei der Techem AG Vorstandschef, bis 2003 Aufsichtsratschef. Zwischen 1997 und 2005 überwies Techem etwa 100 000 Euro an Mohren, pro Quartal 3200 Euro. Mochte sich Grüschow an die Mohren-Techem-Vereinbarung zunächst nicht erinnern, räumte er vergangene Woche dann ein, diesen Vertrag selbst geschlossen zu haben.

Dringlichkeitssitzung fand nicht statt

Schon da blinkten bei erschütterten Vorstandskollegen wie Gäb und Grüschows Stellvertreter Bernd Rauch die Warnlampen. Ihr Drängen auf eine Dringlichkeitssitzung sei jedoch abgeperlt, bedauert Gäb; für Grüschow standen gesellschaftliche Tage bei den Bayreuther Festspielen auf dem Programm.

Nun soll der Krisenstab der Sporthilfe Freitag oder Samstag tagen, gestern glühten alle Drähte. Am Morgen hatten Rauch und Gäb vereinbart, Grüschow den Rücktritt nahe zu legen, "es ist ja eine Situation entstanden, in der die Sporthilfe geschützt werden muss", sagt Gäb.

Weil die beiden allerdings starke Zweifel haben, dass Grüschow den Ernst der Lage erkannt hat, wollen sie den Vorsitzenden schon vor der Vorstandssitzung überzeugen. "Dieser schwere Gang wird wohl auf uns zukommen", sagt Gäb.

Grüschow lehnt Rücktritt bisher ab

Leicht wird das womöglich nicht. Auf die Frage, ob er Rücktrittsgedanken hege, reagierte Grüschow gestern empört: "Ich doch nicht. Wir müssen die Sache im Auge behalten. Da sind jetzt staatsanwaltschaftliche Untersuchungen, und in dieser Zeit kann man nichts sagen und nichts tun - um es mal ganz klar zu sagen."

Anzunehmen ist trotzdem, dass ein Hauen und Stechen beim Krisentreff auf Vorstandsebene vermieden wird. Dieses Interesse vermuten Gäb und Rauch auch bei der Vertreterin des Bundesinnenministeriums in der Sporthilfe, Staatssekretärin Ute Vogt. Die Vorständler wollen von Grüschow wissen, warum er die Kooperation mit Mohren im Alleingang unternahm und prüfen, ob ihn die Geschäftsordnung dazu berechtigte.

Außerdem, sagt Gäb, müssen "sämtliche Papiere und Verträge auf den Tisch". Rauch fordert "schonungslose Transparenz, egal, in welche Richtung sich die Dinge entwickeln". Dass es in Richtung einer neuen Sporthilfe-Führung geht, das ist seit der Razzia im Förderzentrum des deutschen Sports klar.

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