Doping:Ein Schutz, um sicher reden zu können

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Doping-Prozess gegen Mark Schmidt (mi.) in München: Ins Rollen gekommen durch einen Kronzeugen (Foto: dpa)

Die Bundesregierung will eine Kronzeugenregel in das Anti-Doping-Gesetz aufnehmen. Wie vielversprechend das ist, wird von der Ausgestaltung abhängen.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

In München ist dieser Tage das beste Beispiel dafür zu sehen, welche Folgen es haben kann, wenn ein Sportler vor Strafermittlern über Doping-Machenschaften auspackt. Seit einem Vierteljahr läuft dort vor dem Landgericht II der Prozess gegen den früheren Sportmediziner Mark Schmidt und mögliche Komplizen. Im Vorjahr war ein mutmaßlicher Blutdopingring aufgeflogen, ein weit verzweigtes Netzwerk quer durch diverse Sportarten und Nationalitäten, und mit jedem Gerichtstag tun sich immer neue Abgründe und Verästelungen auf. Am Anfang dieses ganzen Prozesses namens "Operation Aderlass" stand aber, dass der frühere österreichische Langläufer Johannes Dürr, 33, bei den Ermittlern aussagte.

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Der Fall Dürr ist freilich erstens ein Spezialfall und zweitens eine Ausnahme. Denn in Deutschland gibt es zwar seit fünf Jahren ein Anti-Doping-Gesetz, das dopenden Spitzensportlern Strafen androht. Aber es hat nach Ansicht vieler Experten und Strafermittler einen gravierenden Mangel: Es fehlt eine sportspezifische Kronzeugenregel, die Doper motiviert, aus der abgeschotteten Sportszene auszubrechen und die Hintergründe zu offenbaren.

Nur drei Staatsanwaltschaften haben einen Doping-Schwerpunkt

Das dürfte sich nun bald ändern. Am Mittwoch präsentierten drei Bundesministerien - Justiz, Innen, Gesundheit - einen Evaluierungsbericht des Anti-Doping-Gesetzes, der auf dem Gutachten zweier Sachverständiger beruht. Zu deren zentralen Erkenntnissen gehört, wie notwendig eine Kronzeugenregel ist - und diese will die Bundesregierung umsetzen. "Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass wir weitergehen müssen: Wir wollen eine spezifische Kronzeugenregelung schaffen, um die Insider zu schützen, die mit ihrem Wissen Doping offenlegen", sagte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gab die Empfehlung ab, die Idee "zeitnah noch in dieser Legislaturperiode" umzusetzen.

Wie vielversprechend die avisierte Kronzeugenregel sein kann, wird auch von ihrer konkreten Ausgestaltung abhängen. Als zweite Konsequenz aus der Evaluierung des Gesetzes soll es künftig mehr Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften für Doping geben. Aktuell sind es nur drei: München, Freiburg und Zweibrücken.

Interessant ist daneben, dass die Ministerien anderen Empfehlungen der Sachverständigen - Elisa Hoven (Universität Leipzig) und Michael Kubiciel (Universität Augsburg) - nicht folgen. Die Arbeit der Experten fußt auf dem Studium aller Verfahrensakten mit Doping-Bezug der vergangenen Jahre und 18 Expertengesprächen. Dabei haben sie herausgearbeitet, dass als Folge der aktuellen Gesetzeslage die Staatsanwaltschaften sich sehr viel mit dem Dopingbesitz bei Athleten fernab des Hochleistungssports beschäftigen. "Aktuell werden zu viele Ressourcen auf den Freizeitsport und den Bodybuilder-Bereich verwendet. Wir halten es für sinnvoll, das Anti-Doping-Gesetz stärker auf strafwürdige Fälle von Doping im Wettkampfsport zu fokussieren", sagt Kubiciel der SZ.

Ein anderer Punkt betrifft den Täterkreis: Bisher droht bei einem Verstoß gegen das Selbstdoping-Verbot nur den Sportlern eine Strafe, die zum Testpool der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) gehören oder die mit dem Sport Einnahmen von "erheblichem Umfang" erzielen. Das sind derzeit ungefähr 8000 Athleten. Die Sachverständigen monieren diesen Zustand. Denn beispielsweise bei deutschen Einzelmeisterschaften in Sportarten wie Judo entstünden so Situationen, dass bei einem Wettkampf ein Athlet, der unters Anti-Doping-Gesetz fällt, auf einen Athleten trifft, der nicht vom Anti-Doping-Gesetz betroffen ist.

Die Sachverständigen plädieren daher dafür, den Täterkreis auszudehnen. "Wenn man die Integrität des Wettbewerbs schützen will, ergibt die Beschränkung auf den Testpool keinen Sinn", sagt Strafrechtsexperte Kubiciel - und die Beschränkung auf nicht unerhebliche Einnahmen wiederum ziehe einen hohen Aufwand für die Ermittler nach sich.

Dieses Problem, so heißt es jetzt von Seiten der beteiligten Ministerien, würde man dort auch sehen. Aber die Lösungsvorschläge der Sachverständigen seien nicht geeignet. Deshalb würde man diese Frage nun prüfen.

© SZ vom 03.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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