Anti-Doping-Experte Sörgel:"DOSB kann nicht so tun, als ob es nicht schlimm wäre"

Sotschi 2014 - Pharmakologe Fritz Sörgel

Pharmakologe Fritz Sörgel im Labor (Archivbild)

(Foto: dpa)

Die positiv getestete Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle beteuert, sie habe nicht bewusst gedopt. Fritz Sörgel hat daran Zweifel. Im Gespräch erklärt der Anti-Doping-Experte, weshalb er die Reaktion des Deutschen Olympischen Sportbundes für bedenklich hält.

Interview: Lisa Sonnabend

Evi Sachenbacher-Stehle ist während der Olympischen Spiele positiv auf das Stimulans Methylhexanamin getestet worden. Sie sagt, dass die Substanz nicht bewusst genommen habe - und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) folgt ihrer Sicht der Dinge. Fritz Sörgel, Pharmakologe aus Nürnberg, sieht dies ein wenig differenzierter.

Süddeutsche.de: Es gibt einen Dopingfall in der deutschen Olympia-Mannschaft - überrascht Sie das, Herr Sörgel?

Fritz Sörgel: Der DOSB, allen voran Michael Vesper und Alfons Hörmann, haben vor und während der Spiele immer gesagt, sie haben alles Menschenmögliche getan, um Dopingmissbrauch auszuschließen. Nun sieht man: Alles, was der DOSB für menschenmöglich hält, scheint eben nicht auszureichen. Evi Sachenbacher-Stehle wäre zwar nicht die Sportlerin, auf die ich als erste gekommen wäre, wenn ich hätte tippen müssen. Doch überrascht bin ich nicht, auch weil sie ja 2006 in Turin wegen ihrer Blutwerte auffiel.

Sachenbacher-Stehle sagt, sie habe "zu keinem Zeitpunkt bewusst verbotene Substanzen genommen". Für wie wahrscheinlich halten Sie das?

Ich wüsste nicht, was die Grundlage dafür sein sollte zu glauben, sie hätte es unabsichtlich gemacht. Profi-Sportler werden ja permanent darauf hingewiesen, bei den Nahrungsergänzungsmitteln achtzugeben. Das nährt natürlich schon gewisse Gedanken. Das Pendel geht ganz klar ein bisschen mehr in Richtung bewusste Einnahme.

Was sind die Indizien für Ihre Annahme?

Ein Mentaltrainer soll ihr die Nahrungsergänzungsmittel gegeben haben, und ein Mentaltrainer könnte durchaus zu Stimulanzien eine gewisse Affinität haben. Hinzu kommt, dass Methylhexanamin in der EU verboten ist, also hat man es recht aktiv beschaffen müssen. Die Substanz bleibt relativ lange im Körper - vielleicht hat sie sich einfach verrechnet?

Wie profitiert ein Athlet von Methylhexanamin?

Stimulanzien sorgen dafür, dass ein Mensch seine Leistungsgrenzen überschreitet. Die mentale Grenze wird aufgehoben: Was halte ich durch? Wann gebe ich auf? Gebe ich mir noch einmal einen Kick?

Vesper und Hörmann betonten am Samstagmorgen, dass sie sicher sind, Sachenbacher-Stehle habe das Mittel nicht absichtlich genommen.

Sie sind Sportfunktionäre, sie müssen sich in gewisser Weise hinter ihre Sportler stellen. Aber es ist unklar, wie sie darauf kommen. Zu sagen, das kann gar kein richtiger Dopingfall sein, finde ich völlig daneben. Als absolut daneben finde ich dabei eine Bemerkung von Vesper. Er sagte: "Wir sprechen nicht von Heroin." Das zeigt die Verharmlosung des Falls. Der DOSB kann nicht so tun, als ob es nicht schlimm wäre.

Wie hätte der DOSB Ihrer Meinung nach stattdessen reagieren sollen?

Wir sind sehr schnell im Verurteilen von ausländischen Sportlern, wenn sie mit solchen Dingen erwischt werden. Da sollte man bei den eigenen schon auch konsequent sein. Der Fall ist ein klarer Beweis dafür, dass wir in Deutschland künftig verdammt vorsichtig sein sollten, mit dem Finger auf andere zu zeigen.

In Sotschi sind mittlerweile fünf Sportler wegen Dopings erwischt worden. Zeigt das, dass das Testsystem funktioniert?

Nein, das spiegelt nicht das tatsächliche Bild wider. Erwischt werden in der Regel nur diejenigen, die wenig professionelle Berater haben. Die aufgeflogene ukrainische Langläuferin Marina Lisogor wurde in Sotschi zweimal 58., sie hat sicherlich nicht die beste Betreuung. Gefunden wurde bei ihr eine recht exotische Substanz, sie dachte wohl, das wird schon keiner finden. In der Leichtathletik beispielsweise gibt es derzeit mehr als 200 Dopingfälle, darunter sind nur Athleten, die zuvor unter ferner liefen antraten.

Sotschi 2014
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