Anti-Doping:Biathleten schwören auf ihren "beautiful sport"

Anti-Doping: Sonnenschein und schöne Bilder: die Biathlon-WM in Hochfilzen.

Sonnenschein und schöne Bilder: die Biathlon-WM in Hochfilzen.

(Foto: AFP)

Der Präsident des Weltverband genießt den ersten skandalfreien Tag bei der Biathlon-WM. Und Martin Fourcade versöhnt sich vorerst mit den Russen.

Von Saskia Aleythe, Hochfilzen

Nach Gemütlichkeit zu streben ist eine menschliche Angewohnheit. Gemütlich wollte der Weltverband IBU den Freitagabend bestreiten, nachdem diese Biathlon-WM durch die Dopingprobleme des Sports so rau begonnen hatte. Man lud ins "Wellnesshotel" ein, Holzvertäfelung, Weinempfehlungen, weiße Rosen als Deko. Die volkstümliche Bläser- und Akkordeon-Kombo war schon von Tisch zu Tisch gezogen, da trat Anders Besseberg vor die versammelten Gäste. Hinter ihm eine Zwischenwand, darauf prangte im goldenen Rahmen groß die Aufschrift: "Haussegen". Gut ausgelotet und absolut gerade.

Besseberg, 70 Jahre, seit 1993 IBU-Präsident, griff zum Mikrofon. Der Norweger war selber Biathlet, als der Sport noch militärisch geprägt war, laut sprechen kann er. Er begann leise, philosophierte über den blauen Himmel, der ihn in Hochfilzen die vergangenen Tage erfreut hätte. Doch auch ihm sei nicht entgangen, dass sich da ein paar trübe Flecken gezeigt hatten. Appellartig und mit bewusst gesetzten Pausen rief er schließlich aus: "Nothing! Will! Overshadow! Our beautiful sport!" Ein imposanter Auftritt.

Seit Monaten tauchen immer mehr Indizien für Dopingpraktiken auf

Realitäten sind manchmal schwer zu ertragen, vor allem wenn sie die angestrebte Wohlfühl-Atmosphäre so energisch verdrängen. Es waren nicht nur Schatten, die sich in den vergangenen Tagen und im Grunde schon Monaten auf den Sport gelegt hatten, es waren Gewitterwolken der übelsten Sorte.

Seit Monaten tauchen immer mehr Indizien für Dopingpraktiken auf, an den ersten beiden Tagen dieser WM in Hochfilzen hatte es zwei neue Vorfälle gegeben, aktuelle im kasachischen Team und ältere im russischen. Dazwischen die Eskalation eines Streits zwischen russischen Athleten und Martin Fourcade, der sich zum Anführer einer Athleten-Bewegung gegen den Anti-Doping-Kampf aufgeschwungen hatte.

Der russische Verband hatte den noch bis Dezember 2016 wegen Epo-Dopings gesperrten Russen Alexander Loginow prompt für die Mixed-Staffel berufen, sie gewann Bronze, es gab verweigerte Gratulationen der Russen an die Französische Mannschaft auf dem Silberrang, Fourcade sprang vom Podest. Aber Besseberg sagte am Ende von Tag zwei: "Wir werden aus dieser WM stärker hervorgehen als zuvor."

Man lasse nichts unter den Tisch fallen, das betont der erste und bisher einzige IBU-Präsident gerne. Der Weltverband ist ja tatsächlich nicht inaktiv in der Aufarbeitung der Dopingfälle, die WM 2021 will er dem russischen Tjumen nun wieder entziehen. Dieser Entschluss ist lange gereift, er fiel einen Tag vor WM-Start. Als am 9. Dezember der McLaren-Report Indizien dafür ans Licht brachte, dass 31 russische Biathleten zwischen 2011 und Olympia 2014 manipulierte Dopingproben abgegeben hatten, darunter auch noch derzeit aktive, drohte der Weltbeste Fourcade mit einem Weltcup-Boykott, sollte sich nicht bald etwas tun in Sachen Aufarbeitung.

Erst Ende Januar beschloss der Verband, eine Sondersitzung einzuberufen, um über die Forderungen der um Fourcade gegründeten Athleten-Kommission zu beraten. Besseberg erklärte: "Wir haben das zunächst nicht verstanden, dass die Athleten rasche Aktionen fordern."

Für Besseberg strahlte die Sonne am Samstag, nach dem Abend bei Kräuterschaumsüppchen und Lachs, wieder schick vom Himmel. Ein Tag zum Genießen. Fourcade und der Russe Anton Shipulin versöhnten sich nach der Eskalation am Donnerstag mit Handschlag und Umarmung. Und am Abend hatte man ihn tatsächlich überstanden: Den ersten WM-Tag ohne neue Hinweise auf Doping. Tag drei von elf.

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