Boxen:So ist er noch nicht bereit für Tyson Fury

Boxen: Wohin mit der Kraft? Anthony Joshua (rechts) trifft den US-Gegner Jermaine Franklin, der bis zum Ende standhaft bleibt.

Wohin mit der Kraft? Anthony Joshua (rechts) trifft den US-Gegner Jermaine Franklin, der bis zum Ende standhaft bleibt.

(Foto: James Chance/Getty)

Der frühere Schwergewichtsweltmeister Anthony Joshua besiegt Jermaine Franklin klar nach Punkten. Trotzdem fehlt ihm weiter das Vertrauen in sich selbst.

Von Benedikt Warmbrunn

Neun Runden waren vorbei, da hingen die Arme von Anthony Joshua schlaff über den Seilen in der Ringecke. Aus seiner Nase tropfte Blut, seine schöne weiße Hose war bereits ganz besudelt. Vor ihm hüpfte ein Mann von einem Bein auf das andere, ständig schlug er, vor allem Haken, er schlug Aufwärtshaken. Er schlug jedes Mal in die Luft. Joshua schaute regungslos zu. Der Mann war sein neuer Trainer, Derrick James. Und er führte dem früheren Weltmeister im Schwergewicht vor, wie dieser nun boxen sollte. Joshua stand von seinem Stuhl auf. Zeit für die zehnte Runde.

Er marschierte auf Jermaine Franklin zu, seinen zähen Gegner, der ihn zwar selten herausgefordert hatte in den ersten neun Runden, der aber auch nicht umfallen wollte. Was allerdings auch daran lag, dass Joshua oft zu zögerlich geboxt hatte. Nun schlug er ein paar gerade Hände, dann endlich näherte er sich Franklin so sehr, dass er auch die von seinem Trainer geforderten Haken schlagen konnte. Von unten, von der Seite. Später traf er noch mehrmals mit seiner wuchtigen rechten Geraden. Doch Franklin, der auch ein paar gute Momente hatte, fiel weiterhin nicht um. Ende der zehnten, der besten Runde.

"Ich hätte ihn ausknocken sollen"

Nach zwei weiteren, mitunter wieder etwas zögerlichen Runden hatte der Brite Joshua, 33, das Duell gegen den US-Amerikaner Franklin klar nach Punkten gewonnen. Doch nach dem Urteil stand er zunächst wieder regungslos im Ring. Er sagte: "Ich hätte ihn ausknocken sollen." Er hatte gegen Franklin demonstrieren wollen, dass er immer noch ein gefährlicher Schwergewichtsboxer ist, einer, der noch einmal um die WM boxen kann, einer, der noch einmal Weltmeister werden kann. Nun wirkte er wie einer, der sich selbst nicht sicher ist, was davon stimmt.

In seinen beiden Kämpfen zuvor, jeweils gegen den Ukrainer Oleksandr Usyk, hatte Joshua klar verloren. Usyk hatte mit seinem variantenreichen, intelligenten Stil deutlich gemacht, wie viel dem athletischen, in besten Tagen kraftvollen Joshua auf diesem Niveau dann doch fehlt. Gerade im ersten Kampf wirkte Joshua oft zögerlich, manchmal gar verunsichert. Das Duell gegen Franklin war gedacht als eines, das ihm die Sicherheit zurückgeben sollte. Eigentlich.

Das Ziel von Joshua ist es, doch noch eines Tages gegen seinen ewigen Rivalen, Landsmann Tyson Fury, anzutreten. Fury boxt ähnlich wie Usyk, ist schwer vorhersehbar, zudem ein Meister der Psychospielchen. Am Samstag wirkte Joshua noch nicht gefestigt genug für ein Aufeinandertreffen mit ihm. Er war zwar so sehr mit Muskeln bepackt wie noch nie in seiner Karriere, 116 Kilogramm schwer, drei Kilogramm mehr zum Beispiel als im April 2017, als er vorzeitig gegen Wladimir Klitschko gewann. Aber zu oft war er zu zurückhaltend, als traue er sich nicht, all diese Kraft einzusetzen. Dabei wäre seine Power wohl die einzige Chance in einem Duell mit Fury.

Nicht die üblichen großspurigen Worte eines Herausforderers

Als Joshua nach dem Kampf im Ring in London gefragt wurde, wen er als Nächstes boxen wolle, gab er die Frage an die Zuschauer weiter - und natürlich riefen diese nur einen Namen: Fury. Er würde sich "zu 100 Prozent geehrt" fühlen, sollte es zu diesem Kampf kommen, sagte Joshua. Es waren also nicht die in der Branche üblichen großspurigen Worte eines Herausforderers. Sondern die eines Boxers, der auch im Auftreten zurückhaltend bleibt. "Der Ball liegt in seiner Ecke."

Zweimal will Joshua in diesem Jahr noch boxen, gut möglich, dass er im Sommer nicht gleich gegen Fury antreten wird. Der Kampf gegen seinen Landsmann würde zumindest als historisch beworben werden, um dieses Versprechen im Ring einlösen zu können, braucht Joshua noch mehr Vertrauen in sich, und auch in den Stil, den ihm sein neuer Trainer James beibringen will. Das Duell mit Franklin war dazu noch nicht aufschlussreich genug, Joshua selbst sagte: "In 15 Jahren wird sich ohnehin niemand an diesem Kampf erinnern." Stimmt.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusBayern besiegt Dortmund
:Tuchel erlebt 23 perfekte Minuten zum Start

4:2 im Spitzenspiel, drei Tore in der ersten halben Stunde: Thomas Tuchels Premiere als Bayern-Trainer läuft fast perfekt. Doch rund um das Spiel wird Julian Nagelsmanns Entlassung nochmal Thema - wegen eines Streits zwischen Oliver Kahn und Lothar Matthäus.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: