Süddeutsche Zeitung

Anthony Joshua:Klitschkos Klon taktiert klug

  • Anthony Joshua verteidigt seinen WM-Titel gegen den Neuseeländer Joseph Parker, sein Stil erinnert dabei an sein Vorbild Wladimir Klitschko.
  • Joshuas nächster Gegner könnte der Amerikaner Deontay Wilder werden. Der Sieger würde die vier WM-Gürtel der großen Verbände vereinigen.
  • Auch ein innerbritisches Duell gegen Tyson Fury wäre möglich.

Von Benedikt Warmbrunn

Zu den wichtigsten Charaktereigenschaften eines Berufboxers gehört eine gesunde Portion an Größenwahn. Die anderen, davon ist jeder anständige Boxer überzeugt, sind ohnehin schlechter. Und so passte es zu diesem Wochenende im Schwergewichtsboxen, dass am Sonntagmorgen Wladimir Klitschko, 42 Jahre alt, seit einem knappen Jahr Boxer im Ruhestand, in den sozialen Netzwerken folgende Nachricht verbreitete: "Bin heute Morgen mit Feuer in meinem Bauch aufgewacht, das mir sagt: ,Ich habe es immer noch drauf!' Ihr seid hiermit alle offiziell benachrichtigt." Dazu verlinkte er den Account von Anthony Joshua. Es war eine Herausforderung.

Es war ein Aprilscherz.

Wenige Stunden später löste Klitschko den Spaß selbst auf: "Ich komme nicht zurück." Und so darf sich Anthony Joshua seiner Sache erst einmal sehr sicher sein.

Der Brite hatte im April 2017 Klitschko in dessen letztem Kampf durch einen Knockout in der elften Runde besiegt, er gilt seitdem als das gegenwärtig beste Schwergewichtler. Am Samstagabend kämpfte er gegen den Neuseelander Joseph Parker, es war eine Vereinigung der Titel der Weltverbände IBF, WBO, WBA. Und es war eine einseitige Angelegenheit.

Joshua, der Klitschko sein Vorbild und seine Inspiration nennt, erinnerte den gesamten Kampf über in seinem Stil an den Ukrainer, er bewies dadurch, dass er der rechtmäßige Erbe des besten Schwergewichtsboxers des vergangenen Jahrzehnts ist. Das hatte allerdings auch die Nebenwirkung, dass der Kampf - wie so viele von Klitschko - kein spektakulärer war.

Denkbar ist auch ein britisches Duell gegen Tyson Fury

Joshua dominierte das Geschehen mit seiner linken Führhand, er nutzte so seine Vorteile in Größe und Reichweite aus. Parker beeindruckte die Wucht dieser einen Faust so sehr, dass er sich nur in der Mitte des Kampfes gelegentlich ein paar kleinere Attacken zutraute. Ansonsten versuchte er, nicht schwer getroffen zu werden. Joshua dagegen ging kein unnötiges Risiko ein; er ist jetzt kein Herausforderer mehr, er muss niemanden davon überzeugen, dass er der Beste ist. Wie einst auch Klitschko in seinen dominantesten Jahren bewegte sich Joshua als kühler Stratege durch das Seilgeviert, mit seiner linken Faust sammelte er Punkte beim Ringgericht, durch Treffer auf den Kopf, durch Treffer auf den Körper. "Ich war konzentriert", sagte Joshua, "Parker wollte einen Krieg, den habe ich nicht zugelassen." Dadurch zerstörte sich der Brite allerdings auch seine makellose Bilanz: In seinem 21. Profiduell gewann er erstmals nicht vorzeitig.

Klitschkos britischer Klon kündigte anschließend an, nun den Amerikaner Deontay Wilder boxen zu wollen, den WBC-Weltmeister. "2018 ist das Jahr, um die Gürtel zu vereinigen. Wir befinden uns auf diesem Weg. Jetzt ist nicht die Zeit, sich zurückzulehnen", sagte Joshua. Der Sieger dieses Kampfes wäre der erste Schwergewichtsboxer, der die WM-Gürtel der großen vier Verbände WBC, WBO, WBA und IBF gleichzeitig halten würde (die WBO gibt es erst seit 2007). Promoter Eddie Hearn unterstützte seinen Schützling in diesem Vorhaben, er sagte: "Ich denke, es muss 2018 passieren, ansonsten bekommen wir einige größere Probleme mit den Pflichtverteidigungen." Wilder selbst hatte zuletzt auch angekündigt, gegen den Sieger vom Samstag boxen zu wollen.

Eine andere Option für Joshua wäre ein innerbritisches Duell gegen Tyson Fury, der im November 2015 einst Klitschko entthront hatte, danach allerdings in einen Skandal nach dem anderen taumelte. Seit ein paar Monaten trainiert Fury zumindest wieder disziplinierter, am frühen Sonntag twitterte er: "Ich bin der wahre König." Leider handelte es sich dabei nicht um einen Aprilscherz.

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Quelle:
SZ vom 03.04.2018/mjk/tbr
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