Die Reform des von Affären erschütterten Fußball-Weltverbandes Fifa droht endgültig zu scheitern. Die Lage sei "dramatisch", sagte der Fifa-Chefreformer Mark Pieth in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Mittwochsausgabe). "Es besteht die Gefahr, dass die Fifa noch einmal zehn Jahre verliert."
Schuld an der Blockade sei allerdings nicht der umstrittene Fifa-Chef Sepp Blatter - sondern ausgerechnet Europas Fußball-Verband Uefa und dessen Präsident Michel Platini, der sich öffentlich für mehr Transparenz im Weltfußball starkmacht. Doch die meisten Vorschläge für eine transparentere Organisation der Fifa, die der Basler Strafrechtsprofessor Pieth als Vorsitzender der unabhängigen Fifa-Reformgruppe vorgelegt hat, würden ausgerechnet von Europas Fußballfunktionären torpediert, sagte Pieth der SZ - und zwar von "allen Europäern, einschließlich Deutscher Fußball-Bund".
So hält es Pieth etwa für unverzichtbar, dass "alle Leute, die in ein Fifa-Komitee einrücken, sich einer Ethik-Prüfung stellen müssen. Aber was passiert? Die Europäer sagen: Brauchen wir nicht! Wir machen diese Prüfung selber. Aber wenn Europa das nicht will, müssen Afrika, die Karibik, Südamerika das auch nicht machen. Es braucht aber jemanden im Zentrum, der sagt: Moment mal, diesen Typen nehmen wir nicht!", sagt Pieth.
Auch gegen die geplante Amtszeitbeschränkung für Mitglieder des Fifa-Vorstands gebe es Widerstand aus Europa. "Und dann lese ich Schlagzeilen wie: Uefa will mehr Reform. Im Gegenteil: Europa, die Uefa, die demontieren die Reform!"
Über Platini und andere europäische Blockierer sagt Pieth: "Die denken nur an ihre eigene Macht, die denken nicht über ihre eigene Nasenspitze hinaus." Für sich selbst und seine Aufgabe sieht Pieth inzwischen die Gefahr, zum Spielball in einem Machtkampf zwischen Blatter gegen Platini zu werden: "Das ist sicher eine Gefahr: dass man hier benutzt wird. Andererseits kann ich immer sagen: Wenn nichts voran geht, gehe ich und mach' was Anderes. Tschüss Fifa."
Mark Pieth hatte den Vorsitz der unabhängigen Reformgruppe im November 2011 übernommen. In einer ersten Reformstufe haben er und seine Mitstreiter im Fußball-Weltverband eine unabhängige Ethik-Kommission durchgesetzt, in welcher der US-Anwalt Michael Garcia als Chefermittler tätig ist, während der Münchner Strafrichter Joachim Eckert die unabhängige Spruchkammer leitet. Zu Pieths Aufgaben zählte es, unabhängige Kandidaten für diese Schlüsselpositionen vorzuschlagen.
Erstmals äußert sich Mark Pieth nun zu den Hintergründen dieser Personalentscheidungen. Insbesondere an Garcias Unabhängigkeit waren zuletzt Zweifel laut geworden, da der Eindruck entstand, er spare Fifa-Chef Blatter von seinen Ermittlungen aus. "Garcia war nicht auf unserer Liste", berichtet nun Pieth. Vielmehr sei der Jurist aus New York auf Betreiben von Ronald Noble, dem Generalsekretär der Polizeibehörde Interpol, für das Amt vorgeschlagen worden.
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Das ist deshalb problematisch, weil Interpol enge Beziehungen zur Fifa und zu Blatter unterhält. Vor allem sagt Pieth aber: "Ich war sehr verärgert, weil mir der politische Weg, wie mir mein Favorit genommen wurde, nicht gepasst hat." Ursprünglich habe er für die Rolle des Chefermittlers den Argentinier Luiz Moreno Ocampo im Auge gehabt, den langjährigen Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Der argentinische Fifa-Vizepräsident Julio Grondona habe dies jedoch mit Hilfe von Argentiniens Staatspräsidentin Christina Kirchner verhindert.
Die Begründung, die Pieth für diesen Vorgang anführt, ist brisant: "Wenn Sie die Leute im Fifa-Vorstand anschauen, waren viele verbandelt mit ehemaligen Diktatoren. Und die große Leistung von Ocampo war, bevor er nach Den Haag kam, dass er die Diktatoren von Argentinien, die den Falklandkrieg losgetreten hatten, vor Gericht brachte. Sein Hintergrund ist der Kampf gegen faschistische Diktatoren." Damit hätten offenbar mehrere Fifa-Vorständler ein Problem.
Zwei weitere Kandidaten seien ebenfalls aus einem sonderbaren Grund abgelehnt worden: weil sie Frauen waren. "Sue Akers von Scotland Yard war Nummer zwei. Aber da haben die älteren Herren in der Fifa gesagt: Bei einer Frau sollen wir beichten, dass wir etwas Böses getan haben? Nein! Da verlangt ihr zu viel!" Über die Art und Weise, wie am Ende Michael Garcia ins Amt des Chefermittlers rutschte, ist Mark Pieth bis heute verärgert: "Vor allem lehne ich die Gründe ab. Die politischen Gründe bei Ocampo - und ich lehne auch den Sexismus ab, der die Frauen verhindert hat. Aber im Exekutiv-Komitee sind sie eben alle zwanzig Jahre zurück. Und jetzt gilt es, sie in die Gegenwart zu holen."
Das gesamte Interview lesen Sie in der Mittwochsausgabe der Süddeutschen Zeitung sowie in der digitalen Ausgabe der SZ auf dem iPad und Windows 8.