Andy Murray:Der Löwe brüllt wieder

Citi Open- Day 3

Erste Belastungstests nach der Hüftoperation: Andy Murray in Washington.

(Foto: Mitchell Layton/AFP)
  • Beim ATP-Turnier in Washington bestreitet der frühere Weltranglistenerste Andy Murray erstmals seit 16 Monaten wieder ein Hartplatz-Match.
  • Inzwischen ist Murray die Nummer 832 der Welt und bereitet sich nach langer Verletzung auf die US Open vor.
  • Von den Tennis-Verantwortlichen fordert Murray einen besseren Anti-Doping-Kampf.

Von Barbara Klimke

Stimmlich ist er längst wieder der Alte. Zunächst war das zu vernehmen, als Andy Murray die Faust ballte, den Kopf in den Nacken warf und auf dem Platz zu einem kurzen, bellenden Triumphgesang anhob. Eine solch gewaltige Gefühlsregung mochte stark überzogen klingen in Anbetracht des Umstands, dass der ehemals weltbeste Tennisspieler in Washington gerade in seinem Auftaktmatch einen an Position 80 der Rangliste geführten Gegner bezwungen hatte. Andererseits ist Andy Murray von der Nummer 1 des Männertennis momentan ein gutes Stück entfernt: 831 Plätze, um genau zu sein.

Beim ATP-Turnier in Washington hat er erstmals seit 16 Monaten überhaupt wieder ein Hartplatz-Match bestritten. Es war ein Kraftakt, sagte er fast entschuldigend, als er sich die Erleichterung aus dem Leib geschrien hatte. Noch fehlt es ihm an Schlaghärte. Aber er muss auch wieder lernen, die Gegner nicht durch die Wucht der Bälle allein, sondern durch pure Willenskraft über den Platz zu treiben.

Seine Präsenz lässt sich nur schwerlich überhören

Murray, 31 Jahre alt und dreimaliger schottischer Grand-Slam-Veteran, hat diverse Rückschläge im Laufe der Karriere überstanden. Nie zuvor aber hinderten ihn Gesundheitsschäden derart lange an der Berufsausübung. Anfang Januar 2018 ließ er sich nach monatelanger Qual an der Hüfte operieren. Nur drei Spiele konnte er nach der Reha in diesem Jahr bestreiten, ehe er nun in Washington zum Auftakt den noch relativ unerfahrenen US-Amerikaner Mackenzie McDonald, 23, schlug - wofür er sieben Matchbälle benötigte.

"Wenn ich hier etwas gewinnen will, muss ich mit Sicherheit besseres Tennis spielen", lautete seine selbstkritische Einschätzung vor der nächsten Partie, dem Duell gegen seinen britischen Landsmann Kyle Edmund, das in der Nacht zum Donnerstag (Ortszeit) angesetzt war. Vorsorglich hat sich der US-Open-Sieger von 2012 nun viereinhalb Wochen Einspielzeit verordnet, um sich möglichst bis zum nächsten Grand-Slam-Turnier in New York wieder an seine alte mentale und körperliche Stärke heranzutasten: Von Washington aus soll die Reise über die nordamerikanischen Turnierstandorte Toronto und Cincinnati dann nach Flushing Meadows führen.

Doch er ist zurück auf der Tour - und seine Präsenz lässt sich nur schwerlich überhören. Andy Murray, über Jahre einer der weltbesten Profis, gehört zu den vier alten Löwen des Tennis wie auch Roger Federer, 36, Rafael Nadal, 32, und Novak Djokovic, 31. Die Temperamentsausbrüche des Schotten auf dem Court sind allerdings nur das eine. Denn sobald er den Schläger aus der Hand legt und sich das Gemüt beruhigt hat, ist er willens und fähig, sehr analytisch über die weißen Linien, die seinen Sport begrenzen, hinauszublicken. Auch in Washington hat sich Murray nun umgehend wieder Gehör verschafft, indem er zu einem Thema Stellung nahm, bei dem die anderen Alphatiere eher schweigen: Es ging um Dopingtests.

"Im Tennis steckt genug Geld, dass wir ein besseres Programm haben könnten"

Seine US-Kollegin Serena Williams, 36 Jahre alt, 23-malige Grand-Slam-Siegerin und seit einem Jahr Mutter einer Tochter, hatte sich vergangene Woche auf Twitter über die aus ihrer Sicht unerklärliche Häufigkeit von Dopingkontrollen beklagt. Sie argwöhnte Benachteiligung aufgrund ihres Bekanntheitsgrades, ihrer Erfolge und ihrer Popularität: "Von allen Tennisspielern bin ich erwiesenermaßen diejenige, die am meisten getestet wird", klagte Williams. Sie sei sehr dafür, einen sauberen Sport zu unterstützen, schrieb sie. Aber es ging ihr ums Prinzip. Und so schob sie nach: "Diskriminierung?".

Nun zeigen die öffentlich zugänglichen Daten der amerikanischen Anti-Doping-Agentur (Usada), dass beispielsweise in diesem und im vergangenen Jahr der US-Profi John Isner ebenso oft wie Serena Williams Besuch von Kontrolleuren erhalten hat, nämlich fünf Mal. Als der Brite Andy Murray zu der Problematik befragt wurde, hielt er sich mit persönlichen Befindlichkeiten nicht lange auf, sondern kam auf Grundsätzliches zu sprechen, die Aufklärungsarbeit der Tennis- und Profiverbände. "Tennis könnte in dieser Hinsicht transparenter werden", forderte er und rief dazu auf, die "Anzahl der Tests bei jedem Sportler exakt zu zeigen". Die Angaben seien bisher so vage, dass individuelle Vergleiche kaum möglich seien. "Im Tennis steckt genug Geld", sagte er, "dass wir ein besseres Programm haben könnten."

Er selbst, so erläuterte er, sei im ersten halben Jahr seiner Verletzungspause noch relativ häufig kontrolliert worden, zuletzt allerdings "nicht mehr wirklich oft". Möglicherweise steigt nun auch die Zahl seiner Wettkampfkontrollen wieder, wenn er häufiger bei Turnieren antritt. Andy Murray gehört zu jenen, die sich auch in der Vergangenheit regelmäßig für schärfere Kontrollen im Tennissport aussprachen.

Zunächst aber wird der ehemalige Weltranglistenerste nach der Hüftoperation an seinem Aufschlag arbeiten müssen: Im Spiel gegen McDonald trudelte der zweite Serve noch relativ langsam übers Netz. In dieser Hinsicht geht es Serena Williams, der entthronten Nummer 1 der Frauen, übrigens nicht besser: Sie verlor am Mittwoch beim WTA-Turnier in San Jose in der ersten Runde gegen die Britin Johanna Konta in nur 53 Minuten 1:6, 0:6. "Ich weiß, dass ich zigmal besser spielen kann", sagte sie danach. Eine Erkenntnis, die Murray teilen dürfte. Mit oder ohne Brüllen.

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