Ancelotti in Neapel:Der Epilog war schon geschrieben

Ancelotti in Neapel: Gegen Genk gewann Napoli 4:0 - kurz darauf gab der Klub die Trennung von Trainer Carlo Ancelotti (l.) bekannt.

Gegen Genk gewann Napoli 4:0 - kurz darauf gab der Klub die Trennung von Trainer Carlo Ancelotti (l.) bekannt.

(Foto: AFP)
  • Nach nur anderthalb Jahren trennt sich also der SSC Napoli von Trainer Carlo Ancelotti.
  • Nach sieben Begegnungen ohne Sieg steht Napoli in der Tabellenmitte der Serie A.
  • Zum Verhängnis wurde Ancelotti aber wohl eine Geschichte um ein von oben verordnetes Trainingslager, das die Spieler bestreikten.

Von Oliver Meiler, Rom

Mit einem Tweet kurz vor Mitternacht haben sie den König entlassen. Völlig stillos, findet die Gazzetta dello Sport. Nach nur anderthalb Jahren trennt sich also der SSC Napoli vom prominentesten Trainer seiner jüngeren Geschichte, von Carlo Ancelotti, dem einst Unverhofften und lange Erträumten. Von "Re Carlo" eben, von König Karl, und in dieser Überhöhung liegt wahrscheinlich ein Teil des großen Missverständnisses. Diese Behandlung habe er nicht verdient, schreibt die Gazzetta. Trotz allem. Trotz der langen Serie sehr durchschnittlicher Ergebnisse in der italienischen Meisterschaft. Trotz wunderlicher Szenen in der Umkleidekabine. Einen wie "Carletto" schickt man nicht einfach so weg, mitten in der Nacht.

Neapel hatte gerade die Belgier von Racing Genk geschlagen, mit 4:0 sogar, dem höchsten Sieg des Vereins in der Champions League. Damit war der Klub für die nächste Runde qualifiziert, recht locker, ohne Niederlage in der Gruppenphase. Napoli hatte immerhin dem FC Liverpool zugesetzt, dem Titelhalter. Die Anhänger feierten Ancelotti. Die Spieler lobten seine Qualitäten vor den Fernsehkameras, wenigstens einige von ihnen. In der Kabine soll es dann auch Tränen gegeben haben. Der Epilog dieser Geschichte war eben schon geschrieben. Die Ovationen der Fans galten der Verabschiedung, die Elogen der Spieler waren ein Dankeschön.

Man ging dann noch essen, das natürlich schon, und wie immer ging man dafür ins Grand Hotel Vesuvio an der Promenade. Dort übernachtet der Präsident des Vereins, der römische Filmproduzent Aurelio De Laurentiis, wenn er in der Stadt ist. Dann kam der Tweet. Alles sei intakt: Wertschätzung, persönliche Freundschaft, Anerkennung. Doch mit der sportlichen Zusammenarbeit sei es jetzt vorbei. Gennaro Gattuso übernimmt. Der frühere Mittelfeldspieler, heute 41 Jahre alt, ist ein enger Freund Ancelottis. Sie haben damals, als Ancelotti Trainer beim AC Mailand war, viel miteinander gewonnen, auch zwei Titel in der Königsklasse.

Am Ende stand König Karl auf verlorenem Posten zwischen Revoluzzern und Besitzer

In Neapel wird man sich wohl noch lange fragen, was da schief gelaufen ist mit "Mister 20 titoli". So nennt man Ancelotti, weil er in seiner Karriere überall dort, wo er hinkam, Titel gewann, 20 insgesamt: in Italien, England, Frankreich, Deutschland, Spanien. Natürlich ist De Laurentiis' Napoli eine Nummer kleiner, als es Berlusconis Milan war. Oder der FC Chelsea, Paris, Real Madrid, der FC Bayern München. Doch ließen sie sich gerne blenden. Diese Wehmut nach etwas Monarchie ist in Neapel, wo einst die Bourbonen herrschten, nie ganz abgeklungen. Und "König Karl" versprach mindestens ein mittleres Regnum.

Das Team war schon lange zusammen und spielte wie auf Autopilot, schnell und vertikal. Unter Maurizio Sarri, Ancelottis Vorgänger, hatte es einige Jahre lang den schönsten Fußball im Land vorgeführt. Zur Meisterschaft reichte es nie. Doch Napoli gab in dieser Zeit das glaubwürdigste "Anti-Juve"; so werden in Italien Vereine genannt, die ein bisschen an der mittlerweile fast grotesken Dominanz von Meister Juventus Turin kratzen.

Ancelotti stand zwischen den Revoltierenden und dem Klub-Besitzer

Dann kam Carletto und sagte, er sei da, um zu gewinnen. Im Jahr eins war die Mannschaft wieder Zweiter, weit abgeschlagen. Jetzt, nach einer Reihe von sieben Begegnungen ohne Sieg, steht Napoli in der Tabellenmitte der Serie A. Einige Stützen der Mannschaft spielen weit unter ihren Möglichkeiten, so auch Stürmer Lorenzo Insigne, ein talentierter Sohn der Stadt, mit dem es Ancelotti nie gut konnte.

Zum Verhängnis wurde ihm aber wohl eine absurde, sogar etwas infantile Geschichte um ein von oben verordnetes Trainingslager, das die Spieler bestreikten. Und das kam so: De Laurentiis hatte die Mannschaft nach dem müden Unentschieden gegen RB Salzburg Anfang November nach Castel Volturno zitiert, etwa vierzig Kilometer entfernt von der Stadt, wo Napoli trainiert. Bis zum nächsten Spieltag sollten sie dort bleiben und arbeiten, als Strafe. Ancelotti fuhr dienstbereit hin. Doch als er merkte, dass die Spieler die Anweisung ignoriert hatten, kehrte auch er heim. Es hatte da nämlich nach dem Spiel eine unschöne Szene in der Umkleidekabine gegeben. Der Sohn des Präsidenten fühlte sich gedrängt, den Stars im Namen des Vaters und offenbar recht ungehalten seine Meinung zu sagen, worauf einige Dreistigkeiten zurückflogen.

Danach war nichts mehr, wie es einmal war. De Laurentiis Senior ließ sich den Streik nicht gefallen. Er sprach hohe Geldstrafen für alle Spieler aus: je höher das Gehalt, desto höher die Buße. Der Brasilianer Allan etwa, der sich beinahe mit dem Junior geprügelt hätte, soll nun 200 000 Euro bezahlen müssen. Ancelotti stand immer irgendwo dazwischen, zwischen den Revoltierenden und dem Besitzer. Der letzte Volte der Affäre kostete ihn nun den Job.

Von Carlo Ancelotti heißt es, er habe Aussichten, neuer Trainer des FC Arsenal zu werden. Oder des FC Everton. Etwas mit England jedenfalls. Das würde ihm wahrscheinlich ganz gut gefallen. In diesem Metier fällt man nie tief, wenn man mal zwanzig Titel gewonnen hat. Mag der Glanz der Krone inzwischen auch ein bisschen verblasst sein.

Zur SZ-Startseite
Champions League - Group E - FC Salzburg v Liverpool

Champions League
:Klopp atmet auf - Leipzig ist Gruppensieger

Der FC Liverpool gewinnt sein "Endspiel" in Salzburg und zieht ins Achtelfinale ein. Leipzig genügt ein 2:2 in Lyon. Ganz bitter endet der Abend für Ajax Amsterdam.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: