Süddeutsche Zeitung

Ancelotti beim FC Bayern:"Ich muss cool bleiben"

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Von Christopher Gerards

Ja, doch, über den VfL Wolfsburg hat Carlo Ancelotti auch gesprochen, ein bisschen. Dass der FC Bayern eine "gute Reaktion" zeigen wolle, sagte er, und dass sein Team Punkte holen müsse beim Bundesligaspiel am Samstag. Für einen Moment war es eine ganz normale Pressekonferenz, auf der Carlo Ancelotti sprach an diesem Freitagmittag. Aber dann ging es nicht mehr um Wolfsburg.

Carlo Ancelotti musste vor allem über sich selbst reden, über seine Entscheidungen und sein Verhältnis zu den Spielern. Und das hieß: Es ging für eine Viertelstunde um nicht weniger als alles.

Zur Erinnerung: Es ist gut drei Wochen her, dass der FC Bayern in der Bundesliga 4:1 gegen Borussia Dortmund gewonnen hatte, zudem stand Ancelottis Team im Pokal-Halbfinale und im Champions-League-Viertelfinale. Alles in bester Ordnung, dachten alle. Dann kamen das Aus gegen Real Madrid, zwei sieglose Spiele in der Bundesliga, die Pokal-Niederlage gegen den BVB. Und nun ist Ancelotti nicht mehr der Vertreter des Fußballgotts auf Erden. Er ist jetzt so weit, dass Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ihm via Bild sein Vertrauen aussprechen muss. Ancelotti ist, wie das im Branchenjargon heißt: angezählt.

"Real war nicht unser Fehler"

Also, Herr Ancelotti, wie konnte es so weit kommen?

Der Bayern-Trainer betrachtet die Spiele nicht als ein Paket, sondern einzeln, so sagte er es am Freitag. Gegen Real, sagte er, seien Spieler verletzt gewesen, Hummels und Lewandowski, außerdem verwies er auf die Schiedsrichter-Fehlentscheidungen. "Real war nicht unser Fehler", sagte Ancelotti.

Dann kam er auf das Halbfinale im Pokal gegen Dortmund zu sprechen, und Ancelotti klang deutlich demütiger. Er müsse sich seine "Verantwortung" eingestehen, das Team habe nicht kompakt genug gestanden, sagte Ancelotti, und dann fügte er an: "I can say this was my ..." - kurze Pause, zwei Ähs - "responsibility". Der Übersetzer sollte später von einem Fehler sprechen, aber dieses Wort hatte Ancelotti nicht verwendet. Er sprach von "Verantwortung".

Kurz vorher hatte die Bild ein Interview mit Rummenigge veröffentlicht, das als öffentlicher Vertrauensbeweis interpretiert werden konnte. "Carlo ist ein sehr guter und erfahrener Trainer. Seine Vertragslaufzeit ist bekannt (bis 2019, Anm. d. Red.), und darüber wird nicht diskutiert", hatte Rummenigge gesagt. Man dürfe nicht vergessen: "Vor zwei Wochen standen wir noch mit Note 1 plus da! Und es sind Dinge passiert, die man nicht beeinflussen kann, Verletzungen, Schiedsrichterentscheidungen - und manchmal hat auch das nötige Glück gefehlt." Ähnlich sah es auch Ancelotti, es komme auf viele Dinge an, um die Champions League zu gewinnen. Anfang April sei ja noch alles gut gewesen.

Kritisiert wurde der Bayern-Trainer zuletzt nicht nur dafür, dass er mit dem Team aus zwei Wettbewerben ausgeschieden ist - sondern auch dafür, dass er junge Spieler nicht weiterentwickelt habe. Joshua Kimmich etwa, noch einer der Lieblinge unter Pep Guardiola, dazu Renato Sanches und Kingsley Coman (den der FC Bayern nun auch fest verpflichtet hat von Juventus Turin).

Als ein Reporter ihn darauf ansprach, atmete Ancelotti tief ein, kratzte sich hinterm linken Ohr. Ja, sagte er, der FC Bayern habe viele junge Spieler: "Ich bin nicht hier, um Trainer von jungen oder alten Spielern zu sein. Ich bin hier, um die beste Aufstellung zu wählen, mit der Bayern München gewinnt." Erneute Nachfrage, diesmal nach Joshua Kimmich: "Ich habe viel Vertrauen in Kimmich. Vielleicht können wir uns in Zukunft vorstellen, ihn auf die Position von Philipp Lahm zu stellen."

Alle kritischen Fragen beantwortete Ancelotti, und die Reporter stellten ihm viele. Ob er plane, sein Training zu ändern? Wie sein Verhältnis zu Franck Ribéry sei? Was seine Bosse zu den vergangenen Wochen sagten? Alles gut, antwortete Ancelotti dann. Mit Kritik müsse er eben umgehen, "ich muss cool bleiben", erklärte der Italiener. Er wolle ohnehin nicht über die Zukunft reden, erst mal müsse sein Team die Bundesliga gewinnen ("so schnell wie möglich"). Danach könne man die Spielzeit analysieren. Der Klub habe jedenfalls "Vertrauen in mich und ich habe Vertrauen in den Klub".

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