Amin Younes:Der vielleicht beste deutsche Dribbler

Amin Younes

Traf im Viertelfinale gegen Schalke und im Halbfinale gegen Lyon: Amin Younes von Ajax Amsterdam.

(Foto: dpa)
  • Amin Younes aus Düsseldorf spielt an diesem Mittwochabend mit Ajax Amsterdam um den Titel in der Europa League gegen Manchester United.
  • Younes hat einen ungewöhnlichen Karriereweg hinter sich - vor zwei Jahren lief er noch in der Regionalliga auf.
  • Einige Bundesligisten interessieren sich schon für ihn.

Von Christopher Gerards

Der 16. Mai 2015 war kein guter Tag für Amin Younes. 45 Minuten spielte er im Trikot des 1. FC Kaiserslautern, zur Pause kam ein Spieler namens Yannick Nonnweiler für ihn aufs Feld. Younes schoss kein Tor, er gab keine Vorlage, Kaiserslautern verlor 0:1. Und wenn man ehrlich ist: Das ist so ziemlich alles, was die Öffentlichkeit über dieses Spiel erfahren hat.

Amin Younes war vor der Saison von Borussia Mönchengladbach nach Kaiserslautern gewechselt, um Spielpraxis zu sammeln, wie das im Branchenjargon heißt. Aber irgendwo unterwegs hatte der damalige U21-Nationalspieler dann aufgehört zu sammeln, er lernte stattdessen die Ersatzbänke der Republik kennen, manchmal auch nur die Tribünen. "Nicht im Kader", "ohne Einsatz im Kader" - diese Zusätze schmücken erstaunlich viele seiner Spiele aus seiner Zeit in Kaiserslautern. Wobei: An diesem 16. Mai 2015 war Younes schon im Kader, allerdings in einem, der ihm den statistischen Zusatz "bei der 2. Mannschaft" verpasste. Ja, Younes musste da jetzt wirklich durch. Er spielte für den 1. FC Kaiserslautern II in der viertklassigen Regionalliga, vor 450 Zuschauern gegen den FK Pirmasens.

Wie gesagt: Das alles ist zwei Jahre her. Heute finden sich keine weiteren Einträge mit den Wörtern "Pirmasens" und "zweite Mannschaft" in seiner Personalakte. Dafür steht da jetzt: "Finale der Europa League gegen Manchester United".

Die Geschichte von Amin Younes ist eigentlich viel zu unwahrscheinlich, um wahr zu sein. Doch der 23-Jährige hat all das tatsächlich erlebt und tritt an diesem Mittwochabend (20.45 Uhr) mit Ajax Amsterdam gegen Manchester United an. Er spielt außerdem im Sommer beim Confed Cup für die deutsche Nationalmannschaft. Und kehrt womöglich bald in die Bundesliga zurück, dann mit der Empfehlung: gut genug für Jogi. Younes hat für all das ein paar Pfade gewählt, die so auch noch nicht viele deutsche Profis gewählt haben, und genau dafür steht seine Geschichte beispielhaft: Dass man manchmal ein paar Umwege nehmen muss, auch wenn sie ein bisschen holprig aussehen.

Er habe "aus dieser Zeit sehr viel gelernt, was mir heute hilft" - diesen Satz hat er neulich selbst gesagt, als er nochmal nachgedacht hat darüber, wie das damals alles war, in Kaiserslautern und auch in Mönchengladbach. Younes, 23, geboren in Düsseldorf als Sohn einer Deutschen und eines Libanesen, war schon mit sechs zur Borussia gewechselt. Er spielte von der U16 an in allen U-Mannschaften des DFB, mit 18 trat er das erste Mal in der Bundesliga an, für sechs Minuten, bei einem 1:2 gegen Hannover 96. Ein gutes Jahr später sah es so aus, als wäre er auf dem Weg zum Stammspieler, Lucien Favre ließ ihn zum Ende der Saison 2012/13 fünf Mal von Anfang an spielen, meist als hängende Spitze.

Doch in der folgenden Saison spielte er nur noch vereinzelt, und wenn, dann nicht länger als 20 Minuten. In der Hinrunde in Kaiserslautern spielte er fast immer, in der Rückrunde fast gar nicht, und es gehört zu seinem großen Glück, dass er einen Trainer hatte, der ihm vertraute: Horst Hrubesch, seinerzeit U21-Nationaltrainer. Er nominierte Younes trotz mangelnder Spielpraxis für die U21-EM, und dort dribbelte er sich auf die Notizblöcke diverser Scouts, die ihren Samstag eher nicht bei Spielen der Regionalliga Südwest verbringen.

Dortmund und Leipzig sollen an Younes interessiert sein

"Mit Amin Younes hätten wir gerne verlängert und ihn verliehen", sagte sein damaliger Manager Max Eberl im Sommer 2015. Aber Younes hatte sich für einen Wechsel zu Ajax Amsterdam entschieden. "Eine großartige Möglichkeit für Amin", sagte Eberl noch, doch wenn man ehrlich ist: Die Möglichkeit war sogar ein bisschen großartiger als großartig. Die holländische Eredivisie galt seinerzeit zwar nicht mehr als die europäische Ausbildungsliga schlechthin, aber für einen Fußballer wie Younes war sie praktisch erfunden worden. Er selbst sagt: "Es ist ein Privileg, hier spielen zu dürfen. Ich habe mich sportlich und charakterlich weiterentwickelt."

Younes ist ein Profi, den es derzeit nicht nochmal gibt im deutschen Fußball. Er ist kein Kroos, der ein Spiel sortiert, kein Özil, der Pässe voller Poesie spielt. Younes ist ein Instinktfußballer, wie das in der Fachsprache heißt, dribbelstark, schnell im Antritt, ein Ribéry in 1,68 Meter, nur ohne das Prädikat "Weltklasse" und mit ein paar Ellenbogenstößen weniger in der Akte. Als Löw bei der EM 2016 darüber klagte, dass es zu wenig Dribbler im Land gebe, widersprach ihm Hrubesch öffentlich: "Wir haben sie. Es gibt nicht nur Sané, es gibt auch Amin Younes."

"Wenn man sich wohl fühlt, muss man nicht unbedingt weg"

118 Mal hat der Linksaußen in der laufenden Europa-League-Saison schon zum Dribbling angesetzt, in 14 Spielen, nur jedes zweite Dribbling war erfolgreich, aber genau das ist es, was ihn auszeichnet: dass er scheitert und es dann halt nochmal versucht. Heiko Westermann, Nationalspieler einst und ebenfalls bei Ajax, nannte Younes kürzlich jedenfalls den wohl besten deutschen Eins-gegen-Eins-Spieler.

Younes weiß aber auch, dass seine Saison in der niederländischen Liga zumindest nicht perfekt war, im Februar kritisierte er sich in einem Interview selbst. Er müsse "besser werden, viel besser", sagte er, und danach hat er tatsächlich einige beeindruckende Spiele hingelegt. Seine Bilanz: drei Tore und neun Vorlagen in der Eredivisie; vier Tore und vier Vorlagen in der Europa League (je eins davon im Viertelfinale gegen Schalke und im Halbfinale gegen Lyon). Er spielte jedenfalls hinreichend gut, dass deutsche Klubs ihn sichten, Dortmund soll genauso an ihm interessiert sein wie RB Leipzig. "Ich würde lügen, wenn ich nicht zurück in die Bundesliga wollte", sagt Younes selbst, er fügt aber auch diesen Satz an: "Wenn man sich so wohl fühlt, muss man nicht unbedingt weg." Und erst mal will er das Finale gegen Manchester United gewinnen.

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