American Football:Teure Gehirnerschütterung

Nach der kommenden Saison droht der Football-Liga NFL ein Arbeitskampf. Die Frage dabei lautet: Wie viel Geld muss man einem Sportler bezahlen, damit er bereit ist, langfristig seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen?

Jürgen Schmieder

Auf den Internetseiten sportlicher Großveranstaltungen prangt an prominenter Stelle meist eine Uhr, die rückwärts zählt und anzeigt, wie lange es noch dauert, bis die erste Partie angepfiffen wird. Auch auf der Homepage der National Football League (NFL) gibt es diesen Countdown, diesen Donnerstag wird die neue Spielzeit mit der Partie des Meisters New Orleans Saints gegen die Minnesota Vikings eröffnet.

Brandon Gibson, Antwan Barnes

Die Vorbereitungsspiele (im Bild: St. Louis Rams gegen die Baltimore Ravens) sind vorüber, am Donnerstag beginnt die neue Saison in der NFL.

(Foto: AP)

Auf der Homepage der NFLPA, der Gewerkschaft der professionellen Footballspieler, ist ebenfalls eine rückwärts tickende Uhr zu sehen. Sie zeigt an, wie lange es noch dauern wird, bis die Spieler von der Liga ausgeschlossen werden. Aktueller Stand: Es sind noch 173 Tage bis zum 6. Februar 2011. Dann wird die Super Bowl ausgetragen, das Endspiel im nordamerikanischen Profi-Football. Wie es danach weitergeht, kann kaum jemand abschätzen. Als DeMaurice Smith, Chef der Spielergewerkschaft, kürzlich gebeten wurde, die Chancen auf eine Aussperrung auf einer Skala von eins bis zehn einzuschätzen, sagte er: "Vierzehn."

Die Besitzer der Vereine haben den bis 2011 gültigen Tarifvertrag nicht verlängert, bei den Verhandlungen fordern sie eine Steigerung des Umsatzes, eine Reduzierung der Spielergehälter und die Einführung eines Maximalsalärs für Neulinge. Um die Einnahmen zu erhöhen, hat NFL-Chef Roger Goodell eine simple Idee: Er will die reguläre Spielzeit um zwei Partien auf 18 Spiele erweitern. "Wir verzichten auf zwei Vorbereitungsspiele, dafür gibt es zwei Partien mehr, in denen es um etwas geht", sagt Goodell. "Die Anzahl der Spiele insgesamt bleibt gleich", sagt Goodell.

Das klingt zunächst ebenso plausibel wie die Forderung nach einem Gehaltslimit für junge Spieler, die derzeit mit irrsinnigen Verträgen ausgestattet werden. Die St. Louis Rams etwa bezahlen dem 22-jährigen Quarterback Sam Bradford in den kommenden sechs Jahren 86 Millionen Dollar, die Detroit Lions dem Neuling Ndamukong Suh 68 Millionen Dollar, verteilt auf fünf Jahre.

Dass sich der Streit zwischen den Teambesitzern und den Spielern jedoch allein ums Geld dreht, wäre zu kurz gegriffen. Es geht vielmehr um die Frage, wie viel Geld man einem Sportler bezahlen muss, damit er bereit ist, langfristig seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen.

Kaum eine Chance für die Spieler

In Vorbereitungsspielen nämlich agieren meist Ersatzspieler, die sich um einen Platz im Kader bewerben, die Stammspieler stehen nur kurz auf dem Feld. "Man muss sich ernsthaft fragen, welcher Spieler gesund genug ist, 18 Saisonspiele und die Ausschlussrunde durchzustehen", sagt Ray Lewis von den Baltimore Ravens, einer der erfahrensten Spieler der NFL. "Irgendwann muss man auch daran denken, was mit einem Spieler nach seiner Karriere passiert."

Was mit Spielern nach der aktiven Zeit passieren kann, das zeigen mehrere Studien, die in den vergangenen Jahren erschienen sind: Der Prozentsatz an ehemaligen Footballspielern, bei denen Alzheimer oder andere Gedächtniskrankheiten diagnostiziert werden, ist 19 Mal so hoch wie bei Männern im gleichen Alter, die nicht Football gespielt haben. "Es gibt eine Grenze, die auch bei finanzieller Kompensation nicht überschritten werden darf", sagt Lewis.

Dabei wird diese Grenze bereits jetzt von vielen Akteuren nicht beachtet. Mehr als 60 Prozent aller Spieler haben während der Karriere mindestens eine Gehirnerschütterung, 26 Prozent gar drei oder mehr - die NFL musste kürzlich eine Mindestpause nach Gehirnerschütterungen verordnen, weil die meisten Spieler trotz der Verletzung aufs Spielfeld wollen. Dazu vertraut mancher Spieler nicht nur den teils überharten Übungseinheiten, sondern auch leistungsfördernden Mitteln. Die Folge: Der Prozentsatz ehemaliger Footballspieler, die an Herzkrankheiten leiden, ist überproportional hoch. Die NFL hat sich der Doping-Problematik mittlerweile zwar angenommen, die Kontrollen und verhängten Strafen sind bislang jedoch nicht mehr als ein Witz.

Die Spieler wollen sich deshalb gegen eine Verlängerung der regulären Saison und das Einfrieren der Gehälter wehren. Ihre Begründung: Die NFL ist eine florierende Liga, auf einer Liste mit den 20 wertvollsten Sportvereinen, die das Magazin Forbes kürzlich herausgab, standen 15 Footballklubs. "Wir erzielen die höchsten Umsätze aller Zeiten", sagt Ray Lewis. "Wir Spieler generieren diese Umsätze, also wollen wir daran beteiligt werden." Derzeit erhalten die Akteure etwa 60 Prozent aller Einkünfte, im neuen Tarifvertrag soll dieser Prozentsatz garantiert werden.

Die Teambesitzer weigern sich - und haben derzeit die besseren Karten. Beim Ausfall einer kompletten Saison würden die Eigentümer dennoch Fernsehgelder in Höhe von etwa einer Milliarde Dollar bekommen, müssten jedoch keine Gehälter an die Akteure bezahlen. "Wir bereiten die Spieler auf eine Aussperrung und den Ausfall der Spielzeit 2011/2012 vor", sagt DeMaurice Smith. Bis dahin muss die Show eine Saison lang weitergehen. Der Countdown läuft.

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