American Football: Super Bowl:"Sei ein Heiliger!"

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Vor vier Jahren zerstörte Hurrikan Katrina die Stadt New Orleans. Nun steht die Football-Mannschaft der Saints im Endspiel und gilt als Symbol einer Stadt, die nicht aufgegeben hat.

Jürgen Schmieder

Florida gilt gemeinhin als Sunshine State, der Bundesstaat im Südosten der Vereinigten Staaten ist ein Fleckchen Erde, an dem immerzu die Sonne scheinen soll. Als die Football-Mannschaft der New Orleans Saints jedoch am Mittwoch zum Training schritt, da stürmte und regnete es derart heftig, dass die Spieler in einer Halle üben mussten. "Wir werden dem Sturm standhalten", sagte Quarterback Drew Brees. "Schließlich wissen wir, wie man das macht."

Die Menschen in New Orleans feiern ihre Saints. (Foto: Foto: rtr)

Dieser Satz ist kein plumper Chauvinismus vor einem wichtigen Spiel, sondern eine Zusammenfassung dessen, wie sich diese Saints und ihre Heimatstadt New Orleans definieren. Der Verein gilt als Symbol einer Stadt, die im August 2005 durch den Hurrikan Katrina verwüstet wurde. 80 Prozent des Stadtgebietes standen bis zu 7,60 Meter unter Wasser, mehr als 1800 Menschen starben, der wirtschaftliche Schaden wurde auf insgesamt 125 Milliarden Euro geschätzt. 60.000 Menschen flohen damals in den Louisiana Superdome, der Spielstätte der Football-Mannschaft. Es gab gar Politiker, die forderten, New Orleans aufzugeben und die Bürger umzusiedeln. Auch die Saints sollten eine neue Heimat finden. Nun stehen die Saints im Endspiel um die Meisterschaft, Gegner in der 44. Super Bowl am Sonntagabend in Miami sind die Indianapolis Colts.

Mehr als vier Jahre nach der Naturkatastrophe hat sich die Stadt noch immer nicht von den Folgen erholt. Nur zwei Drittel der Krankenhäuser sind wieder in Funktion, nur 60 Prozent der öffentlichen Schulen sind wieder geöffnet, jeder Dritte der damals Evakuierten lebt noch in Notunterkünften. Trost und Zuversicht finden die mittlerweile nur noch 336.000 Einwohner beim Sport, vor allem bei ihren Saints. Der Superdome wurde für 125 Millionen Euro renoviert und gilt nun neben dem French Quarter und der Bourbon Street als Wahrzeichen. Der Spruch "Be a Saint" ("Sei ein Heiliger") wurde zum Motto der Stadt.

So ein Heiliger ist auch Brees: Regelmäßig versammelt er in New Orleans sieben der reichsten Männer von New Orleans. Sie bleiben anonym, geben dem Quarterback aber Geld, damit er es für den Wiederaufbau der Stadt sinnvoll einsetzt. Brees trägt mittlerweile den Beinamen "Drew Orleans".

Wie in anderen strukturschwachen und krisengebeutelten Städten wie etwa Detroit dienen die Sportveine als Trostspender. "Was die Saints dieser Stadt bedeuten, ist unglaublich", sagt Peyton Manning, Quarterback der gegnerischen Colts. Sein Gegenüber Drew Brees ergänzt: "Es gibt so viele Parallelen zwischen der Stadt und dem Team. Die Teilnahme an der Super Bowl ist den Menschen der Stadt gewidmet."

Am 25. September 2006 kehrte die Mannschaft zurück in den Superdome. U2 und Green Day traten vor der Partie auf und sagen das Lied "The Saints are coming", der ehemalige Präsident George Bush sr. übernahm den Münzwurf. Es gab zahlreiche Lieder auf die Mannschaft wie "Bring'em to the Dome" oder "My Town". Indes: Die Saints gelten nicht gerade als erfolgsverwöhnter Verein. Erst sieben Mal in 43 Jahren schaffte es die Mannschaft, in die Ausschlussrunde vorzurücken, die Endspielteilnahme ist die erste in der Vereinsgeschichte. Noch 2005 hatten die Saints die zweitschlechteste Bilanz aller NFL-Mannschaften, erst mit der Aquise von Trainer Sean Payton und Quarterback Drew Brees kam der Erfolg.

Am Sonntag treffen nun zwei Mannschaften aufeinander, die unterschiedlich zusammengestellt wurden. Während die Colts 39 Spieler im Kader haben, die noch nie für eine andere Mannschaft gespielt haben, stehen im Aufgebot der Saints 30 Spieler, die bereits woanders tätig waren. "Wir sind so etwas wie das Team aus ganz Amerika", sagt Linebacker Jonathan Vilma. Es scheint den Amerikanern zu gefallen: eine zusammengewürfelte und doch eingeschworene Mannschaft, die allen Widrigkeiten zum Trotz Erfolg hat. Nicht umsonst wurden die Saints sogar von der New York Times als "Amerikas Team" bezeichnet.

In dieses Bild passt auch, wie der sportliche Erfolg zustande kam. Die Colts verlassen sich auf die Passkünste und Führungsqualitäten von Quarterback Peyton Manning. Ihm werden brave Blocker und treue Passempfänger zur Seite gestellt mit der Ansage, dass Manning es schon regeln würde. Manning gilt als der Beste seiner Zunft, er hat die Colts bereits im Jahr 2007 zur Meisterschaft geführt

Die Saints dagegen bauen aufs Kollektiv und verteilen die Verantwortung auf mehrere Schultern. Neben Passgeber Brees verfügen die Saints mit Reggie Bush und Pierre Thomas über ein variables Laufspiel, die Verteidigung gilt als härteste - und auch unfairste - der Liga. Die Philosophien beider Vereine führten zum Erfolg: Zu Saisonbeginn blieben beide Mannschaften unbesiegt (die Saints 13 Spiele, die Colts gar 14), ehe die Stars vor den Playoffs geschont und Niederlagen in Kauf genommen wurden.

Am Sonntag stehen zum ersten Mal seit 1993 jene Mannschaften im Endspiel, die auch die beste Saisonbilanz vorweisen können. Und anders als in den vergangenen Jahren ist bei diesem Endspiel kein eindeutiger Favorit auszumachen - die Experten favorisieren die Colts leicht. Die Fachleute prognostizieren ein Duell, das bis zum Ende spannend sein dürfte. "Der Kopf ist unentschieden", ist im San Francisco Chronicle zu lesen." Doch das Herz ist für New Orleans. Für die Stadt, deren Einwohner so viel durchmachen mussten.

Die Saints brauchen noch einen Sieg im derzeit verregneten Florida, um die Cinderella-Geschichte zu vervollständigen und einen Grund für eine Sieges-Parade auf der legendären Bourbon Street zu liefern. "Es wäre ein Traum", sagt Reggie Bush. Ein Traum, den in New Orleans derzeit alle Menschen träumen.

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