Süddeutsche Zeitung

American Football:Super Bowl im TV: Spaß und Stripes

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Von Sebastian Fischer

Am Anfang war da dieser Decoder. Der Vater eines Freundes hatte ihn besorgt, erzählt Günter Zapf. Dieser Decoder konnte AFN empfangen, den amerikanischen Soldatensender in Europa. Und weil der Freund, dessen Vater und Zapf damals in den Siebzigerjahren Amerika interessant fanden und Sport auch, haben sie sich jeden Sonntagabend im Wohnzimmer in München-Perlach getroffen, um American Football zu schauen. "Wir hatten überhaupt keine Ahnung, was da abgeht", sagt Zapf, "aber es war halt cool."

Zapf, 58, wurde Spieler und Vereinspräsident, ein Pionier in Deutschland. Und er kommentierte fürs Bezahlfernsehen, das Fachpublikum schätzte seine Analysen. Am Sonntag wird er im kalifornischen Santa Clara seinen 21. Super Bowl im Stadion sehen, als Fan. Doch ist er inzwischen kein Sonderling mehr, begeistern sich doch gerade viele Deutsche für die amerikanischste aller Sportarten: Mit der Ausstrahlung des Halbfinales erreichte Sat 1 vor zwei Wochen 1,19 Millionen Menschen.

Einen Marktanteil von 21,2 Prozent. Wie machen die das?

Dabei verfolgten deutsche Sportfans Football lange so wie Zapf im Perlacher Wohnzimmer: Einmal im Jahr, zum Super Bowl, war es halt cool, ein bombastisches Spektakel. Doch nun scheint auch der Sport zu interessieren. Sonst würde Sat 1 kaum mit Halbfinalspielen Marktanteile von bis zu 21,2 Prozent erreichen. Zapf sagt: "Es ist ein Ding, was die da wuppen." Die Frage ist: Wie machen die das?

Ein großer Teil der Antwort, glaubt Zapf, sei das Gespür für den richtigen Moment. Es gibt Fanclubs, fünf Deutsche spielen in der Profiliga NFL, Spielszenen sind im Netz leicht zugänglich. Die Nachfrage sei in ganz Europa enorm, sagt NFL-Chef Roger Goodell, er will sein Produkt in Europa etablieren. Und genau in dieser Zeit hat Sat 1 im Sommer die Rechte erworben, 50 Spiele der laufenden Saison zu senden, zum ersten Mal im deutschen Free-TV. In der Branche war von einem Schnäppchenpreis in sechsstelliger Höhe die Rede.

"Die Deutschen haben beinahe ihr Schnitzel verloren"

Der Vertrag läuft zunächst drei Jahre. Sat 1 setzt schon länger auf Football, überträgt den Super Bowl seit Jahren, im letzten Jahr mit einem Marktanteil von 40 Prozent, und seit zwei Jahren auch die Halbfinalspiele. "Wir haben den Sport sukzessive aufgebaut", sagt Sender-Sportchef Alexander Rösner. 43 der 50 Spiele liefen bei Pro Sieben Maxx und im Internet. Das Konzept, das deutsche Publikum auf einem Spartensender an Football heranzuführen, habe die NFL überzeugt, sagt Rösner.

Er glaubt, dass der Erfolg viel mit der Art und Weise zu tun hat, wie seine Redaktion den Sport präsentiert. Sat 1 will junge Zuschauer ansprechen, Football als Spektakel darstellen und gleichzeitig erklären. Der Sport, mit Teams für Offensive und Defensive pro Mannschaft und einem komplexen Regelwerk, ist für den Gelegenheitszuschauer ja kaum verständlich.

"Wir machen auch mal einen Witz"

Das Finale am Sonntag kommentiert Frank Buschmann. Neben ihm sitzen mehrere Football-Experten, die in den zahlreichen Pausen Regeln und Taktik erklären. Außerdem zeigt Christoph "Icke" Dommisch, der "Netman", Bilder aus den sozialen Netzwerken, wie Fans in Deutschland kostümiert im Wohnzimmer schauen. Der Hashtag #rannfl - der Name der Sendung - ist ein Trending Topic auf Twitter, also unter Nutzern besonders populär.

Die Spiele dauern mehrere Stunden, lassen sich aber auf wenige Höhepunkte verdichten und auf Zweikämpfe reduzieren. "Der US-Sport - mit all dem Theater drumherum - trifft bei den jungen Leuten den Zeitgeist", glaubt Buschmann. "Und wir haben eine Herangehensweise gewählt, die anders ist. Wir machen auch mal einen Witz." Buschmann spricht von Humpty Dumpty, wenn ein Spieler zum Punkterfolg in die Endzone stapft. Und ihre lautstarke Begeisterung brachte den Kommentatoren auf der Website der New York Daily News die Überschrift ein: "These German announcers nearly lost their Schnitzel."

Günter Zapf würde das natürlich anders kommentieren, zurückgenommener, sachlicher. Andererseits: "Die Quoten geben ihnen recht." Und Buschmann sagt: "Wir wollen so viele Leute wie möglich bekehren."

Ran Super Bowl, Sat 1, Sonntag, 23.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 05.02.2016
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