American Football: Super Bowl:Die Käseköpfe greifen an

Die USA ächzen unter dickem Eis - umso mehr fiebert das Land der Super Bowl entgegen. In der Nacht streiten sich die Pittsburgh Steelers mit den Green Bay Packers, dem erfolgreichsten Provinz-Team der Geschichte.

Christoph Leischwitz, Dallas

Die Straßen liegen unter zentimeterdickem Eis, denn Streusalz gibt es hier nicht. Die Schulen sind seit Dienstag geschlossen, und die Innenstadt von Dallas ist so leer, als habe das Finale um die Super Bowl bereits stattgefunden. Niemand begibt sich ins Freie, wenn es nicht unbedingt nötig ist, und das ist für die wichtigste Sportveranstaltung des Jahres natürlich Gift. Denn bei der Super Bowl soll auch Geld fließen.

Super Bowl XLV

Käse auf dem Kopf: Adrian Battles von den Green Bay Packers.

(Foto: dpa)

Der heftige Wintereinbruch in weiten Teilen der USA hat zudem dafür gesorgt, dass viele Fans der Green Bay Packers und der Pittsburgh Steelers noch gar nicht anreisen konnten. Das Duell des NFC-Champions Green Bay Packers gegen den AFC-Champion Pittsburgh Steelers in der Nacht zum Montag (0.30 Uhr MEZ/ARD) ist ein Duell mit noch höherem Zuschauerinteresse als sonst, doch in Dallas selbst ist die Vorfreude auf Eis gelegt.

Die Trainer beider Teams stört es zwar nicht, dass sie nun nicht im Freien trainieren können. Mike Tomlin, der Chefcoach der Steelers, sagt sogar: "Es ist ein Segen. Das ist das Wetter, das wir kennen." Außerdem findet das Spiel in einem überdachten Stadion statt - vor 104.000 Zuschauern im neuen Cowboys Stadium.

Packers-Fans dürften die Minusgrade in Texas auch als gutes Omen nehmen, immerhin gewann ihre Mannschaft im Jahr 1967 bei minus 25 Grad die sogenannte "Ice Bowl", das damalige Halbfinale - ausgerechnet gegen die Dallas Cowboys. Das Spiel ist aber nur ein Grund für die anhaltende Beliebtheit der Packers im ganzen Land.

Die Green Bay Packers wurden 1921 gegründet, sie hatten vor der Einführung der Super Bowl 1967 bereits neun Titel gesammelt. Der erste Sponsor war die "Indian Packing Company", eine Firma, die Dosenfleisch abfüllte. Die nächste größere Stadt ist Milwaukee, die für halbwegs brauchbares Bier bekannt ist, ansonsten produziert der Bundesstaat Wisconsin eigentlich nur eine Menge Käse.

Die Packers werden deshalb auch "Käseköpfe" genannt, ursprünglich ein Schimpfwort, doch die Fans setzen sich heute zu den Spielen gerne auch Kunststoff-Käsehüte auf. Es gibt nicht viel, womit man sich dort oben in der Peripherie der USA sonst identifizieren könnte. In dem Ort mit seinen 102.000 Einwohnern kann man nicht nur nachvollziehen, wie es früher in weiten Teilen der USA aussah, man kann dort auch sehen, wie American Football früher ausgesehen hat.

Im Jahr 1956 verkaufte das Farmer-Ehepaar Victor und Florence Vannieuwenhoven das Gelände für ein neues Stadion, das nunmehr legendäre Lambeau Field. Gleichzeitig wurde den beiden zugesichert, dass erst nach der nächsten Maisernte mit dem Bau begonnen wird. Football war zu dieser Zeit ein Sport für Landeier, Baseball das Spiel der großen Städte. Und als später die Vereine in die Metropolen gelockt wurden, blieben die Packers einfach zu Hause - weil sie nämlich den Bewohnern gehören.

Sympathischer Außenseiter

Der Klub gründet auf 4,7 Millionen Anteilen, nur Bewohner Wisconsins können sie erwerben, und niemand darf mehr haben als 200.000. Damit gibt es auch keinen Besitzer, der das Team an einen anderen Ort verpflanzen kann. Dafür mussten die Fans dem Klub auch schon aus finanziellen Nöten helfen, zuletzt in den neunziger Jahren. Die Packers sind ein seltenes Relikt aus einer Zeit, in der Spitzensport noch nicht mit Kommerz gleichgesetzt wurde. Das macht sie für viele zu einem sympathischen Außenseiter.

Quinn Johnson, Ernie Sims

Endlich Super Bowl: Quinn Johnson (fliegend) von den Green Bay Packers ist dabei.

(Foto: AP)

Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum der Rasen von Green Bay heilig ist. Die Packers gewannen vor 45 Jahren Super Bowl Nummer eins, und zu verdanken hatten sie das zu einem großen Teil ihrem Trainer Vince Lombardi, ein gelernter Metzger und charismatischer Anführer, der Taktik und Trainingsstil weit über seine Sportart hinaus geprägt hat.

Er war das erste Gesicht der NFL, unter anderem auf dem Titel des Time-Magazins im Jahr 1962, und er war in gewisser Weise ein Puritaner, der den amerikanischen Traum auf den Sport umlegte: Du kannst immer gewinnen, wenn nur dein Wille und dein Fleiß groß genug sind. Und gewinnen ist alles. Drei Tage nach seiner Beerdigung im Jahr 1970 wurde die Super-Bowl-Trophäe nach Lombardi benannt.

Die Packers gehören in allen Umfragen zu den beliebtesten Sportklubs. Doch manchmal werden sie dort auch von den Pittsburgh Steelers geschlagen. Die nun anstehende Super-Bowl-Begegnung ist deshalb vielen Amerikanern so sympathisch, das wieder einmal die TV-Rekorde gebrochen werden dürften.

Die Packers und die Steelers haben nicht nur eine ähnliche Geschichte, sie haben auch eine ähnliche Spielweise, vor allem in der Defensive. Dazu gehören die spät erkennbaren Angriffe auf den Quarterback und eine hervorragende Rückraumdeckung bei Pässen. Die Frage wird sein, welcher Quarterback sich davon mehr beeindrucken lässt: Aaron Rodgers von den Packers hat in den Playoffs überragend gespielt, Ben Roethlisberger von den Steelers jedoch mehr Erfahrung: Er hat bereits zwei Super Bowls gewonnen.

Die Wettquoten sehen keinen Favoriten, doch die meisten neutralen Zuschauer dürften auf einen Sieg der Packers hoffen, weil deren letzter Erfolg schon 15 Jahre zurückliegt. Und noch mehr Bedeutung kommt diesem Spiel womöglich zu, weil der Sieger vielleicht für zwei Jahre Titelträger sein könnte: Liga und Spielergewerkschaft streiten sich um einen neuen Tarifvertrag, ein Kompromiss ist nicht absehbar. Es ist möglich, dass bald mehr auf Eis liegen wird als nur die Straßen von Dallas.

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