American Football:Schutz gegen die Vollsprint-Tackles

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Quarterback C.J. Beathard von den San Francisco 49ers wird von Kentrell Brice von den Green Bay Packers getackelt. (Foto: AP)
  • Im American Football wird eine Regel bei Tackles gegen Quarterbacks neuerdings so ausgelegt, dass manche verloren gegangenes Spektakel beklagen.
  • Die NFL hält aber an ihrem Kurs fest - weil sie das Spiel durch die Hintertür aufregender machen möchte. Es fallen nämlich neue Punkte-Rekorde.

Von Fabian Dilger

Kuriose Verletzungen gab es in der Sportwelt schon einige. Fußballspieler Ever Banega brach sich beim Tanken den Fuß, Tennisspielerin Kristyna Pliskova wurde während eines Matches von einem Ventilator verletzt und dann gab es da ja noch das Ohr des Boxers Evander Holyfield, das Mike Tyson teilweise abknabberte. Seit letztem Wochenende darf sich auch der NFL-Spieler William Hayes von den Miami Dolphins in die Galerie kurioser Verletzungen einreihen. Verteidiger Hayes hatte sich gerade den gegnerischen Quarterback geschnappt, dann wollte er sich recht ungelenk von dessen Körper abrollen - und riss sich dabei das Kreuzband. Der Grund für Hayes' folgenschwere Rolle seitwärts liegt in einer neuen Regelauslegung, die in der NFL zurzeit für Ärger sorgt.

Die Regel nennt sich "Roughing the passer" und übersetzt sich ungefähr mit "Den Passer schruppen". Nicht von ungefähr erinnert das an den alten Kreisliga-Sprech "den Gegner wegschruppen". Die Verteidiger dürfen den Passverteiler im Football, den Quarterback, nur körperlich angehen, wenn dieser noch den Ball in der Hand hat. Hat der Quarterback den Ball schon weggeworfen, dann dürfen die Verteidiger ihn nicht mehr tackeln.

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Das Problem ist, dass ein Aspekt der Regel von den NFL-Schiedsrichtern seit dem Beginn der neuen Saison im September äußerst streng ausgelegt wird. Verteidiger dürfen nicht mit ihrem "vollem Körpergewicht" auf dem Quarterback landen, wenn sie ihn nur kurz nach dem Pass erwischen. Das ist eher ein frommer Wunsch in der Theorie, als wirklich durchführbar, sagen die Kritiker. Schließlich rauschen die Verteidiger im Vollsprint heran.

Die Referees ließen solche Aktionen deshalb früher durchgehen, wenn klar war, dass der Verteidiger die Aktion wegen der Spielgeschwindigkeit nicht mehr abbrechen konnte. Seit Saisonbeginn pfeifen die Schiris aber humorlos bei vielen Zweikämpfen, bei denen der Quarterback ein wenig zu spät erwischt wird. Die NFL hat ihre Schiedsrichter dazu angewiesen. Die Anzahl der Fouls zu dieser Regel hat sich drastisch erhöht.

Die Spieler sind ratlos ob der neuen Regelauslegung der Liga und der Schiris. Die Ratlosigkeit schlägt dann schnell in Zorn um. Zum Beispiel bei Clay Matthews von den Green Bay Packers, einem der bekanntesten Quarterback-Jäger. Die Liga werde "soft", sagte er. Soft, das ist im amerikanischen Sport eine Beleidigung, die in der Schwere irgendwo zwischen Vaterlandsverräter und Vatermörder rangiert. Verteidiger-Kollege Richard Sherman, auch sonst nicht um starke Meinungen verlegen, warf der NFL in einem Tweet Ungleichbehandlung vor: "Es macht ihnen (der NFL) nichts aus, wenn der Rest von uns verletzt ist. Solange der Quarterback sicher ist."

Auch die Fans sind ungehalten. Viele meinen sarkastisch, in Zukunft dürfe der Quarterback wohl gar nicht mehr berührt werden. Differenzierter sieht das Christoph Kröger, der den deutschen Football-Podcast "Down, Set, Talk" moderiert. Den Grundgedanken, die Quarterbacks besser vor Verletzungen zu schützen, findet er gut. Allerdings sei die jetzige Regel-Auslegung sehr konfus: "Es werden momentan Sachen gepfiffen, die in diesem Sport nicht verhinderbar sind. Es ist immer noch eine Vollkontakt-Sportart."

Es gibt zwei Erklärungen, warum die NFL ihre Schiedsrichter angewiesen hat, die Regel viel strenger zu pfeifen: Die erste ist treuherzig und geht davon aus, dass die Liga die Quarterbacks einfach besser vor Verletzungen schützen will. Aaron Rodgers, einer der besten Quarterbacks, brach sich letzte Saison zum Beispiel bei einem solchen Zweikampf das Schlüsselbein. Die NFL selbst verteidigt sich. Anstatt voll auf den Körper zu gehen, könnten die Verteidiger ja einen Arm attackieren oder versuchen, sich abzurollen. Siehe William Hayes, der genau das versucht hat.

Treuherzigkeit ist im größten Sport-Business der Welt aber meist kein Faktor. Die realistischere Erklärung dürfte nahe an die Richard-Sherman-Theorie kommen: Die NFL will zwar ihre Quarterbacks besser beschützen, aber nur als Mittel zum Zweck. Und sie will ihnen das Passspiel, das am spektakulärsten aussieht, erleichtern, um mehr Punkte pro Spiel zu generieren.

Die Quarterbacks sind die bekanntesten Spieler. Mehr gesunde Superstars und mehr Pässe bedeuten Spektakel - und mehr Spektakel bedeutet mehr Aufmerksamkeit, so dürfte die Überlegung der NFL sein. Vom Grundsatz her ähnelt das der Überlegung, im Fußball die Tore zu vergrößern, um dem Fan mehr Treffer pro Spiel zu bieten. Für diese Erklärung spricht auch, dass in der NFL zurzeit genau das passiert: Die Quarterbacks stellen laufend neue Rekorde in Sachen Pass-Statistiken auf.

Trotz der vielen Beschwerden wird die NFL in Zukunft nicht so schnell von ihrer Linie abweichen, glaubt Christoph Kröger: "Die NFL ist ja leider bekannt dafür, ihre Entscheidungen so lange wie möglich durchzuziehen." Vielleicht werde nach der Saison offiziell darüber gesprochen. Kröger hofft, dass zumindest die Schiedsrichter im Laufe der Saison nachsichtiger werden.

© SZ vom 14.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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