American Football:Football bringt einen Geldautomaten nach LA

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Ein Umzug steht an: Lamarcus Joyner (Mitte) von den St. Louis Rams. (Foto: Troy Wayrynen/Reuters)
  • Die Rams spielen statt in St. Louis künftig wieder in Los Angeles Football.
  • Das Zustandekommen des Umzugs zeigt, wie gnadenlos im US-Sport geschachert wird.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Viele Football-Fans sind verzückt: Die Rams ziehen um, von St. Louis nach Los Angeles. Und dabei wird es vielleicht nicht bleiben. Auch die Chargers aus San Diego zieht es nach Norden, in den Großraum, in dem es so viele Sportfans gibt. Die Nachrichten sorgen vielerorts für gute Laune. In Los Angeles, weil es von der kommenden Saison an wieder Profifootball in der Stadt geben wird, von 2019 an sogar in einem Drei-Milliarden-Dollar-Glaspalast im Süden der Stadt.

Bei den Rams, weil sie nach 21 Jahren in den zweitgrößten Sportmarkt der Welt zurückkehren und erst einmal kein anderer Klub mitkommen wird. In San Diego, weil die Chargers noch mindestens eine Spielzeit bleiben. Selbst in St. Louis, weil vielleicht schon bald die Chargers oder wenigstens die Raiders aus Oakland kommen werden.

Für all die gute Laune hat die nordamerikanische Profiliga NFL gesorgt, deren Eigentümer in der Nacht zum Mittwoch diese salomonischen Entscheidungen fällten. Diese Eigentümer sind allerdings gleichzeitig die Besitzer der 32 Klubs. Alleine schon deshalb sollte jede ihrer Abstimmungen mit gespannter Vorsicht beäugt werden. Die NFL funktioniert anders als der Fußball-Weltverband Fifa oder das Internationale Olympische Komitee. Die Verantwortlichen tun gar nicht erst so, als würden sie im Sinne des Sports oder der Fans entscheiden. Sie folgen einfach nur ihren eigenen Interessen. So auch in diesem Fall.

In Wahrheit sollte erst einmal niemand jubeln. Nicht in Los Angeles. Nicht in San Diego. Nicht in St. Louis. Was die Umzugspläne bedeuten und wie sie zustandekamen - das kann auch als Lehrstück gelesen werden wozu der US-Profisport verkommen ist.

Es ging keineswegs darum, die ach so begeisterten Football-Fans in Los Angeles zu beglücken. Die haben angesichts zahlreicher Mannschaften in anderen Sportarten und erfolgreicher College-Football-Teams nun wahrlich nicht auf eine NFL-Rückkehr gewartet. Rams-Besitzer Stan Kroenke sagte schon vor der Abstimmung recht offen, es ginge ihm einzig um "ein erstklassiges Stadion, das St. Louis nicht bereitstellen kann". Chargers-Besitzer Dean Spanos begründete seinen Umzugswunsch so: "25 Prozent unserer Einnahmen werden im Süden von LA generiert. Als die Rams dorthin umziehen wollten, musste ich reagieren, um unser Geschäft zu schützen."

Es ging bei dieser am Ende eindeutigen Entscheidung (30:2) in einem Hotel in Houston nur ganz am Rande um Sport. Es ging um Politik, es ging um Macht - vor allem aber ging es darum, dass die NFL-Besitzer wussten, dass sich im Süden von Kalifornien eine gewaltige Gelddruckmaschine befindet, die zwei Jahrzehnte lang stillgelegt war, nach der Renovierung jedoch dicke Scheine auswerfen würde.

Seit 1995 - damals waren die Raiders und die Rams gleichzeitig aus der Stadt geflüchtet - diente Los Angeles als Drohmittel: Die Koketterie mit einem Umzug an die Westküste war ein Druckmittel, das die Klubs nutzten, um in ihren Städten neue Stadien durchzudrücken. Es funktionierte: Mehr als drei Viertel der NFL-Arenen wurden seitdem neu gebaut oder renoviert. Nun waren die Angebote aus St. Louis (400 Millionen Dollar) und San Diego (350 Millionen) offensichtlich nicht großzügig genug, Oakland gab noch nicht einmal eines ab. Drei Klubs wollten nach Los Angeles, so schnell wie möglich.

SZ-Karte (Foto: nfl_ausbau)

Dort begann sogleich das Geschacher um den möglichen Ort der Arena. Selbst Disney-Chef Robert Iger beteiligte sich am Werben, hätte eine mögliche Variante doch ein Stadion in der Nähe seines Freizeitparks und damit möglicherweise erhöhte Einnahmen über Hotels oder zusätzliche Besucher bedeutet. Bürgermeister Eric Garcetti, der 2018 gerne zum Gouverneur von Kalifornien gewählt werden möchte, brauchte dringend einen Prestige-Erfolg, also setzte er sämtliche politischen Hebel in Bewegung, um ein Team zum Umzug nach Los Angeles zu bewegen.

Um es kurz zu machen: Los Angeles ist als Markt derart lukrativ für die Rams, dass Besitzer Stan Kroenke auf die 400 Millionen Dollar der Stadt St. Louis verzichtet und auch noch die Umzugsgebühr von geschätzten 550 Millionen Dollar an die NFL bezahlt.

In Inglewood haben die Bauarbeiten auf einer Fläche, die drei Mal so groß ist wie der Vatikan, bereits begonnen. Neben dem Palast für bis zu 100 240 Zuschauer soll eine weitere Arena für Konzerte entstehen, dazu ein Casino, ein künstlicher See und ein Einkaufszentrum. "Das wird ein Stadion, das sämtliche Sport-Arenen rund um die Welt verändern wird", verspricht NFL-Chef Roger Goodell. Bis zur Fertigstellung sollen die Rams ihre Heimspiele im Memorial Coliseum austragen, Schauplatz der Olympischen Spiele 1932 und 1984 und derzeit Heimstätte der College-Footballmannschaft USC.

Die Chargers müssen sich bis Januar 2017 entscheiden, ob sie den Rams in dieses Stadion nach Los Angeles folgen, den 100-Millionen-Zuschuss der NFL für einen Verbleib in San Diego annehmen - oder sich eine komplett neue Heimat suchen.

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Bei einer Flucht aus San Diego würden die 100 Millionen Trost-Zuschuss an die Raiders fließen, die gerade ohne Aussicht auf eine neue Arena sind. "Das ist nicht gerade ein Erfolg für uns", sagt Raiders-Besitzer Mark Davis deshalb: "Aber wir werden nicht aufgeben und uns eine neue Bleibe suchen."

Das wird Davis sicherlich schaffen, schließlich hat die National Football League in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder bewiesen, wie wunderbar sie sich um sich selbst kümmern kann. Die Einnahmen der Liga werden in dieser Saison bei 13 Milliarden Dollar liegen, der Gewinn bei knapp einer Milliarde. Die NFL ist damit die profitabelste Sportliga der Welt.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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