American Football:Matt Ryan pinselt endlich in Perfektion

American Football: MVP ist Matt Ryan (r.) schon, jetzt will der Quarterback mit den Atlanta Falcons auch den Super Bowl gewinnen.

MVP ist Matt Ryan (r.) schon, jetzt will der Quarterback mit den Atlanta Falcons auch den Super Bowl gewinnen.

(Foto: AP)
  • Der Quarterback der Atlanta Falcons scheiterte oft an seiner Schlampigkeit.
  • Mit dem Erreichen des Super Bowl löst er die Wette seines Förderers ein.

Von Christopher Meltzer

Eine Geschichte über Matt Ryan muss mit Thomas Dimitroff beginnen. Dimitroff, 50, ist der General Manager der Atlanta Falcons. Einst verwaltete er fünf Jahre lang das College-Scouting der New England Patriots. Als er den stolzen Klub aus dem Umland Bostons 2008 schließlich verließ, um in Atlanta ein neues Team aufzubauen, beauftragte er sich mit der wichtigsten Aufgabe selbst: Der Manager Dimitroff befahl dem College-Kenner Dimitroff einen neuen Quarterback zu finden.

Eigentlich glaubten sie in Atlanta, längst einen fähigen Spielmacher zu haben: Michael Vick, im Jahr 2001 die Nummer eins des Drafts, wo die NFL-Teams jährlich die talentiersten Nachwuchsspieler auswählen dürfen. Doch 2007 verurteile ein Gericht Vick, der über fünf Jahre illegale Hundekämpfe mitorganisiert hatte - in der noch nicht auserzählten Geschichte über NFL-Footballer und ihre Konflikte mit der Justiz nur ein kleines Kapitel.

Dimitroff jedenfalls erinnerte sich an seine alte Heimat, an das Boston College, wo im Schatten der großen Patriots ein schmaler Junge die Szene aufmischte. Der Falcons-Manager brach mit einer Delegation auf, um Matt Ryan zu besuchen. Wenig später, im Draft 2008, schnappte sich Atlanta den talentierten Quarterback.

Der erste Pass führt zu einem Touchdown - dann geht es abwärts

Auch den Kritikern gefiel dieser Matt Ryan, und als der Neuling mit seinem allerersten NFL-Pass tatsächlich einen Touchdown erzielte, himmelten sie ihn an. Sie waren sich sogar sicher: Früher oder später würde Ryan die alternde Quarterback-Riege um Tom Brady und Peyton Manning beerben.

Während Brady und Manning ihre Rekordjagd aber fortsetzten, blieben die Erfolge in Atlanta aus. Angeführt von Ryan landeten die Falcons bis zu dieser Saison nur einen Playoffsieg. Thomas Dimitroff aber zweifelte nicht. Vielleicht durfte er auch nicht zweifeln. Wenn ein General Manager viel Geld in einen jungen Spieler investiert (Ryan erhielt einen 72-Millionen-Dollar-Vertrag), wettet er auch auf die eigene Fähigkeit, sich nicht in ihm getäuscht zu haben. Matt Ryan war Dimitroffs große Wette.

"Wir haben hier einen Quarterback, der uns auf immer höhere Level bringen wird", versicherte Dimitroff daher als die Falcons Ryan 2013 ein zweites Mal mit Geld überhäuften (103,8 Millionen Dollar für fünf Jahre). Die Klubbesitzer konnte er beruhigen, die Kritiker nicht. Ryan spielte nie wirklich schlecht, doch ließ er jene Geniestreiche vermissen, die herausragende Spielmacher auszeichnet. Die Schlampigkeit überpinselte die Genialität. Zwischen 2012 und 2015 schleuderte Ryan den Ball 61 Mal in die Hände eines Verteidigers. Die strengen NFL-Kritiker wüteten.

"Das war meine wichtigste Lektion", sagt Ryan heute über den Umgang mit der öffentlichen Schelte. "Als ich 23 oder 24 war, hat es mich mehr beeinflusst. Mit 31 verstehst du, was wichtig ist und was nicht. Du kannst besser damit umgehen."

"In diesem Jahr hat er den letzten Schritt gemacht"

Viele Quarterbacks blühen erst auf, wenn sie die 30 Jahre überschreiten. Darauf setzte auch Thomas Dimitroff - und startete eine letzte Offensive. Er verlängerte den Vertrag mit Star-Receiver Julio Jones, verpflichtete die flinken Passempfänger Mohamed Sanu und Taylor Gabriel, draftete die Running Backs Devonta Freeman und Tevin Coleman. Ihnen allen stellte er den trickreichen Offensivtrainer Kyle Shanahan zur Seite.

Der Plan ging auf: Die Falcons spielen erstmals seit 1999 im Super Bowl. Nur einmal blieben sie in dieser Saison unter 20 Punkten, in sechs Spielen knackten sie die 40. Und endlich schien auch Dimitroffs große Wette sich auszuzahlen: Matt Ryan spielte so gut wie nie. Die NFL hat ihn zum wertvollsten Spieler der Saison (MVP) gekürt. "Er war schon immer gut", sagte Ryans ehemaliger Teamkollege Tony Gonzalez, "aber in diesem Jahr hat er den letzten Schritt gemacht auf dem Weg zur Perfektion."

Die Kritiker himmeln Ryan inziwschen übrigens wieder an. Sie fiebern dem großen Finale entgegen, wo der Kreis sich schließt. Wo Matt Ryan auf die New England Patriots trifft, auf Tom Brady, den Mann, den er einst hätte ablösen sollen.

Und Ryan selbst? Der hat nicht vergessen. Als er inmitten der Saison mal auf die vielen Kritiker von früher angesprochen wurde, meinte er nur: "Um ihnen den Mittelfinger zu zeigen, ist es ein bisschen früh." Sonntagnacht könnte es soweit sein.

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